Was die vorgeschlagene Gesetzesänderung ändern würde.

Das Haus mit den zwei Gesichtern steht da wie ein Mahnmal dafür, dass im Kanton Zürich etwas nicht aufgeht.

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Der rechte Teil des historischen Doppelhauses am Rand von Hombrechtikon ist perfekt saniert und herausgeputzt, mit einem gepflegten Garten davor. Er beherbergt das Dorfmuseum – Sinnbild der Bewahrung eines Stücks Heimat.

Der linke Teil, direkt damit verbunden, ist das pure Gegenteil: eine Ruine. Nur die von aussen gegen die bröckelnde Fassade gestemmten Holzverstrebungen bewahren die schiefen Wände vor dem Einsturz. Das lecke Dach ist mit einer Plane überspannt, der Garten verwildert. Seit einem Jahr ist das Haus zur Sicherheit zudem eingerüstet.

Beide Hausteile sind Schutzobjekte. Was sie unterscheidet: die Eigentümer, deren Absichten und das Handeln der Behörden.

Die ganze Geschichte kann hier nicht aufgerollt werden, aber das Beispiel zeigt auf einen Blick: Der Zürcher Denkmalschutz ist keine besonders stringente Angelegenheit, sondern unübersichtlich und oft verwirrend. Darin sind sich sogar jene Kontrahenten einig, die sich bei diesem Thema sonst nie einig werden. Denn die Frage, ob im Kanton Zürich zu viel oder zu wenig historische Bausubstanz erhalten wird, ist heftig umstritten.

Am bewahrenden Ende des Spektrums steht Martin Killias, der Präsident des Zürcher Heimatschutzes – eines privaten Vereins, der oft mit der kantonalen Denkmalpflege verwechselt wird, aber anders als diese nicht offiziell für den Erhalt wichtiger Bauzeugen zuständig ist. Diese Seite warnt vor zu viel Willkür, zu viel Laissez-faire, zu wenig Fachkompetenz.

Am anderen Ende des Spektrums stehen Politiker wie der SVP-Kantonsrat Pierre Dalcher, ein Vertreter des Hauseigentümerverbands. Sie kritisieren die Regeln zum Erhalt von Baudenkmälern seit langem als «antiquiert und wenig eigentumsfreundlich». Zu starke Einschränkungen, zu lange Verfahren, zu geringe Transparenz.

Dalcher und mehrere Mitstreiter aus der FDP, der CVP und der EVP feiern gerade einen Etappensieg. Sie haben mithilfe eines Vorstosses erreicht, dass die Zürcher Kantonsregierung die Regeln überarbeitete – obwohl sie sich erst dagegen gesträubt hatte.

Das Bauen an historischen Gebäuden soll künftig vereinfacht werden, damit der Denkmalschutz nicht mit anderen wichtigen Zielen kollidiert: namentlich mit der baulichen Verdichtung von Siedlungen und mit energetischen Sanierungen. Zu diesem Zweck soll das Planungs- und Baugesetz angepasst werden. Der Entwurf ist kürzlich in die Vernehmlassung gegangen.

Einige wichtige Änderungen:

Einheitliche Inventare

Das erste Problem, das gelöst werden könnte, ist fehlende Transparenz. Heute weiss niemand, wie viele Baudenkmäler es im Kanton überhaupt gibt. Denn neben dem Kanton führen auch die Gemeinden Listen mit potenziellen Schutzobjekten, sogenannte Inventare. Sie tun dies nach uneinheitlichen Kriterien und liefern keine Zahlen. Und ob ein Gebäude wirklich geschützt wird, entscheidet sich in der Regel erst, wenn der Eigentümer etwas daran ändern will – manchmal erfährt er überhaupt erst dann von seinem «Glück».

Fachleute schätzen, dass etwa 3 bis 4 Prozent aller Gebäude im Kanton Zürich in einem Inventar erfasst sind. Nur etwa ein Fünftel davon hat überkommunale Bedeutung. Definitiv unter Schutz stehen noch weniger Bauten.

Eine der neuen Regeln, welche die Kantonsregierung vorschlägt: In Zukunft soll ausschliesslich der Kanton die Inventare der potenziellen Schutzobjekte führen, auch jene für die kommunalen Objekte. Die versprochenen Vorteile: einheitliche Kriterien, schlankere Verfahren und mehr Übersicht. Zudem sollen Eigentümer konsequent informiert werden, wenn ihr Haus in ein Inventar aufgenommen worden ist. Der Entscheid, ob ein Gebäude später tatsächlich geschützt wird, bliebe bei kommunalen Schutzobjekten in der Hoheit der betreffenden Gemeinde.

