Donnerstag, Oktober 3

Tod, Hunger, Elend – und, vielleicht, die grosse Liebe: das wenig glorreiche Leben eines Schweizer Kolonialisten.

So hat sich Heiri Brandenberger das Leben als Kolonialsoldat nicht vorgestellt.

«Fünf Tage total kein Essen im Leibe, dabei das verzehrende Malariafieber. Ich glaubte wohl jeden Augenblick zusammenzusinken, doch wollte ich nicht irgendwo liegen bleiben, und einzig der Gedanke ‹du musst› gab mir die Kraft.»

Auf Patrouille brechen links und rechts die anderen Söldner zusammen. Wer sich nicht aufrafft, bleibt liegen. Das Wasser: dreckig. Das Essen: dürftig. Die Moral: dahin.

«Nun beginnt ein Fluchen, Rasen, Lachen, Verdammen und Verwünschen, wie ich noch nie gehört. In Zeit von 0,00 ist das ohnedies geschmacklose Essen hinuntergewürgt. Der ganze Dienst, die ganze Armee, ganz Indien wird nach der Hölle gewünscht.»

Heiri Brandenberger und seine Kampfgenossen haben eine Mission: die indonesischen Inseln zu «zivilisieren». Im Namen einer «ethischen Politik», wie sie die niederländische Königin für ihre Kolonien propagiert. Doch Brandenberger, Zürcher und seit 1902 Soldat in der niederländischen Kolonialarmee, erlebt stattdessen etwas anderes: die Grausamkeit der Kolonialmacht gegenüber Rebellen und Gefangenen.

«Ein Mann der Bevölkerung, in Adams Uniform, wurde gebunden, das Geschlechtsteil mit Hühnerdärmen umwickelt und dann Hunde darauf gehetzt. So nun diese den Mann beim Abreissen der Därme verwundeten, dann musste der Mann den Kommandanten angelogen haben.»

Die Söldner aus Europa brennen im Auftrag der Niederlande Dörfer nieder. Sie erpressen Abgaben von lokalen Herrschern und patrouillieren auf Plantagen, in denen lokale Arbeiter wie Sklaven gehalten werden. Zwischen 1848 und 1914 leisten fast sechstausend Schweizer dergestalt Dienst auf Indonesien und Sumatra. Zeitweise machen sie bis zu zehn Prozent der Europäer in der niederländischen Kolonialarmee aus.

Sie und ihre Mitstreiter schlagen Aufstände nieder, töten in Strafaktionen Hunderttausende und erbeuten für den niederländischen Staat und seine Eliten immense Reichtümer.

Dazwischen aber langweilen sie sich gewaltig. «Stumpfsinn, Stumpfsinn ist mein Vergnügen», schreibt Heiri Brandenberger in einem Brief an seine Familie in der Schweiz. «Man gewöhnt sich schliesslich an alles.»

I.
Der Söldner
Ein Ausbeuter wird ausgebeutet

Wenn Heiri Brandenberger die Armut seiner Jugend beschreibt, tut er das in Zahlen: 144, 22, 1.

144 Mal: So oft wurde während seiner Schulzeit der Wilhelm Tell im Theater aufgeführt. All seine Kollegen durften mit ihrer Klasse einmal oder sogar mehrmals eine Vorstellung besuchen. Er jedoch bekam von seinen Eltern kein einziges Mal das Geld dafür.

Die Mittel der Familie reichen damals nur «notdürftig für die nötigsten Ausgaben», schreibt Brandenberger Jahre später in einem Brief an seine Schwester. Das heisst: «1 × Fleisch per Woche und 22 × Kafi mit Milch und Möcke.» Mehr zu essen gibt es nicht.

Heiri Brandenberger wird 1882 in Bäretswil geboren, einem Dörfchen im Zürcher Oberland. Später zieht er mit seinen Eltern nach Zürich. Die Mutter macht, soweit aus den Akten ersichtlich, als Stickerin Heimarbeit, der Vater ist Portier.

Heiri wird Bäcker, zieht zu Fuss durch die ganze Schweiz, findet keine Arbeit. Er wohnt bei seinen Eltern und hat, wie er schreibt, «verdriessliche Laune». Weil er nichts verdient, macht ihm der Vater Vorwürfe. Heiri geht zu den neu gegründeten SBB, doch im Oktober 1902 wird er auch dort entlassen.

