Einst kam der europäische Adel zur Kur, heute ist Heiden im Appenzeller Vorderland ein Geheimtipp für ruhesuchende Stadtmenschen.
Der schönste Weg hoch nach Heiden beginnt am Bodensee. Unten in Rorschach steigt man in die Appenzeller Bahn und ruckelt vorbei am Weiler Wienacht den Berg hinauf. Immer freier wird der Blick, bis er an der Endstation auf 810 Metern über Meer über den grossen See bis nach Deutschland reicht.
Wegen dieser Aussicht reisten schon Mitte des 19. Jahrhunderts Kurgäste aus der ganzen Welt in den kleinen Ort im Appenzeller Vorderland. Der ungarische, deutsche und russische Adel genoss hier Idyll, Molkenbäder und die gute Luft. Rund 1000 Kurbetten waren in den Glanzzeiten vor den Kriegen jeweils belegt. Unterdessen ist es in Heiden ruhiger geworden, vielbeschäftigten Städterinnen kommt das besonders entgegen. Allein ein Spaziergang über das Kopfsteinpflaster des Dorfkerns hat eine so beruhigende Wirkung wie eine Stunde Atem-Meditation.
Das liegt unter anderem am rechtwinkligen Strassennetz, auf dem die Häuser aus einem Guss erbaut wurden. Dies, nachdem das ganze Dorf 1838 einem Brand zum Opfer gefallen war und Heiden wie New York auf dem Reissbrett neu angelegt worden ist. Die typischen «Häädler»-Häuser mit ihrem dreieckigen Giebel rechnet man dem Biedermeier zu, sie versprühen aber nahezu einen Hauch nordischen Minimalismus. Wer moderne Architektur mag, macht zudem halt beim Sixties-Betonbau im Kurpark: Der eingeschossige Pavillon des Kursaals wurde 1959 erbaut und wäre die perfekte Kulisse für einen Arthouse-Film in Schwarz-Weiss.
Kirsch Spritz und ein filmreifer Saal
Die Brücke zwischen damals und heute schlägt das Museum Henry Dunant. Es ist einquartiert im früheren Ortsspital, wo der Begründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz seine letzten Jahre verbrachte. In drei lichten Räumen wird die Geschichte des 1910 verstorbenen Vaters der humanitären Hilfe erzählt. Es heisst, er habe zuletzt, verschuldet und gebeutelt vom Leben, kaum mehr sein Eckzimmer verlassen. Seinem Vermächtnis widmet sich dieses kleine, feine Museum, mit multimedialen Einblicken in Vita und Werk.
Wem danach nach etwas Leichterem ist: An der Bar im Hotel Linde gibt es zum Apéro einen Kirsch Spritz. Den nimmt man am besten mit, um nebenan einen Blick in den getäferten Lindensaal zu werfen, eine Biedermeier-Kulisse mit Sprengkraft: Hier wurden Teile des Films «Die göttliche Ordnung» gedreht, in dem die Schweizerinnen sich 1971 das Stimmrecht erkämpfen.
Ein Wochenende in Heiden (AR)
Freitag: 16.00 | Check-in
Das Hotel Linde trägt seine Biedermeier-Vergangenheit in frischem Gewand. Es gibt 20 so komfortable wie historische Zimmer.
21.30 | Absacker
Auf einen Appenzeller Sour in die Acht-Bar mit Sicht auf den Bodensee.
Samstag: 11.00 | Heilbad
Im Appenzeller Heilbad sprudelt seit 300 Jahren gesundes Wasser durch Bäder und Saunen.
15.00 | Museum Heiden
Die Kurgeschichte des Ortes auf einen Blick. Im oberen Stock, einst Wunderkammer, gibt es sogar ein Krokodil!