Freitag, März 21

Das Land am Mittelmeer dient den USA seit langem als Inspiration. Seit Donald Trump im Weissen Haus sitzt, hat sich die Zuwendung der Amerikaner für Italien noch verstärkt. Das hat auch mit Giorgia Meloni zu tun.

Sie sei innen noch schöner als aussen, schwärmte Elon Musk von Giorgia Meloni, als er in New York im letzten Herbst eine Laudatio auf die italienische Regierungschefin halten durfte. Und kaum hatte er im Oval Office in Washington Platz genommen, sagte der amerikanische Präsident Donald Trump zu Reportern: «Ich mag Italien, es ist ein sehr wichtiges Land. Sie haben eine phantastische Frau an der Spitze. Italien macht sich sehr gut und hat mit Giorgia eine sehr starke Führung.»

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Die Zeichen standen gut für Meloni nach dem Machtwechsel in den USA. Die Schwergewichte der neuen Administration schienen der Ministerpräsidentin besonders gewogen zu sein. Die ersten öffentlichen Verlautbarungen fielen gegenüber Italien so positiv aus, dass Meloni schon von einer neuen Rolle als Brückenbauerin zwischen Europa und Amerika träumte – und wohl auch von der Aussicht auf eine Vorzugsbehandlung durch Washington. Die Einladung im Januar zu einem Abendessen in Mar-a-Lago, Trumps Residenz in Florida, dürfte sie in dieser Auffassung bestärkt haben.

Inzwischen ist die Euphorie etwas verflogen. Die von Trump angedrohten Zölle beunruhigen auch die italienische Wirtschaft. Und die Aussicht, in Europa sicherheitspolitisch mehr Verantwortung übernehmen und das Verteidigungsbudget aufstocken zu müssen, sorgt im Palazzo Chigi für Nervosität.

Dazu kommt, dass Trump Emmanuel Macron und Keir Starmer den Vorzug gab. Während Meloni noch auf einen offiziellen Termin im Weissen Haus wartet, hat der amerikanische Präsident bereits den französischen Staatspräsidenten und den britischen Premierminister zu Gesprächen begrüsst. Es gibt in Rom schon Stimmen, die sagen, Meloni habe das Rendez-vous mit der Geschichte verpasst.

Für solche Feststellungen ist es zu früh. Italiens Regierungschefin kann im schwieriger gewordenen transatlantischen Verhältnis durchaus noch eine wichtige Rolle spielen. Denn selbst wenn andere Regierungschefs in Washington derzeit Vorfahrt geniessen: Meloni und ihr Land können in den USA auf einer Welle der Sympathie reiten.

Anhaltender Italien-Boom

Die Amerikaner sind verrückt nach Italien – verrückter denn je. Laut Eurostat-Zahlen verzeichnete Italien 2023 mit 21,4 Millionen mehr als doppelt so viele Übernachtungen von Amerikanern als Spanien oder Frankreich. Auch im derzeitigen Heiligen Jahr bilden Amerikaner mit Abstand die Spitzengruppe nach den Einheimischen.

Waren Italien- wie überhaupt Europa-Reisen einst ein Privileg der Eliten von der amerikanischen Ost- und Westküste, hat die Begeisterung inzwischen auch das weite Land dazwischen erfasst – und damit die Bewegung, die Donald Trump ins Weisse Haus getragen hat.

Ein geradezu absurdes Beispiel ist Palm Beach mit Trumps Mar-a-Lago und unzähligen weiteren Prachtsvillen. Die Gässchen im Zentrum tragen Namen wie Via Amore. Mit all den Cafés, Weinhandlungen und dem Mercato Italiano wirkt die Milliardärshochburg in Florida wie eine Karikatur Italiens. Überall Säulen, Bögen, Ziegelsteindächer, gusseiserne Balkone, Stuckornamente und Mäuerchen mit Bougainvillea, zwischen denen Maseratis und Ferraris ins Ristorante Bellagio oder Spruzzo knattern.

