Sonntag, November 24

Die Schweizer Kabarettistin tritt nach ihrer Mutterschaftspause wieder auf. In München war Premiere von «Immer noch wach». Das Publikum war begeistert.

Die Schweizer haben bekanntlich keinen Humor, und die Deutschen auch nicht. Dass beides falsch sein kann, beweisen die Schweizerin Hazel Brugger und ihre Münchner Fans während ihrer Show «Immer noch wach» im vollbesetzten Zirkus Krone. Ihre Pointen prasseln und sitzen; das Publikum quittiert sie mit johlendem Gelächter und wildem Applaus.

Die Humorologie kann’s erklären. Die Dreissigjährige ist weder eine 24-Karat-Schweizerin noch eine Deutsche. Sie ist in Kalifornien zur Welt gekommen und hat so auch einen dritten Pass. Man spürt die amerikanische Einfärbung, den Einfluss der Stand-up-Comedian-Kultur. Ganz knapp, das ist das Wesen dieser Kunst der One-Liner. Den Knochen nur kurz hochhalten, ihn dann fallenlassen, ohne auf ihm herumzukauen.

Das erzeugt einen rapiden Rhythmus, der das Publikum in dauernde Lachbereitschaft versetzt. Etwa so: Nach den schnellen Pointen 1, 2 und 3 sagt der Comedian plötzlich: «Ich mag keinen Spinat.» Trotzdem brüllendes Gelächter. Ist die Menge erst einmal angefixt, wirkt die Show wie eine Droge. Wir wollen mehr, egal, ob es nur um langweiligen Spinat geht. Wie funktioniert das?

Selbstironie muss sein

Regel 1: Keine weitschweifige Einführung; das Tempo macht den Witz. Diese Kunst beherrschen die meisten deutsche Comedians nicht. Das Manko zeigt Bruggers deutscher Warm-up-Kollege zum Auftakt der Performance. Er parliert hin und her, das Geschwafel fällt flach; da helfen auch die Zoten nicht. Nachdem Brugger die Bühne betreten hat, rollen die Applauswellen bis zum Schluss.

Regel 2: Such dir das richtige Publikum aus. Das ist in München durchgehend jung: Millennials und Generation Z, kaum ergraute Köpfe. Da entstehen sofort Kameraderie und Sympathie; Hazel Brugger weiss, was ihr Publikum umtreibt: Sex, Beziehungs- und Psychoprobleme, doofe Ärzte, nervige Kleinkinder, Mütter und Omas. Ausserdem redet Brugger öffentlich über Themen, die in feinen oder woken Kreisen heikel sind – wie Lesben (Achtung: LGBTQ) und Depression (kranke Seele). Hazel Brugger aber versteht uns, macht sich gemeinsam mit uns über uns und andere lustig.

Regel 3: Den Monolog kräftig würzen mit Ironie und Selbstironie. Diese Tugenden sind im deutschen Kulturkreis knapp gesät, aber die Jungen kennen sie längst aus den amerikanischen Sitcoms, die über den Atlantik schwappen.

Zum Beispiel ein langer Szene über Lesben. Hazel Brugger: «Ich wäre eine gute Lesbe, deshalb perfekt für andere. Ich bin wie die kompetitiv», was bei Männern nicht läuft. Die wollen ein Schäfchen und gleich zur Sache kommen. «Lesben lieben mich, weil ich sie liebe.» Dann: «Ich würde gut mit einer Powerfrau wie Alice Weidel zusammenpassen», der lesbischen Spitzenpolitikerin der AfD. Pause. Dann: «Alles andere finde ich Scheisse an ihr.» Die Menge johlt – man funkt auf derselben Wellenlänge; Hazel Brugger ist cool, trotz oder wegen ihrer unkorrekten Sprüche eine von uns. Und wir wissen genau, dass sie einen Mann und zwei Kinder hat; da kommt weder Wokeness noch Indoktrinierung.

