Dienstag, November 26

Der jüngste Denkzettel kommt von Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps. Er will den Star von Real Madrid zurzeit nicht im Kader haben. Erinnerungen an die «Sextape»-Erpressungsaffäre um Karim Benzema werden wach.

«C’est mieux comme ça», es ist besser so: Didier Deschamps sagte den Satz am Donnerstag gleich mehrfach. Frankreichs Fussball-Nationaltrainer musste einer verdutzten Medienrunde den beispiellosen Vorgang erklären, dass er für die anstehenden Nations-League-Partien Kylian Mbappé ausgebootet hatte. Nicht irgendwen, sondern den Galaktischen von Real Madrid, den bis vor kurzem nach allgemeinem Dafürhalten besten Fussballer der Welt und nicht zuletzt den Captain seines Nationalteams. Doch, doch, Mbappé habe kommen wollen, sagte Deschamps. Aber nein, er sei der Trainer, er müsse entscheiden. «C’est mieux comme ça.» Besser warum? Und für wen?

In Frankreich und in Mbappés Wahlheimat Spanien herrscht munteres Rätselraten über die Hintergründe. Zwar erklärte Deschamps, «aussersportliche Erwägungen» spielten keine Rolle, solange die Unschuldsvermutung gelte. Dennoch landen die meisten Beobachter in ihren Analysen unweigerlich bei einer schwedischen Angelegenheit.

Er droht die Captainbinde zu verlieren

Im Oktober wurde Mbappé nach einem Ausflug in Stockholms Nachtleben von der lokalen Presse mit einer angezeigten Vergewaltigung in Verbindung gebracht. Genaueres weiss man bis heute nicht, aber Medien wie «L’Équipe» spekulieren, Deschamps habe schon die blosse Vorstellung verschreckt, die Polizei könnte im Auftrag der schwedischen Staatsanwaltschaft im Teamquartier auftauchen, um Mbappé eine Aussage abzunehmen.

Erinnerungen an den Fall Karim Benzema werden wach: Mbappés Vorgänger als Frankreichs Stürmerstar, ehedem ebenfalls bei Real Madrid, wurde von Deschamps 2016 wegen seiner Verwicklung in die «Sextape»-Erpressungsaffäre, von der sein Teamkollege Mathieu Valbuena betroffen war, ausrangiert – obwohl Benzema anfangs ebenso die Unschuldsvermutung schützte. Verurteilt wurde er erst 2021.

Als eine der grössten Errungenschaften des Weltmeister-Trainers Deschamps gilt nicht umsonst, dass er den flatterhaften «Bleus» eine von Disziplin geprägte Teamkultur verpasst hat. Nun hat er seine Autorität auch gegenüber dem zuvor stets gehätschelten Mbappé untermauert. Denn was immer in Stockholm auch passierte – allein die Reise nach Schweden musste der Coach als Affront werten.

Mbappé hatte davor bei ihm um Freistellung von Länderspielen gebeten, damit er sich in Madrid von einer Muskelverletzung erholen könne. Trotzdem spielte er für seinen Verein, trotzdem flog er privat nach Schweden. Während er dort im Ausgang war, spielte Frankreich gerade gegen Israel.

Nicht einmal der Captain darf sich aussuchen, wann er zur Nationalmannschaft kommt und wann nicht – so lässt sich Deschamps’ Denkzettel deuten. Oder wird es bald heissen: Ex-Captain? Bestätigt in seiner Rolle hat Deschamps den 25-jährigen Mbappé nicht. Der Trainer blieb nebulös: «Alles zu seiner Zeit.»

Auch frühere Nationalspieler wie Thierry Henry äussern Kritik

Bei einer Absetzung des Captains könnte der Sélectionneur auf Sympathien im Land zählen. Denn Mbappé ist in Frankreich auf geradezu spektakuläre Weise in Ungnade gefallen. Die Liste der Sünden ist lang: sein Abgang von Paris Saint-Germain, ohne dort einen Euro in der Kasse zu lassen; eine miese EM; und die lustlose Attitüde gegenüber dem Nationalteam in den letzten Wochen.

Geradezu lustvoll stürzen sich die Kommentatoren auf Mbappés schwache Darbietungen für Real Madrid, das seine letzten Heimspiele 0:4 gegen den FC Barcelona und 1:3 gegen Milan verloren hat. «Schlechter geht es nicht», so beurteilte Thierry Henry, zuletzt Trainer von Frankreichs Olympia-Auswahl, die Gehversuche Mbappés als königlicher Mittelstürmer. Jérôme Rothen, ein anderer Ex-Profi, schreibt dem einstigen Nationalhelden gleich die ganze Madrider Krise zu: «Er kreiert Egos, er ist Ballast, eine Belastung.»

Frankreichs jüngste Ergebnisse geben solch steilen Thesen recht. Bei Mbappés einzigem Startelf-Einsatz in dieser Saison gegen Italien – damals kam er angeblich nur wegen Vermittlung seiner Mutter der Einberufung nach – kassierten «Les Bleus» eine Niederlage, anschliessend legte sich Mbappé in der Kabine mit dem eigenen Goalie Mike Maignan an. Seither hat Frankreich alle Partien gewonnen. «Kylian hat Tore geschossen und wird auch wieder welche schiessen», davon ist Deschamps zwar überzeugt. Aber für den Moment gilt in der Causa: «C’est mieux comme ça.»

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