Einen Monat später ist er auf einem Schiff in Richtung Sumatra. Maximal sechs Jahre will er dort bleiben, als Söldner gutes Geld verdienen. Beides wird sehr anders kommen.

Wie Brandenberger gehen damals Tausende von Schweizern als Kämpfer in die Kolonien. Für Länder wie die Niederlande oder Frankreich tun sie, was ihr eigenes Land nur indirekt unterstützt: den Globalen Süden – von Afrika bis Indonesien – dem weissen Europa Untertan machen. Nahtlos schliesst die Geschichte dieser Söldner an jene der Schweizer an, die seit der frühen Neuzeit für den Papst und europäische Monarchen kämpfen.

Eine soeben erschienene Dissertation des Historikers Philipp Krauer arbeitet dieses vergessene Kapitel Schweizer Geschichte erstmals auf. Es ist eine Geschichte, in der Söldner wie Brandenberger als Unterdrücker in die Kolonien geschickt, dort jedoch selbst zu Ausgebeuteten werden.

In der Kolonialarmee, das lernt Brandenberger schnell, ist «ein Gewehr dem ‹Obern› mehr wert als ein Mann». Durch Kämpfe sterben «weniger Leute als durch die äusserst schlechte Verpflegung». Pest, Cholera und Typhus gehen um.

Die Kleider zerfallen am Körper, der Sold reicht kaum zum Überleben, und wer krank ist, muss ins «Hospitaal», wo die Strohsäcke voller Wanzen und die Stimmung wie in einem «Gefängnissaal» ist. Beschwert man sich bei den Vorgesetzten, droht als Strafe: Gefängnis, Nahrungsentzug und das Aneinanderketten von Händen und Füssen.

Diebstahl, Morde und Komasaufen gehören unter den Söldnern zur Tagesordnung. Viele, schreibt Brandenberger, seien zu Hause bereits straffällig gewesen, sie sähen das Dasein als Kolonialsoldat als letzten Ausweg. Für die Einheimischen böten sie «ein schlechtes Beispiel der civiliserten Europäer».

Rund die Hälfte der sechstausend Schweizer Söldner stirbt in den Kolonien, meist an Krankheiten oder schweren Strafen. Etliche begehen Suizid, viele versuchen zu desertieren, allerdings kaum je mit Erfolg. Am aufsehenerregendsten ist der Fluchtplan eines Männerchors namens «Grütli». Er fliegt unter anderem wegen der schlechten Gesangskünste der Teilnehmer auf.

Brandenberger dagegen arrangiert sich. Er patrouilliert in extremer Hitze entlang von Kaffeeplantagen. Er treibt einheimische Zwangsarbeiter beim Strassenbau an und beschwert sich, dass diese, «was Können und Fleiss betrifft, bei weitem nicht erstklassig» seien. Dazwischen quält er sich durch immer sinnloser scheinende Militärübungen.

Dabei entwickelt er eine ambivalente Haltung gegenüber jenen, die er und die Seinen hier ausbeuten sollen.

Zwar beklagt er sich über ihre «ekelhafte Dummheit», fachsimpelt über die «sklavische Unterwürfigkeit» des «unterentwickelten Mannes». Und die Frauen, die für die Soldaten als eine Mischung aus Haushälterin und Sexsklavin arbeiten, sind für ihn «faul» und «stinken zur Unerträglichkeit».

Gleichzeitig erkennt Brandenberger in den Kolonisierten jene Tugenden, die er bei seinen Vorgesetzten vermisst: «freiheitsliebend» und «tapfer» nennt er sie. Die Aufständischen, schreibt er während einer Strafaktion, «sind wirklich um ihre Ausdauer zu bewundern, die sie an den Tag legen, um ihre Selbständigkeit wiederzuerlangen».

Bewusst würden die Niederländer die Kolonisierten in Armut und schlechter Bildung belassen, schreibt Brandenberger. «Keine grosse Bildung unterm Volk, anderes kommt der Schwindel ans Tageslicht und könnte der schlummernde Löwe die Tatzen rühren.»

