Sonntag, Oktober 6

Ein Huhn landet statt auf der Schlachtbank im königlichen Garten – und wirft ein Licht auf den Umgang mit Tieren in Grossbritannien.

Über die Bedingungen ihrer Pensionierung kann sich die Henne Henrietta nicht beklagen. Im Rahmen einer Aktion des British Hen Welfare Trust wurde sie jüngst von einem Bauernhof in eine Altersresidenz entlassen, um die sie viele Legehennen, aber auch Menschen in Grossbritannien beneiden. Henrietta darf ihren Lebensabend auf Highgrove House in der Grafschaft Gloucester verbringen – im ausschweifenden Garten des Privatwohnsitzes von König Charles III. und Königin Camilla.

Zuteil wurde Henrietta diese Ehre, weil sie das millionste Huhn ist, für das der Hen Welfare Trust ein neues Heim gefunden hat. Wie der Königspalast kürzlich in einer Medienmitteilung schrieb, werden kommerzielle Legehennen im Alter von eineinhalb Jahren ausgemustert, weil ihre Produktivität abnimmt. Danach werden die überzähligen Hennen in der Regel geschlachtet.

Die vom König unterstützte Stiftung sucht für die ausgemusterten Hennen ein neues Zuhause in Familiengärten, wo sie weiterhin Eier legen und den Menschen Gesellschaft leisten können. Und so landete Henrietta statt auf der Schlachtbank in einer von der britischen Designerin Lulu Guinness gestalteten Kiste, in der sie stilvoll zur königlichen Residenz getragen wurde.

Der schönste Baum im ganzen Land?

Dass König Charles III. Henrietta und dreissig andere Legehennen adoptiert hat, erstaunt nicht. Bereits in seiner langen Zeit als Thronfolger hatte er sich als Natur- und Umweltschützer einen Namen gemacht. Zudem ist der Monarch traditionell Besitzer und Schirmherr aller Schwäne, die im Königreich ohne Markierung auf offenen Gewässern schwimmen. Jeweils im Juli werden die Schwäne gezählt in einer grossangelegten Aktion namens «Royal Swan Upping», die ihre Wurzeln im 12. Jahrhundert hat.

In Grossbritannien ist der Umweltschutz oft mit dem Wunsch nach der Wahrung von Traditionen und dem Erhalt des historischen Erbes verbunden. Für Aufsehen sorgte diesen Sommer beispielsweise der Woodland Trust mit der Lancierung eines Wettbewerbs zur Krönung des schönsten Baumes im ganzen Land. Zu den Favoriten zählt eine rund 900 Jahre alte Eiche in der Grafschaft West Sussex. Angeblich soll Königin Elizabeth I. 1591 auf einem Jagdausflug neben dem Baum gestanden sein, als sie mit Pfeil und Bogen einen Hirsch erlegte.

Den Natur- und den Tierschutz schreiben sich längst nicht nur links-grüne Verbände oder radikale Gruppierungen wie Extinction Rebellion auf die Fahne. Auch konservative Kreise sorgen sich um das Wohl der britischen Fauna und Flora. Boris Johnsons Gattin Carrie beispielsweise ist eine engagierte Artenschützerin und soll dazu beigetragen haben, dass die Tory-Partei unter Johnsons Ägide ambitionierte Klimaziele verfolgte.

King Adopts One Millionth British Rescue Chicken and Names Her Henrietta

Tierfreundliche Tories

Tatsächlich hat die im Juli abgewählte konservative Regierung in den vergangenen fünf Jahren eine ganze Reihe von Gesetzen zur Verbesserung des Tierwohls verabschiedet. In Schlachthöfen ist neu die Installation von Überwachungskameras obligatorisch. Für den Handel mit Elfenbein wurden strikte Regeln in Kraft gesetzt. Und der Diebstahl von Katzen und Hunden ist nun ein spezifisches Delikt, bei dem bei der Bestrafung der Täter der emotionale Wert der Haustiere für die Halter berücksichtigt wird.

Die symbolträchtigste Reform ist das Verbot von Schlachttiertransporten ins Ausland. Seit diesem Frühling ist der Export von britischen Rindern, Schafen oder Schweinen zum Zweck der Schlachtung und Mästung ausdrücklich untersagt. Die konservative Regierung betonte stolz, dass diese Reform nur dank dem Brexit möglich geworden sei, da innerhalb des europäischen Binnenmarkts solche Transporte zulässig seien. Gemäss Umfragen ist eine Mehrheit der Britinnen und Briten momentan der Ansicht, der EU-Austritt habe mehr Nachteile als Vorteile gebracht. Immerhin hat sich der Brexit für die britischen Schlachttiere rasch ausbezahlt.

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