Mittwoch, Februar 26

Der Star der Grünen strauchelt. Bei der deutschen Bundestagswahl fährt er ein mageres Ergebnis ein. Seine Rechtfertigung dafür lässt tief blicken.

Ob Robert Habeck den deutschen Wählern jemals verzeihen wird, dass sie ihn nicht ausreichend zu schätzen wussten? Am Tag nach der Bundestagswahl klang es nicht so. Da sagte Habeck, das Angebot der Grünen sei «top» gewesen: «Wir wollten mehr. Ich wollte mehr.»

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Habeck verkündete knapp, dass er künftig auf eine Führungsrolle in der Partei verzichte. Sein persönliches Angebot, seine «Bündnisidee für die politische Mitte», habe nicht funktioniert. Nun müssten sich die Grünen «in einer neuen Rolle neu aufstellen».

Tatsächlich war der Wahlkampf der Grünen stark auf den Kanzlerkandidaten und noch amtierenden Vizekanzler Habeck zugeschnitten: mit Videos von «Küchentischgesprächen», die ihn als zugewandt und nahbar zeigen sollten. Mit dem Plakatslogan: «Ein Mensch. Ein Wort», der Ehrlichkeit suggerierte. Mit zahlreichen Auftritten, bei denen Habeck wie ein Rockstar inszeniert wurde.

Manische Klimapolitik

Wenn bei einem derartigen Aufschlag nicht mehr als 11,6 Prozent Stimmanteil herauskommen, ist es kein sonderlich heroischer Akt, die politische Verantwortung zu übernehmen. Eigentlich ist es sogar eine Selbstverständlichkeit. Habeck hätte sich auch einmal dazu äussern können, was er persönlich und was die Grünen im Allgemeinen zum enttäuschenden Wahlergebnis beigetragen haben.

Mögliche Gründe wären die polarisierende Gesellschaftspolitik, die manisch überambitionierte Klimapolitik und Habecks eigene Patzer im Wirtschaftsministerium. Als Schuldiger für die Grünen-Wahlschlappe konnte aber glücklicherweise ein anderer identifiziert werden: der CDU-Chef und mutmassliche nächste deutsche Kanzler Friedrich Merz. Dieser hatte kürzlich die Zustimmung der Rechtspartei Alternative für Deutschland in Kauf genommen, als seine Christlichdemokraten Anträge zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung nach Deutschland in den Bundestag einbrachten.

Junge, linke Wähler hätten sich darauf Sorgen gemacht, dass die Grünen Teil einer Koalition werden könnten, die von der CDU geführt werde, sagte Habeck. So seien mindestens 2 bis 3 Prozent junger Grünen-Wähler in die Arme der Linkspartei getrieben worden.

Doch der Weg der linken Fundamentalopposition sei ihm versperrt gewesen, sagte Habeck: Er glaube nun einmal daran, dass man Verantwortung für das Land übernehmen müsse – zur Not auch in einer Koalition mit CDU und CSU.

Habeck bot sich Merz bereitwillig an

Habecks Diktum war zugleich wahr, perfide und entlarvend.

Wahr, weil es die von ihm beschriebene Abwanderung junger Grünen-Anhänger zur Linkspartei tatsächlich gegeben hat – an keine andere Partei verloren die Grünen mehr Wähler. Allerdings hatte Habeck zur Grünen Jugend auch zuvor kein konstruktives Verhältnis gefunden. Erst im vergangenen Herbst gab es einen organisierten Austritt von Jungfunktionären, den die Parteiführung öffentlich nicht einmal bedauerte.

Perfide ist Habecks Äusserung, weil sie das Narrativ befeuert, Merz habe mit seinem Vorstoss im Bundestag rechtswidrige Massnahmen gefordert – wie etwa die Zurückweisung von illegal Einwandernden an der Grenze. Unter Fachleuten gibt es aber unterschiedliche Einschätzungen dazu, ob dies verfassungswidrig wäre.

Entlarvend wird Habecks Erklärung für die Schlappe vor dem Hintergrund seines eigenen Verhaltens am Wahlabend: Da bot er sich Merz so bereitwillig als Regierungspartner an, dass man als Zuschauer dachte: Dieser Mann würde alles für ein Ministeramt tun.