Martin Killias vom Heimatschutz begrüsst diese Änderung. Bisher seien manche Gemeinden mit der Aufgabe überfordert gewesen und hätten zum Teil offensichtlich schutzwürdige Gebäude nicht einmal ins Inventar aufgenommen. Der Hauseigentümerverband hingegen ist skeptisch: Die Vereinheitlichung dürfe nicht zu einer Ausdehnung der Schutzziele führen.

Strengere Anforderungen an ein Denkmal

Eine andere neue Regel betrifft die zentrale Frage, was ein altes Gebäude überhaupt zum Baudenkmal macht. Die Kantonsregierung will die Anforderungen erhöhen, indem mindestens zwei von vier Kriterien erfüllt sein müssen, die ein Haus als wichtigen Zeugen einer Epoche auszeichnen. Dies entspricht im Wesentlichen den Forderungen der bürgerlichen Politiker um Dalcher.

Killias bezeichnet es als verpasste Chance: Man müsse sich vom Epochenbegriff lösen. Dieser funktioniere gerade bei sehr alten Gebäuden schlecht, da sie immer wieder umgebaut worden seien und mehrere Stile in sich vereinten. «Das Fraumünster wäre nach dieser Definition kein Baudenkmal, da es vom romanischen Chor über das spätgotische Längsschiff bis zur Neugotik ein Sammelsurium von Stilen repräsentiert.»

Bauliche Eingriffe ohne lange Verfahren

Zwei weitere wichtige Änderungen zielen darauf ab, dass Baudenkmäler stärker und leichter verändert werden können als bisher. Dies mit der Begründung, dass sie sich oft nur erhalten lassen, wenn sie zeitgemäss genutzt werden können. Ein unveränderter Erhalt ginge daher zu weit.

Die wohl umstrittenste Regelung: Um die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, sollen diverse Eingriffe an inventarisierten Gebäuden künftig bewilligt werden können, ohne dass zuvor aufwendig geklärt wird, ob es sich um ein schützenswertes Baudenkmal handelt. Möglich sein soll dies immer dann, wenn die geplante Veränderung die Schutzziele «nicht wesentlich» beeinträchtigt.

Der Hauseigentümerverband bezeichnet dies als «überfälligen Schritt», um bürokratische Hürden bei kleinen Eingriffen abzubauen. In der Vergangenheit seien Eigentümer zu stark eingeschränkt worden.

Martin Killias vom Heimatschutz hingegen gibt zu bedenken, dies bedeute eine «maximale Gefährdung» von Hunderten Inventarobjekten im Kanton. Denn durch viele kleine Eingriffe lasse sich ein historisches Haus so lange aushöhlen und verändern, bis am Ende nichts Schützenswertes mehr übrig sei – und man das Objekt abbrechen könne. Dies sei «massenhaft» vorgekommen, bis das Verwaltungsgericht diese Praxis 2020 auf relativ geringfügige Eingriffe beschränkt habe.

Kostenbeteiligung der Gemeinden

Schliesslich sollen, anders als heute, künftig auch die Gemeinden einen finanziellen Beitrag an Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung leisten: mindestens 10 Prozent des Aufwands für die denkmalpflegerische Erhaltung. Dies würde eine Entlastung für die Eigentümer bedeuten.

Killias heisst dies gut, er würde noch weiter gehen: «Für den Denkmalschutz als öffentliches Interesse sollte grundsätzlich die öffentliche Hand bezahlen.» Die Zusatzkosten bei der Sanierung eines normalen Bauernhauses betragen laut ihm schnell einmal 200 000 Franken – und der Kanton beteilige sich bei kommunalen Schutzobjekten seit rund zwanzig Jahren gar nicht mehr.

Finanzielle Hilfe könnten sicher auch die Eigentümer des baufälligen Hausteils in Hombrechtikon brauchen. Nachdem der Vorbesitzer ihn jahrelang hatte verlottern lassen, wollten sie ihn abbrechen lassen. Doch aufgrund einer Intervention des Heimatschutzes und eines Gerichtsurteils müssen sie ihn nun rekonstruieren, wie er einmal war.

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