Dienstag, Februar 4

Die Medien machen immer mehr Wetter. Und immer dramatischer. Warum nur?

Wetter ist nicht mehr nur, Wetter ist jetzt ein Ereignis. Als es in den vergangenen Tagen schneite, berichtete ein «Blick»-Leserreporter aus Sörenberg: «Vor einer Stunde hat es angefangen, heftig zu schneien.» Es war die Top-Meldung. Auch «20 Minuten» alarmierte das Land: «Sörenberg im Kanton Luzern versinkt im Schnee». Es schneite. Es war Winter.

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Bei einem vorhergehenden Wintereinbruch berichtete der «Tages-Anzeiger» in grosser Ernsthaftigkeit: «Der Schnee kommt, aber nicht überall». Die gute Nachricht sei: «Es wird heute schneien.» Aber der Schnee werde «nicht gerecht verteilt». Es klang, als habe der Schneefall eine sozialpolitische Dimension.

Wetter ist vom Ereignis zum Schicksal geworden. Nach einigen regnerischen Tagen hiess zuletzt eine Schlagzeile: «Wann sich das Wetter endlich beruhigt». Als im November der Winter einbrach, titelte der «Blick» prominent: «Welche Kantone der Schnee-Hammer trifft». Als käme die Apokalypse in weissem Kleid.

Und es ist nicht ausschliesslich ein Winterphänomen. Wenn es Sommer ist und ein Gewitter anstehen könnte, bringen die Medien ihre «Wetter-Ticker» in Stellung – illustriert mit einem tiefblauen bis -roten Niederschlagsradar oder mit dunkelschwarzen Wolken am Horizont. «Um 20 Uhr wird’s brenzlig», titelte «20 Minuten» im vergangenen Sommer. «Heftige Gewitterfront zieht über die Schweiz», schrieb der «Blick» in seinem Ticker. Gefolgt von der Nachricht: «Jetzt ziehen heftige Gewitter über die Schweiz». Darüber stand der Titel: «Heftige Gewitter ziehen über die Schweiz». Es wird geblitzt und gedonnert haben an dem Abend.

Jede Sekunde neu

Wetter ist das ideale Ereignis einer atemlosen Mediengesellschaft – weil es sekündlich Neuigkeiten produziert (die auch noch alle verstehen). Kein Wetter ist nie. Exzessiv wird es prognostiziert und medial inszeniert. Und das nicht nur in jenen selteneren Fällen, in denen das Wetter auch in der Schweiz eine verheerend-existenzielle Dimension hat, so wie im vergangenen Jahr in Brienz. Darum geht es an dieser Stelle nicht. Auch das Normalwetter erregt zu.

SRF Meteo ist seit Jahrzehnten eine wichtige Sendung im Hauptabendprogramm. Moderator Thomas Bucheli ist eine Art Wettermacher. In der Beiz sagt man nicht: «Es wird regnen.» Man sagt: «Dä Bucheli hät Rege.» Meteorologie ist ein kollektives Hobby geworden. Niemand, der nicht mehrere Wetter-Apps konsultierte. Und wenn die Meteorologin von «ungewöhnlich tiefem Luftdruck» spricht, wird in den Fernsehsesseln genickt.

Das Wetter gehört zur Alltagspsychologie der Schweiz. Wenn jemand einen dummen Kopf hat, wird das Wetter herangezogen: Der Föhn könnte Schuld sein. Wetter ist nicht nur, es ist moralisch aufgeladen. Es gibt gutes und schlechtes Wetter.

Sonne steht zuoberst in der Hierarchie, Nebel zuunterst. Der Schriftsteller Peter Weber schreibt in seinem Roman «Der Wettermacher»: «Nebel ist der Hauptexportartikel des schweizerischen Mittellandes (…), unter dem Nebel ist das Leben ausgesprochen sinnentleert, unter der mittelländischen Nebeldecke geht im Durchschnitt jedes zweite Kind ein, stirbt an Lichtmangel oder Perspektivenlosigkeit, während über der Nebeldecke grenzenlose Heiterkeit herrscht.»

Muss ich mich fürchten?

Der Blick aufs Wetter ist ein grundsätzlicher Blick voraus: Kommt alles gut – oder muss ich mich fürchten? Man kann sich die Frage nicht genug oft stellen. Dazu laden all die Wetter-Push-Meldungen und -Apps ein. Die Wetter-Ticker sind in ihrer alarmistischen Aufmachung kaum zu unterscheiden von Welt-Krisen-Tickern. Jedes grössere Gewitter ist ein dunkelrot schraffiertes Armageddon, was die wirklich schlimmen Unwetter auch banalisiert. Aber die +++, die Symbole der Breaking News, sind nun mal Erkennungszeichen unserer Zeit. Wetterschlagzeilen überbringen den Grusel der Gegenwart, aber Wetter zieht vorüber (und man kann sich in der Schweiz davor schützen). Im Wetter zeigt sich die Ungewissheit der Zukunft, aber auf eine Art, die wir alle schon kennen.

Wie die Welt, so macht auch das Wetter, was es will. Aber wenigstens ein bisschen sehen wir es voraus.

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