Nirgends aber ist sein Sinneswandel so gross wie beim Thema Frauen.

II.
Die «Maid»
Eine Unterdrückte steigt auf

Erst ist sie nur die «Maid», das Dienstmädchen. Dann ist sie «die Mutter». Nach mehreren Jahren taucht in Heiri Brandenbergers Briefen auch ihr Name auf: «Sampet». Und schliesslich – nach über sechs Jahren – folgt ihr neuer, christlicher Name, «Lina». Und das letzte Attribut: «Frau».

Von Lina Sampet ist kein direktes Zeugnis überliefert. Stets haben andere über sie geschrieben. Über ihre Geburt auf der Insel Java. Über ihre Kindheit, die keine ist: Seit sie neun Jahre alt ist, arbeitet sie mit ihrer Mutter für einen Offizier der Kolonialarmee. Über die Schläge und den Hunger, die sie mit 16 bei ihrem ersten Mann erleidet, einem einheimischen Soldaten.

Mit etwa 17 trifft Sampet den Zürcher Heiri Brandenberger. Sie wird 1907 seine Haushälterin und seine Konkubine. In der Kolonie eine übliche Praxis, die von den Behörden toleriert, ja gefördert wird. Denn die einheimischen Frauen verbessern die Verpflegung der Söldner und lindern ihre Frustration. Rechte haben sie allerdings nicht.

«Ich begreife den Europäer nicht, der sich ein solches Stück auf die Companie nimmt», hat Brandenberger noch zwei Jahre zuvor geschrieben. Nun freut er sich über die «mehr oder weniger europäischen Manieren» seiner «Maid», ihren «guten Charakter» und darüber, dass sie «keinen grossen Mund» hat.

Seiner Familie berichtet er 1908 in einem langen Brief von Sampet, dann schreibt er lange über einen lokalen Aufstand, über seine Ersparnisse («keine») und seine Zukunft: Im selben Jahr läuft seine Dienstzeit ab, er könnte verlängern – oder zurückkehren.

Und dann, Mitten in einer Aufzählung der Gründe, die gegen eine Rückkehr sprechen, schreibt er fast verschämt diesen Satz: «Und nun liebe Eltern, ist noch ein weit wichtigerer Fall dazwischen getreten, bin nämlich den 9. April morgens 4 Uhr Vater eines gesunden Knaben geworden.»

Heiri Brandenberger muss sich entscheiden: Er könnte – wie das viele tun – Konkubine und Kinder sich selbst überlassen. Oder er kann bleiben.

«Tausend und abertausend verschiedene Gefühle, Gedanken durchziehen per Tag meinen Kopf», schreibt er. Lina Sampet hört in dieser Zeit oft, er sei kurz davor, zu gehen. Doch – so berichtet es zumindest Brandenberger seiner Familie – sie glaubt ihm nicht. Und erhält recht.

«Besser, man verliert eine Illusion, als die Wirklichkeit», schreibt Brandenberger schliesslich. Und bleibt.

Er ist damit nicht der Einzige. Fast die Hälfte der Schweizer Soldaten blieb länger als ursprünglich gedacht – trotz den katastrophalen Lebensbedingungen. Denn zu Hause hätten sie noch weniger Perspektiven.

Wer in der Schweiz als überflüssig gilt, steht in der Kolonie dagegen plötzlich nicht mehr zuunterst. Und vielleicht können sie gar einen Hauch jener bürgerlichen Existenz erlangen, die ihnen in der Heimat verwehrt bleibt.

Heiri Brandenberger lebt zwar in Armut, hat aber immerhin einen fixen Lohn, wie er seinen Eltern schreibt. Beim Strassen- und Brückenbau ist er es, der die indigenen Zwangsarbeiter befehligt. Auf den Fotos, die er nach Hause schickt, präsentiert er sich und seine Familie gutbürgerlich. Mit Schnauz und Uniform, weissen Kleidern und schönen Kolonialmöbeln, die ihm nicht gehören.

Um ihre Schwiegereltern von sich zu überzeugen, schickt Lina Sampet, sooft sie kann, selbst gestickte Tischverzierungen in die Schweiz. Sechs Kinder bringt sie zur Welt. Eines – Alfred – verliert sie, als es einjährig ist.

