Beim 2:0 gegen Yverdon-Sport feiert Basel sich selbst und Xherdan Shaqiri – und das vor einer Kulisse, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat.
In Basel hat sich ein neues Wort in den Sprachgebrauch eingenistet, nur eine Woche hat es dafür gebraucht. Rasend schnell hat es sich seinen Platz ergattert. Am Sonntagabend schliesslich schafft es dieses Wort sogar in den Mund jenes Mannes, für den es erfunden worden ist.
Das sei halt der «Shaq-Effekt», sagt dieser Mann, er heisst Xherdan Shaqiri und tut es mit ironischem Unterton und einem schiefen Lächeln. Shaqiri steht im Bauch des St.-Jakob-Parks, gerade hat er das Comeback hinter sich gebracht, auf das die ganze Stadt hingefiebert hat. Jetzt geht es um den Tabellenplatz, auf den sich der FC Basel nach dem 2:0 gegen Yverdon-Sport vorgearbeitet hat. Es ist der dritte, erstmals seit langer, langer Zeit wieder.
Eben: der Shaq-Effekt. In den letzten Tagen war in der Stadt ausgiebig durchdekliniert worden, wie sich die Verpflichtung des verlorenen Sohns auswirken wird. Auf die Mitspieler. Auf das Publikum. Auf die ganze Stadt. Vom Ruck war die Rede gewesen, der nun durch das Team gehen werde. Von den zusätzlichen Eintrittskarten, die der Klub verkaufen werde, und den vielen, vielen Trikots mit der Nummer 10, seiner – Shaqiris – Rückennummer.
Basel, wachgeküsst vom Prinzen Shaqiri.
So viele Zuschauer kamen schon lange nicht mehr
Im St.-Jakob-Park sitzen dann rund 30 013 Menschen, sie tun das gegen Yverdon-Sport, den Winzling aus der Fussballprovinz, der sonst nicht im Ruf steht, die Massen anzulocken.
Eine solche Kulisse hat es in Basel schon lange nicht mehr gegeben. Letztmals kamen im Mai 2023 mehr Zuschauer, gegen die AC Fiorentina, im Halbfinal der Conference League. Sonst haben sie in Basel die 30 000-Marke in den letzten Jahren nur selten geknackt. Wenn YB kam vielleicht oder der FC Zürich. Oder eben: Wenn Shaqiri zurückkommt.
Die Zuschauer stehen dann schon früh, erst ein paar Minuten sind gespielt, «steht auf, wenn ihr Basler seid», singen sie, und das, sagen Ortskundige, sei so früh nun wirklich schon länger nicht mehr vorgekommen.
Shaqiri sitzt da noch auf der Bank, und er wird das noch eine Weile tun. Vor ihm rasen die Spieler des FC Basel über den Platz, als sei tatsächlich irgendetwas in sie gefahren. Sie erspielen sich Chance um Chance, führen bald 1:0, müssten ein zweites Tor nachlegen.
Der Shaq-Effekt? Oder doch nur ein Team, das einfach vor Selbstvertrauen strotzt, weil es in letzter Zeit dreimal gewonnen hat, etwa: 6:0 bei Servette, 3:0 bei GC? Bradley Fink, der junge Stürmer, dem das 2:0 gelingt, wird nach dem Spiel jedenfalls berichten, wie viel er vom Routinier bereits in der ersten Woche lernen konnte.
Bevor Xherdan Shaqiri in die grosse Fussballwelt aufbrach, nach München und Liverpool, nach Mailand und Lyon, verabschiedete er sich an einem Tag im Mai 2012 aus dem St.-Jakob-Park. Er tat es bei einem Spiel gegen die Young Boys mit einem Distanzschuss, der in der rechten Torecke einschlug.
Als Shaqiri jetzt zurückkehrt, endlich, nach 66 Minuten und begleitet von lautem Jubelgeschrei, dauert es kaum eine Minute, da liegt der Ball wieder vor seinem linken Fuss. Freistoss, 20 Meter vielleicht, es wird sein zweiter Ballkontakt.
Beinahe trifft er mit dem ersten Schuss
Shaqiri hat in seiner Karriere manche besondere Geschichte geschrieben, er hat sich dafür meist aussergewöhnliche Spiele ausgesucht, und oft war sein linker Fuss involviert. Er wird doch nicht? Nein, wird er nicht, weil sich Paul Bernardoni, der Yverdon-Goalie, streckt. Und den Ball mit einer Hand um den Pfosten lenkt.
Es folgen von Shaqiri in dieser Reihenfolge: ein Stolperer, Minute 68. Ein verrutschter Torschuss, Minute 70. Ein Pass ins Leere, Minute 72. Mehrere Steilpass-Versuche, die allesamt scheitern, teilweise äusserst knapp. Ein geblockter Schuss. Ein Hackentrick. Bei den Standardsituationen schnappt sich der 32-Jährige schon den Ball, als wäre er nie weg gewesen. Einmal wird es gefährlich vor dem Goalie Bernardoni, doch wieder gibt der Franzose den Spielverderber.
Am Ende steht es 2:0, und so hatte es schon gestanden, als Shaqiri eingewechselt wurde. Er liefert ein Comeback, von dem nicht viel in Erinnerung bleiben wird – ausser, dass es stattgefunden hat. Und das ist die Hauptsache. Shaqiri muss an diesem Tag nicht viel mehr tun, als da zu sein.
Er kann nicht verbergen, dass er länger nicht gespielt hat. Aber das hat auch niemand erwartet. Shaqiri, sagt der Basler Trainer Fabio Celestini nach dem Spiel, brauche noch ein bisschen Zeit.
Als dann alles vorbei ist, stürmen mehrere Flitzer auf den Platz; es ergeht Shaqiri da ein wenig wie Cristiano Ronaldo an der EM. Shaqiri, der Basler Ronaldo. Hinterher, in der Mixed-Zone, sagt der 32-Jährige, dass man ja wisse, dass er eigentlich nicht nervös sei. Aber heute, das sei speziell gewesen, ein Gänsehaut-Moment. Und habe Lust auf mehr gemacht.