Bereits als Umweltminister im Bundesland Schleswig-Holstein hatte er sich einen Namen als Meister des Kompromisses gemacht. Sie würden doch nicht bei den Grünen einzutreten brauchen und er nicht in den Bauernverband, rief er einst aufgebrachten Landwirten zu: «Aber lassen Sie uns doch einen Mittelweg beschreiben, da wo es pragmatisch wird!»

Dieser Satz ist ein echter Habeck: einerseits sympathisch-gewinnend, andererseits grammatisch unpräzise, denn vermutlich meinte er, man solle pragmatisch einen Mittelweg «beschreiten», da wo es «praktisch» werde.

Details haben Habeck aber nie besonders interessiert. «Wie wir es im Detail machen, können wir später überlegen, vielleicht über einen Bürgerrat», sagte er, als sein verunglücktes Gesetz zum Austausch älterer Heizungen im Jahr 2023 gerade die halbe Republik aufregte.

Die Entschuldigung für Unklarheiten oder Fehler hat Habeck geradezu perfektioniert. Doch wenn jemand zu oft um Entschuldigung bitten muss, verliert die Geste irgendwann an Bedeutung.

«Das ärgert mich», sagt der ehemalige schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der Habeck aus gemeinsamen Regierungszeiten gut kennt und eigentlich schätzt: «Da wird immer vieles entschuldigt, und er sagt, er müsse noch lernen – Deutschland braucht aber Lösungen, kein Herumgeschnacke und Geschwurbel.»

«Bitte lass mich den Elfmeter schiessen!»

«Robert hat versucht, grüne Inhalte in einer Weise zu vermitteln, dass man sie ihm nicht übelnehmen kann», sagte der grüne Übervater Jürgen Trittin. Dieses Lob hat eine vergiftete Komponente: Es weist darauf hin, dass es Habeck vor allem darum geht, sich selbst angenehm zu machen.

Er kann aber auch austeilen. Als er 2024 Kanzlerkandidat seiner Partei wurde – 2021 hatte seine Konkurrentin Annalena Baerbock 14,8 Prozent der Stimmen geholt –, kommentierte er etwas unfein. «Es ist jetzt nicht so, und das ist ja der Unterschied zu 2021, dass man sagt: Oh, da ist das Feld bereitet, bitte lass mich den Elfmeter schiessen! Du musst ihn nur reinbringen», sagte Habeck in einem Interview: «Sondern: Du wirst eingewechselt, und es steht 4:0. Gegen dich.» Sollte heissen: Baerbock habe es leicht gehabt und dennoch kein herausragendes Ergebnis erzielt. Er habe es hingegen schwer, werde aber erfolgreich sein.

Nun war er mit 11,6 Prozent der Stimmen weniger erfolgreich als Baerbock – das dürfte jemanden mit Habecks Selbstbild an die Grenze des Wahnsinns treiben. Deshalb ist sein strategischer Rückzug folgerichtig.

Habeck muss sich sammeln. Das kann er in einem wunderschönen Haus auf einer Anhöhe über der Flensburger Förde tun – im Kreise einer überaus loyalen Familie. Habeck hat sich nach Niederlagen auch in der Vergangenheit erfolgreich wieder zusammengesetzt – 2017, als er den Kampf um den Parteivorsitz nur ganz knapp gegen seinen Parteifreund Cem Özdemir verlor. Und 2021, als ihm Baerbock die Kanzlerkandidatur lächelnd aus der Hand genommen hatte.

Habeck hat Nehmerqualitäten. Gut möglich, dass er wiederkommt. Sein Bundestagsmandat gibt er jedenfalls nicht auf – vielleicht auch deshalb, weil eine Schriftstellerexistenz, in die er jederzeit zurückkehren könnte, mit einem komfortablen Abgeordnetengehalt entspannter ist.

Seine politischen Bücher verkauften sich jedoch sowieso gut. Der Verlag muss mit dem nächsten Vorschuss nicht knauserig sein. Habecks letzte Titel hiessen «Wer wagt, beginnt», «Wer wir sein könnten», «Von hier an anders» und «Den Bach rauf». Sein nächstes Buch? Vielleicht heisst es «Ihr könnt es besser».

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