Ihr Mann schreibt von Brief zu Brief liebevoller über sie. Eine Frau mit edlem Herz sei sie, bescheiden, wahrheitsliebend, aber auch müde.

In den Soldatencamps stehen Frauen wie sie, aber auch ihre Kinder, ganz zuunterst. Es herrsche gerade unter den Schweizer Söldnern «Antipathie gegen alles, was nicht Vollblut heisst à la Europäer», schreibt Brandenberger. Der europäische «Wahn vor der eigenen Grossheit» bestimmt Lina Sampets Alltag.

In ihrer Trauerrede wird es Jahrzehnte später heissen: «Das Leben hat ihr äusseren Erfolg und Glanz versagt und ihr viele Entbehrungen auferlegt. Dennoch hatte sie die Kraft zum stillen Heldentum.»

Die kann sie brauchen, als schliesslich der grösste Wunsch ihres Mannes in Erfüllung geht: die Rückkehr in die Schweiz.

III.
Die Schweiz
Rückkehr ins Land ohne Kolonien

Auf der Insel Sumbawa tönt aus einer Hütte ein altes Grammophon. «Mein Schweizerland wach auf», spielt es, «Das weisse Kreuz im roten Feld», «Wenn die Schwalben heimwärts ziehen». Und natürlich: «Trittst im Morgenrot daher».

Wenn der Schweizerpsalm, die spätere Nationalhymne, durch den indonesischen Regenwald tönt, kommen Heiri Brandenberger die Tränen. Seinen Kindern singt er das Lied schon seit Jahren vor.

Es ist Herbst 1914, in Europa ist gerade ein Weltkrieg ausgebrochen, und Brandenberger ist seit zwölf Jahren in Indonesien. Ein echtes Gefecht hat er noch nicht gesehen, dafür viele Märsche und Patrouillen. Pro Jahr hat er im Schnitt zwei Urlaubstage.

Er ist 32, wiegt noch um die 60 Kilo. Zähne hat er nicht mehr.

Das abgestorbene Gebiss verdirbt ihm durch seine «ecklige Fäule» den Magen. Seiner Schwester schreibt er: «Dein im Goldlande sitzender Bruder hat die Goldgrube auch noch nicht gefunden.»

Diese angebliche Goldgrube – für die Schweiz ist sie zu jener Zeit eine Deponie der Unerwünschten. Ein Ort für Unangepasste, Unzufriedene und Straftäter.

Das ist schon seit Jahrhunderten so – in der niederländischen Kolonialarmee dienen Schweizer seit dem 17. Jahrhundert. Und es geht auch nach 1848 weiter, als der moderne Bundesstaat gegründet wird.

Zwar wird damals die Kritik am Söldnerwesen immer lauter. Europäische Regimenter werden aufgelöst, das Anwerben von Söldnern und der Dienst unter Schweizer Flagge offiziell verboten. Doch hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus.

Der Bundesrat fürchtet Arbeitslosigkeit, Überbevölkerung und ein «zunehmendes Proletariat». 1850 ist er darum ganz froh, wenn in der Fremde bleibt, wem es «schwerfallen dürfte, sich eine erträgliche Stellung im bürgerlichen Leben zu erringen».

Vier Jahre später erkundigt sich das Berner Gefängnis Thorberg, ob es seine Insassen nicht der niederländischen Kolonialarmee schicken könnte. Die soll zum «Abflusskanal für Menschen werden, welche dem Staat oder den Gemeinden jetzt schon eine grosse Last sind».

Auch die Rekrutierung von neuen Söldnern – obwohl von der Bundespolitik verboten – läuft munter weiter. Unter reger Beteiligung des niederländischen Konsuls in Bern und mithilfe eines Bundesrats.

Der Liberale Carl Schenk, ursprünglich von Beruf Pfarrer, tritt damals öffentlich gegen die Söldnerwerbung an. Gleichzeitig gibt er seinem guten Freund, dem niederländischen Konsul, im Geheimen Tipps über das beste Vorgehen. Etwa 1874, als die Berner Polizei eine Untersuchung gegen den Konsul startet und Schenk ihn in einem Brief warnt, er solle «die Vorsicht beim Rekrutieren verdoppeln».