Längst ist es nicht mehr nur George Clooney, der italienische Lebensart und mediterrane Ästhetik für sich entdeckt hat. Steve Bannon, der grimmige Vordenker der Trump-Bewegung, wollte vor Jahren eine mittelalterliche Kartause östlich von Rom in eine Kaderschmiede für Rechtspopulisten verwandeln. Die Pläne scheiterten zwar, doch Bannons Liebe zu Italien hat darunter nicht gelitten. Er ist Dauergast in den italienischen Medien und scheut sich nicht, der Regierung Meloni zu sagen, was sie zu tun hat (nämlich: Kurs halten und sich nicht von den Europäern einlullen lassen).

Elon Musk seinerseits schwärmt nicht nur von Giorgia Meloni, sondern träumt sich in die Antike zurück. Mit Mark Zuckerberg wollte er im letzten Sommer im Kolosseum einen Schaukampf in der Art der römisch-griechischen Ringkämpfe austragen – eine groteske Idee, die irgendwann abgeblasen wurde. Zurück in der Gegenwart, erwägt er nun den Kauf eines Anwesens in der Toskana. Ausserdem will er mit seinem Satellitennetzwerk Starlink entlegenen italienischen Gegenden schnelles Internet zur Verfügung stellen und mit der italienischen Armee einen Deal abschliessen.

Es ist eine eigenartige Mischung von Geschäftssinn und pueriler Begeisterung, die Musk antreibt und ihn immer wieder nach Italien führt – zu Giorgia Meloni, die ihn ihren «amico» nennt, aber auch zum Lega-Chef Matteo Salvini, der den Unternehmer geradezu hofiert.

Mark Zuckerberg geht rationaler vor, aber auch der Erfinder von Facebook trägt auf seine Weise zum Italien-Boom in den USA bei. Mit dem weltgrössten Brillenkonzern Essilor Luxottica, dessen Wurzeln in der Provinz Belluno im Veneto liegen, hat Zuckerberg grosse Pläne im Bereich der technologisch smarten Brillen. «Ich denke, dass sich die Firma von der führenden Brillenmarke der Welt zu einem der grössten Technologieunternehmen der Welt entwickeln wird», sagte Zuckerberg.

Howard Schultz schliesslich, der Erfinder von Starbucks, der Kaffeekette, die zuerst Amerika und dann die ganze Welt erobert hat, liess sich nach eigenem Bekunden von der (vermeintlichen) «Romantik der Espressobars» von Mailand inspirieren, als er in den achtziger Jahren das Konzept für sein Geschäft entwickelte.

Zarte Verführungskraft

Italien hat etwas, das die Amerikaner anzieht. Es gebe eine interessante Parallele zwischen den beiden Ländern, sagt Daniele Fiorentino, Professor für amerikanische Geschichte an der Università Roma Tre. Italien verfüge zwar nicht über die überwältigende «soft power» der USA, also die Kapazität, Macht durch kulturelle Attraktivität auszuüben. Doch beide Länder verstünden es hervorragend, die kollektive Vorstellungskraft zu beeinflussen. «Man könnte es eine besondere Begabung zur Verführung nennen», sagt Fiorentino.

Die Amerikaner schauten zwar stets fasziniert und neugierig nach Italien. Aber längst nicht immer schätzten sie die Italiener so wie heute. Den Millionen italienischer Einwanderer in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg begegnete das amerikanische Establishment mit Skepsis und teilweise offener Verachtung. Sie hatten eine dunklere Hautfarbe, und man hielt sie für von Natur aus kriminell. Zudem waren sie katholisch, weswegen sie, so das Vorurteil, im Zweifelsfall eher dem Papst in Rom als den Vorgaben der amerikanischen Verfassung gehorchen würden. Es dauerte lange, bis die Einwanderer aus Italien den Platz einnahmen, den sie heute haben.

Später, zwischen den beiden Weltkriegen und danach, war Italien «eine Art Juniorpartner» der USA, wie es Daniele Fiorentino formuliert: alles andere als ein zentraler Ort im internationalen Machtspiel, wohl aber der Platz, von wo aus man das Geschehen optimal beobachten konnte – an der Peripherie Europas zwar, aber doch nahe genug, um das Wesentliche mitzubekommen. Gleichzeitig diente der Stiefel den USA als eine Art Flugzeugträger im Mittelmeer, einer Region von militärstrategisch besonders grosser Bedeutung.

