Die Einigung der deutschen Koalitionsspitzen auf einen Haushaltsentwurf 2025 und eine Wachstumsinitiative ist ein Minimalkompromiss. Er sichert vor allem das Überleben der Koalition.

Gerade noch die Kurve gekriegt, aber eine vielleicht letzte grosse Chance vergeben: Damit lässt sich die Einigung der Spitzen der deutschen Ampelkoalition auf die Grundzüge für den Bundeshaushalt 2025 und eine «Wachstumsinitiative» zur Stärkung des Wirtschaftswachstums zusammenfassen. Nach monatelangem Tauziehen haben sich der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und der liberale Finanzminister Christian Lindner in der Nacht auf Freitag, den letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause, doch noch zusammengerauft.

Auf Kante genäht

Immerhin ersparen sie damit dem Land eine Verlängerung der Zitterpartie. Zudem hat sich Lindner mit der Forderung durchgesetzt, die Schuldenbremse einzuhalten. Der Druck der Sozialdemokraten und der Grünen war gross, erneut eine Notlage auszurufen und damit eine höhere Neuverschuldung zu ermöglichen. Scholz hat das aber nicht unterstützt, und das ist gut so. Es gibt keine neuen ausserordentlichen Ereignisse, die das gerechtfertigt hätten. Deutschland hat kein Einnahmenproblem, sondern ein Problem bei der Priorisierung von Ausgaben.

Neue Schulden wird der Staat trotzdem machen: Mit einem Nachtragshaushalt für 2024 soll die diesjährige Neuverschuldung auf 50,5 Milliarden erhöht werden, für 2025 sind 44 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist der höchste Betrag, den die Schuldenbremse gerade noch zulässt. Auch sonst ist der Haushaltsentwurf arg auf Kante genäht, soweit sich das auf Basis der bisherigen spärlichen Informationen einschätzen lässt. Die staatlichen Investitionen sollen mit Blick auf die marode Infrastruktur ebenso steigen wie das Kindergeld. Verteidigungsminister Boris Pistorius erhält etwas mehr Geld als dieses Jahr, aber längst nicht so viel wie gefordert.

Prinzip Hoffnung

Gleichwohl sollen die Ausgaben nächstes Jahr mit 481 Milliarden Euro geringfügig unter dem im Nachtragshaushalt für 2024 geplanten Betrag bleiben. Zur Finanzierung setzt die «Ampel» auch auf das Prinzip Hoffnung: Die Wachstumsinitiative werde das Wirtschaftswachstum 2025 nach ersten Berechnungen um gut 0,5 Prozentpunkte steigern, das entspreche fast 26 Milliarden Euro an zusätzlicher Wirtschaftsleistung, sagte Habeck vor den Medien. Entsprechend hofft die Koalition auf mehr Steuereinnahmen.

Die Wachstumsinitiative selbst enthält 49 oft kleinere Massnahmen. Vieles davon ist sinnvoll, darunter zum Beispiel verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, etwas strengere Sanktionen und mehr Arbeitsanreize beim Bürgergeld oder finanzielle Anreize für Menschen, die freiwillig über das Rentenalter hinaus arbeiten. Hinzu kommen weitere Anläufe zum Bürokratieabbau.

Das ist positiv, aber es sind im Wesentlichen Absichtserklärungen, die erst noch in Gesetze gegossen werden müssen. Vor allem aber bleibt das Paket weit hinter einem Befreiungsschlag à la Agenda 2010 zurück. Einen solchen hätte Deutschland nötig, will es die im internationalen Vergleich gesunkene Wettbewerbsfähigkeit und das geringe Wachstum wieder steigern. Die Koalition verpasst damit eine wohl letzte Chance für ein mutiges Reformpaket, da im Herbst 2025 bereits die nächste Bundestagswahl ansteht.

Sich-Durchwursteln bis zum Ende

Doch mehr lag angesichts der divergierenden politischen Grundüberzeugungen der drei Parteien nicht drin. Der Streit um das Heizungsgesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023, das die Übertünchung der Differenzen durch Haushaltstricks und damit durch mehr Schulden unterbunden hat, hat der 2021 als selbsternannte «Fortschrittskoalition» angetretenen «Ampel» den letzten Schneid abgekauft.

Was sie noch zusammenhält, ist nicht mehr der Wille zur Gestaltung, sondern der Wille zum Machterhalt. Angesichts miserabler Umfragewerte und schlechter Ergebnisse bei der Europawahl hat keine der drei Parteien Interesse an einem vorzeitigen Ende der Koalition. Damit haben sie sich selbst zum Sich-Durchwursteln bis im Herbst 2025 verdammt.

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