Ein Glanzstück findet beim Arzt statt, dem sie erzählt: «Ich bin traurig, fühl mich nicht, bin müde.» Der: «Sind Sie religiös?» – «Nee, warum?» – «Pilgern Sie mal nach Lourdes. Da sind so viele kranke Menschen, da merken Sie, dass es Ihnen gar nicht so schlecht geht.» Ein nicht ganz billiger Rat, dem sie nicht folgt. Sie sucht wieder einen Arzt auf. Der: «Du bist nicht depressiv, geh einfach laufen.» Ihr Mann meldet sie bei einem Psychiater an. Der verschreibt ein Medikament. Als sie begierig nach dem Rezept greift, sagt er: «Natürlich müssen Sie auch Gesprächstherapie machen, und dann gehen Sie laufen.»

Brugger zum Publikum: «Ich habe die Jogger gesehen; sie sind so übel gelaunt, weil sie laufen müssen.» Ihre Lösung: «Wenn du bei solchen Ärzten bist, lauf einfach weg! Bis nach Lourdes!» Absurdes Theater vom Feinsten. Die Menge brüllt.

Und wie zum Beginn wieder ein Kompliment an das bajuwarische Publikum. «München ist so schön» – besser als Berlin und als Hessen, wo Brugger jetzt lebt. «Ich weiss, das findet ihr auch.» Hey, die ist richtig gut. Dann zum Hauptthema der jungen Mutter: Kinder, immer wieder das harte Leben der Mama. «So schön war es mit meinen kleinen Kindern. Ich kann mir aber nichts Schlimmeres vorstellen, als auf dem Klo zu sitzen und die gucken mir beim Kaka zu.» Der Applaus braust. «Ich mag auch nicht in die Spielstunde gehen. Da sitzt man mit wildfremden Müttern herum, und ich schaue zu, wie mein Kind einem Zweijährigen das Spielzeug kaputtmacht.»

Mit Klischees spielen

Ein Gag baut den nächsten auf. «Ich freue mich darauf, Oma zu werden.» Sie möchte dem eigenen Dereinst-Erben sagen: «Ich wünschte mir, dich anderswo unterbringen zu können und dich nicht erziehen zu müssen.» Oma hat es besser. «Die kommt und lässt die Kinder machen.» Oder: «Hardcore-Omas lassen sie einfach schreien, was sie auch mit mir gemacht haben.» Im dunklen Zelt sieht man förmlich die jungen Mütter nicken, derweil sie sich die Hände wund klatschen.

Und gleich die nächste vor Ironie triefende Pointe: «Unübertrefflich, wenn die Kita zu ist und man zu Eltern kommt, die einem ein schönes Wochenende wünschen.» Schliesslich: «Egal, was man macht, müssen wir jetzt schon für eine Therapie sparen.»

Das Verbindung mit dem Publikum wächst; Hazel Brugger weiss, wie sie die Leute abholen und zugleich amüsieren kann – beiläufig und mit korrekten Klischees hantieren, um sie aufzuspiessen. Ja, so isses, denken die Fans, und wir können gemeinsam darüber lachen. Witz als Trost und Stifter von Gemeinschaft – eine 90-Minuten-Therapie für ein wohlfeiles Zirkus-Ticket. Wie es sich für eine gute Stand-up-Comedian gehört, kommt die beste knappe Pointe zum Schluss, bei der Zugabe. Da fragt eine Frau von ganz hinten: «Meine Tante macht einen Töpfer-Laden auf, mit lauter Pötten. Wie soll sie ihn nennen?» Blitzschnell: «Wie wär’s mit Harry Potter?» Und was wäre ein guter Slogan? «Hohle Töpfe für volle Köpfe!»

Kann sein, dass die Regie die Dame im obersten Rang platziert und gebrieft hat. Na und? Der Gag sitzt, und die jungen Leute gehen gestärkt und beglückt nach Hause. So wird Comedy zum King. In diesem Fall zur Queen.

Schweizer Premiere ist am 23. November in Zürich.

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