Im Kalten Krieg verwendete Washington ziemlich viel Energie darauf, zu verhindern, dass Italien dem Kommunismus anheimfiel. Der Partito Comunista Italiens (PCI) war in den Nachkriegsjahren die grösste kommunistische Partei ausserhalb der Sowjetunion und wurde von den Amerikanern entsprechend beargwöhnt. Die von Aldo Moro und vom PCI-Chef Enrico Berlinguer angestrebte Aussöhnung zwischen Christlichdemokraten und PCI, der sogenannte «historische Kompromiss», stiess in Washington auf unverhohlene Ablehnung. Der Grossmeister der US-Diplomatie, Henry Kissinger, soll dem später von den Roten Brigaden ermordeten Moro offen mit Konsequenzen gedroht haben, sollte er den Weg des Kompromisses weiter verfolgen.

Es sind dies Episoden der jüngeren Geschichte, die in Italien bis zum heutigen Tag nicht ausreichend beleuchtet worden sind. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges habe sich Italien in den Augen der Amerikaner einen eigenen Platz als glaubwürdiger Partner auf internationaler Ebene erobert, sagt Fiorentino. «Eine Reihe angesehener Persönlichkeiten hat dazu beigetragen, der frühere Staatspräsident Giorgio Napolitano etwa, aber auch Mario Draghi oder Sergio Mattarella, der amtierende Präsident.»

Latenter Antiamerikanismus

Mittlerweile haben sich die Beziehungen eingependelt, und Italien dient den Amerikanern als Projektionsfläche und Inspirationsquelle. Selbst eine zweifelhafte politische Innovation haben die Amerikaner den Italienern abgeschaut: den Populismus nach Art von Silvio Berlusconi. Für viele Beobachter war der verstorbene frühere Cavaliere aus Mailand ein Donald Trump «avant la lettre»: schwerreich, ein selbsterklärter Freund des Volkes, schlaumeierisch und narzisstisch. «Ein wenig Inspiration hat sich Trump wohl schon bei Berlusconi geholt, daran besteht kein Zweifel», findet auch Fiorentino – um gleich anzufügen, dass sich Berlusconi im Unterschied zum US-Präsidenten «eher seiner Limiten bewusst war».

Doch trotz Normalisierung der Beziehungen behält der Begriff des «Juniorpartners» auch heute noch seine Gültigkeit. Während Macron, Starmer und bald wohl auch der künftige deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz für die Amerikaner Machtfaktoren sind und im Falle Frankreichs und Grossbritanniens sogar Nuklearmächte repräsentieren, ist Italien weder ein Konkurrent noch ein Rivale. Mit Rom lässt es sich unbeschwerter kooperieren als mit Paris, Berlin oder London. Auch dies mag die derzeitige Italien-Begeisterung in der US-Politik erklären.

Es ist eine historisch bestens eingeübte, leicht paternalistische Haltung, die für Giorgia Meloni derzeit nützlich sein kann und für offene Ohren in Washington und Mar-a-Lago sorgt. Die Trumpisten erhoffen sich von der italienischen Regierungschefin zudem, dass sie ihre EU-Skepsis nach Brüssel trägt – so wie es Steve Bannon offen fordert. Die nächste Zukunft wird zeigen, ob Meloni diese Rolle spielen und als europäischer Spaltpilz im Dienste der USA wirken will.

Die Italiener sind indessen nicht blind. Uncle Sam war über lange Strecken so wie der schwierige Onkel, dessen Umarmung man halt gequält lächelnd akzeptiert, weil er Macht und Einfluss hat. Denn so gern man die Amerikaner als Touristen willkommen heisst: Der neue transatlantische Flirt wird in Italien nicht von allen gleichermassen geteilt. In gewissem Sinne handelt es sich um eine unerwiderte Liebe. Laut einer kürzlich publizierten repräsentativen Umfrage haben 52 Prozent der Befragten eine ablehnende Haltung zu Trump. Selbst im rechten politischen Lager beurteilt einer von drei Befragten den amerikanischen Präsidenten negativ.

Fundament dieser Einstellung ist ein tiefsitzender Antiamerikanismus in Teilen der italienischen Gesellschaft. Es gibt ihn in verschiedener Ausprägung: links, rechts, in katholischen Milieus. Den einen sind die USA zu imperialistisch und reaktionär, den anderen zu modern, den Dritten zu liberal.

Wie der Vesuv hält sich der italienische Antiamerikanismus im Moment still. Er schläft, kann aber unvermittelt ausbrechen.

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