Für Männer wie Brandenberger ist der Solddienst auch eine Flucht vor dieser Schweiz, die Männer wie ihn nicht haben will. Die Heimat, die er so sehr vermisst – er nennt sie auch «unglücklich kleingeistig», beherrscht vom «wütenden Ringen der zürcherischen ‹Allersittlichkeitsvereine›».

Bei seiner Rückkehr, so fürchtet er, würde er als Quasi-Invalider im Armenhaus landen. Seine Kinder, unehelich geboren und schon in der Kolonie Rassismus ausgesetzt, würden noch mehr ausgegrenzt.

Und so bleibt er. Aus sechs Jahren Dienst werden zwölf, dann fünfzehn. Weil der Erste Weltkrieg und fehlendes Geld die Rückreise verzögern, kommen nochmals drei Jahre hinzu. Brandenberger muss in dieser Zeit zum ersten Mal selbst in den Kampf gegen Aufständische ziehen. Erst 1920, nach achtzehn Jahren in Indonesien, besteigt Heiri Brandenberger ein Schiff in Richtung Schweiz.

Mittellos, mager und krank kehrt der Kolonialist in das Land ohne Kolonien zurück. Lina Sampet und seine Kinder nimmt er mit.

In Zürich erwarten ihn die aufgeheizten Klassenkämpfe nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Und es erwartet ihn die alte Armut.

Nach seiner Rückkehr arbeitet Brandenberger während 27 Jahren in derselben Eisenwarenhandlung. 1947 wird er pensioniert, zwei Jahre bevor Indonesien seine Unabhängigkeit erlangt. 1967 stirbt er im Alter von 84 Jahren.

Für Lina Sampet ist der Umzug in die Schweiz «der Beginn einer Reihe lang andauernder schwerer Prüfungen und seelischer Belastungen». So steht es in der Rede, die anlässlich ihrer Beerdigung gehalten wird. Diese findet 1960 statt, sieben Jahre vor der ihres Mannes. Und zwei Jahre bevor die Niederlande ihre letzten Besitzungen im Indopazifik aufgeben.

Das endgültige Ende der niederländischen Herrschaft, die ihr Mann einst stützte: Linda Sampet, die Kolonisierte, die zur Schweizerin wurde, erlebt sie nicht mehr.

Epilog
Die Statue ohne Vergangenheit

An einer lauten Strasse mitten in Zürich steht hinter einem Gebüsch eine Statue aus Marmor. Ein muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper zieht sich eine Uniformjacke an, die im Wind flattert wie eine Fahne.

«Wehrwille», Kopie eines Originals namens «Wehrbereitschaft», zeigt einen Schweizer Soldaten, bereit, sein Land zu verteidigen. 1939, als die Statue geschaffen wurde, sorgte sie landesweit für Aufsehen. Ausgestellt an der Zürcher Landesausstellung, wurde sie zum Symbol der wehrhaften, eigenständigen Schweiz.

In einer Schau über «Heimat und Volk» stand der Soldat für den Schweizer «Volkskörper». «Mit aller Macht und Kraft gegen jeden Angreifer» stand daneben an der Wand. Darüber die Wappen der drei Urkantone.

Erschaffen hatte die Statue ein junger Bildhauer namens Hans Brandenberger, 1912 in Indonesien geboren. Sohn von Heiri Brandenberger und Lina Sampet, dem Kolonialsoldaten und seiner «Maid». Ohne sie, ohne ihren Hunger, ihr Elend und, vielleicht, ihre Liebe gäbe es dieses Symbol der modernen Schweiz nicht.

Heute steht es vor einer Turnhalle an der Rämistrasse, in einem Gebüsch aus traurigem Immergrün. Unbeachtet und – so, wie die Geschichte seiner Entstehung – grösstenteils vergessen.

Philipp Krauer, «Swiss Mercenaries in the Dutch East Indies», Leiden 2024. Heinrich Brandenbergers Briefe sind im Schweizerischen Sozialarchiv hinterlegt (Ar 201.303). In den Originalzitaten wurden orthografische und grammatikalische Fehler korrigiert.

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