Freitag, Oktober 4

Henkel hat eigentlich alles, um erfolgreich zu sein. Doch in der Vergangenheit reichte das nicht, um an der Börse zu überzeugen. Unter anderem ein Restrukturierungsprogramm ändert das. Entsprechend findet sich die Gesellschaft erstmals auf der Liste der Qualitätsunternehmen von The Market.

Im rauen Umfeld schauen Anleger lieber auf langweilige Unternehmen, auf defensive Aktien, die wegen ihres wenig konjunktursensitiven Sektors oder ihrer Marktposition stetig punkten können. Langweilig ist gut, schrieb daher Thierry Borgeat von der Fondsgesellschaft arvy zuletzt auf The Market. Henkel hat alles, um zu diesem langweiligen Kreis zu zählen, fiel aber in den vergangenen Jahren vor allem durch steten Umbau inklusive der damit einhergehenden Unruhe auf.

Doch die Umbauarbeiten beginnen sich auszuzahlen. Das zeigt auch die auf festen Kriterien basierende Auswahl der günstigen Qualitätsaktien, die The Market regelmässig veröffentlicht: Dort ist Henkel neben den bereits vorgestellten Freenet, Gea, Knorr-Bremse und nun auch dem Reisekonzern TUI erstmalig dabei. The Market durchsiebt regelmässig die Märkte in Europa und den USA nach Titeln, die vier Qualitätskriterien erfüllen.

Vier Kriterien von The Market für günstige Qualitätsaktien

  • Kapitalrendite, definiert als Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC)
  • Bilanzsolidität: Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (Ebitda)
  • Bewertung: Unternehmenswert in Relation zum Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit)
  • Operativer Trend: Momentum der Gewinnprognosen (bei europäischen Unternehmen)

Präsent in Badezimmern und Fabriken

Henkel steht auf zwei soliden Standbeinen. Das eine sind die Entwicklung und die Herstellung von Waschmitteln und Kosmetika. Von Dingen also, die stets wieder gekauft werden. Das andere konzentriert sich auf Klebstoffe – nicht nur für den heimischen Bastelbedarf, sondern auch für die Industrie. Klebstoffe sind zum Beispiel für Autohersteller zunehmend wichtig und ersetzen Schweiss- oder Nietverbindungen: Sie senken das Fahrzeuggewicht und steigern so Effizienz und Reichweite.

Das Unternehmen dürfte daher in einem zyklischen Aufschwung von der Industrienachfrage profitieren. Waschmittel und Kosmetika dagegen bringen Stabilität in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Doch genau diese erhoffte Balance funktionierte zwischenzeitlich nicht mehr.

Die Krux mit der Profitabilität

Das Unternehmen hat fünf schwierige Jahre hinter sich, Umsatz und Gewinn haben sich enttäuschend entwickelt.

Enttäuschend ist die Entwicklung auch im Vergleich mit der Konkurrenz. Dies zeigt der Blick auf den US-Konsumgüterrivalen Colgate-Palmolive.

Kein Wunder, dass es an der Börse in dieser Zeit für Henkel deutlich abwärtsging, während Konkurrenten wie Colgate-Palmolive reüssierten.

Langwierige Medikation

Der seit 2020 verantwortliche CEO Carsten Knobel reagierte daher 2022 mit einem zweiteiligen Restrukturierungsprogramm. In Phase eins legte er das Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft mit der Kosmetiksparte unter Konsumgütermarken zusammen. Mehr noch: Er trennte sich von Marken, mit denen es nicht mehr so recht voranging. 2022 wurden etwa die Zahncremes Theramed und Vademecum an den Süsswarenhersteller Katjes International verkauft. Auch das Russlandgeschäft wurde 2023 veräussert.

Phase zwei des Programms läuft seit 2023. «Bei einem Fussballspiel wären wir jetzt in Spielminute 37», sagte Henkel-CEO Knobel zuletzt in einem Interview. Es bleibt also noch viel Zeit, das Spiel zu drehen. Dabei setzt Henkel auf die Optimierung des Produktions- und Logistiknetzwerks.

Die Prozesseffizienz sei ein entscheidender Erfolgsfaktor für die langfristige Entwicklung des Unternehmensgewinns und folglich auch des Unternehmenswerts beziehungsweise des Aktienkurses, sagt Fondsmanager Dominikus Wagner von der Wagner & Florack Vermögensverwaltung. Die frei werdenden Mittel kann Henkel nutzen und zum Beispiel in Innovationen oder den weiteren Ausbau des Geschäfts investieren.

Langsame Besserung

Das Unternehmen scheint mit der Optimierung der Abläufe gut voranzukommen. Immerhin hat es zuletzt erklärt, damit in der Summe 525 Mio. € einsparen zu können. Zuvor war die Rede von 400 Mio. €. Und das Programm verfehlt die Wirkung nicht. Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 sind Umsatz, Gewinn und Marge deutlich gestiegen.

Die Entwicklung des Ebitda (Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) weist in die gleiche Richtung: Von 2020 auf 2023 ist diese Kennzahl gut 15% auf 3,2 Mrd. € gestiegen. 2026, so die Konsensschätzungen der von S&P Capital IQ zusammengeführten Analysten, soll sie oberhalb von 4 Mrd. € liegen. Die Ebitda-Marge soll 2026 mehr als 18% betragen.

Und anders als viele Unternehmen, die zuletzt eher mit Gewinnwarnungen oder gesenkten Prognosen überraschten, hat Henkel den Ausblick für das Gesamtjahr 2024 im laufenden Jahr bereits zwei Mal angehoben. «Der Knoten ist geplatzt», sagt daher Fondsmanager Wagner. Henkel sei operativ auf sehr gutem Weg und setze bei den richtigen Stellschrauben an.

Bei dieser guten Entwicklung dürfte auch die Aktionärsstruktur eine Rolle spielen. Die Familie Henkel hält mehr als 60% der Stammaktien und damit die Mehrheit der Stimmrechte. «In der Vergangenheit zeigte sich der zentrale Nachteil familiendominierter Gesellschaften», sagt Fondsmanager Wagner. Für ihn ist klar, dass ohne diesen dominanten Familieneigentümer schon längst Aktivisten auf den Plan getreten wären, um die nötigen Veränderungen zu erzwingen.

«Der eigentliche Beginn des Erholungspfades sind aus unserer Sicht daher der Sinneswandel der Eigentümerfamilie und ihre Bereitschaft, die strukturellen Probleme der Vergangenheit zu beheben.» Beispiele für solche Probleme, die Henkel lange plagten, sind für ihn zu kleine und zu margenschwache Geschäftsaktivitäten, M&A-Aktivitäten mit zu geringem Vorteil, der ineffiziente Verwaltungsapparat sowie die schwache Kommunikation.

Punkten in aller Stille

Das Eingreifen der Eigentümerfamilie war bitter nötig. Denn Trägheit kann sich das Unternehmen noch weniger leisten als andere: Henkel stellt viele Produkte her, die Konkurrenten in ähnlicher Form anbieten. Einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz liefern aber Grösse, Effizienz und Markenstärke. So sie denn verteidigt und ausgebaut werden.

«Akquisitionen sind fester Bestandteil unserer Strategie», sagt ein Unternehmenssprecher von Henkel. «Es geht bei potenziellen Zukäufen um den strategischen Fit, die Verfügbarkeit und die finanzielle Attraktivität», skizziert er die für das Unternehmen entscheidenden Parameter. Für Fondsmanager Wagner die richtige Richtung: «Gerade im Konsumentengeschäft spielen sinnvolle Übernahme eine wichtige Rolle, um mengenbedingte Skaleneffekte zu erzielen und das Geschäft weiter auszubauen.» Die makellose Bilanz eröffne Henkel dafür den nötigen Freiraum. 2022 zum Beispiel hat der Konzern das Friseurgeschäft der Kosmetikmarke Shiseido in Asien übernommen.

Für Markenstärke stehen Produkte wie das Spülmittel Pril oder der Holzleim Ponal. «Ihr Wachstums- und Margenpotenzial lässt sich durch die Effizienzsteigerungen in der Wertschöpfungskette noch weiter erhöhen», sagt Fondsmanager Wagner.

Die Effizienzsteigerung wiederum hat Henkel mit dem Restrukturierungsprogramm fest im Visier. Helfen könnte dabei auch der auf den Fahrzeugbau spezialisierte Teil der Klebstoffsparte. Weil immer mehr integrierte Komponenten verbaut werden, steigt die Nachfrage nach Klebstoffen, die zum Beispiel Überhitzung vermeiden. Henkel sei einer der wenigen Anbieter, die den Trend frühzeitig erkannt hätten und in Zusammenarbeit mit führenden Autobauern und grossen Zulieferern innovative Lösungen entwickelten, sagt der Unternehmenssprecher. Für solche integrierte Komponenten rechnet das Unternehmen mit einem Marktwachstumspotenzial von mehr als 20% in den nächsten Jahren. Sollte dies tatsächlich erreicht werden, wäre das gut für die Marge.

Die Börse sieht bislang nur mit einem Auge hin

Die Henkel-Vorzugspapiere haben seit Jahresbeginn rund 15% zugelegt.

Sie sind aber noch immer günstig bewertet. Entsprechend tauchen sie auch in der Aufstellung der Aktien mit positivem Kursmomentum («relative Stärke») auf: Henkel landet unter den vierzig Dax-Titeln in der oberen Hälfte. Allerdings dürfte das erst der Anfang sein. Immerhin macht der Konzern seit Jahren seine Hausaufgaben und sorgt damit für verbesserte Unternehmenszahlen.

Mit der Zusammenlegung und der Verschlankung habe das Konsumentengeschäft deutlich an Schlagkraft gewonnen, die laufenden Effizienzmassnahmen würden der Profitabilität von Henkel weiteren Schub verleihen, prognostiziert Fondsmanager Wagner. «Mittel- und langfristig sehen wir somit auch beim Unternehmenswert und mithin beim Aktienkurs noch erhebliches Steigerungspotenzial.» Einen weiteren Faktor für Kurssteigerungen könnte der allgemeine Trend hin zu defensiven Aktien liefern.

Henkel besitzt weiterhin Potenzial. Vorausgesetzt, sie verfolgt den eingeschlagenen Kurs – und bleibt damit ein Qualitätsunternehmen.

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