Sonntag, Oktober 6

Ein Blick zurück auf den langjährigen Stolz der Schweizer Luftwaffe.

Die Idee, ein Vorführteam mit Berufspiloten aufzustellen, stammt aus dem Jahr 1959. Im Hinblick auf die Landesausstellung Expo 64 in Lausanne wurde das Formationsflugtraining mit der Hunter-Doppelpatrouille intensiviert. Bild: eine Formation Hunter über der Axalp in der Nähe von Meiringen.

Keystone

Kurz bevor die Skifahrer die lange Piste herunterbrettern, donnern die Kampfjets durch die Luft. Der Auftritt der Patrouille Suisse an den Lauberhornrennen im Berner Oberland ist jeweils ein Höhepunkt des Grossanlasses. Wenn die F-5-Tiger mit nur wenigen Metern Abstand neben- und hintereinander ihre Figuren in den Himmel zeichnen, geht ein Raunen durch die Zuschauermengen.

Es dürfte ähnlich sein, wenn die Patrouille Suisse dieses Wochenende am Eidgenössischen Hornusserfest im bernischen Höchstetten ihre Formationen fliegt. Die Patrouille Suisse steht in den Augen vieler für Schweizer Tugenden: Präzision, Zuverlässigkeit, Perfektion.

Sie ist Nationalstolz, Werbeinstrument und Spektakel zugleich. Und steht, 60 Jahre nach der Gründung, vor einer ungewissen Zukunft.

Beste Werbung für die Luftwaffe

Am 22. August 1964 ist die Patrouille Suisse gegründet worden. Es war eine Zeit des Auf- und Umbruchs. Die Luftwaffe feierte ihr 50-jähriges Bestehen, und die Schweiz blickte an der Landesausstellung in Lausanne in die eigene Zukunft. Zwar erhielt das sogenannte Überwachungsgeschwader schon 1959 den Auftrag, zu Demonstrationszwecken eine Doppelpatrouille mit vier britischen Hawker Hunter zu trainieren. Doch mit Blick auf die beiden Anlässe wurde das Training mit den britischen Kampfflugzeugen intensiviert.

Die Bevölkerung bestaunte die Flugkunst der Piloten, in der Presse war von Luftakrobaten die Rede. In Anlehnung an die Patrouille de France, das bereits seit 1931 bestehende französische Kunstflugteam, nannte man sie Patrouille Suisse.

Es zeigte sich bald, dass die Kunstflugstaffel in dieser Zeit, in der bald die ersten Werbespots über die Schweizer Fernsehbildschirme flimmerten, ein ideales Marketinginstrument war. Die Patrouille Suisse wurde zum Aushängeschild der Schweizer Luftwaffe. Sie demonstriert ihre Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Ein Hauch helvetischer Top -Gun-Atmosphäre.

Das damalige Militärdepartement wusste um die publikumswirksamen Auftritte. Bis heute fasziniert die Patrouille Suisse an Grossanlässen im In- und Ausland viele Leute. Es gibt einen Fanklub mit 4000 Mitgliedern, er verkauft Mützen, Weingläser, T-Shirts, Badetücher. Patrouille Suisse steht auch für Nostalgie und Folklore.

Zwei Unfälle in 60 Jahren

Bis 1970 flog die Patrouille Suisse mit vier Maschinen, dann mit fünf, später mit sechs. Das ermöglichte der Flugzeugstaffel neue Figuren. Die integrierten Rauchanlagen sorgten für einen zusätzlichen Showeffekt. Später folgte die rot-weisse Bemalung mit dem Schweizerkreuz. In den 1990er Jahren wurden die Hunter-Kampfflugzeuge ausgemustert und durch die F-5-Tiger ersetzt.

Anfänglich bekam nur Schweizer Publikum die Flüge zu sehen. Auftritte im Ausland waren wegen der strikten Neutralität zunächst ein Tabu. Erst 1978 zeigte die Kunstflugstaffel erstmals in Frankreich ihr Können.

Lange blieb die Patrouille Suisse trotz riskanten Manövern von schweren Unfällen verschont. Das änderte sich 2016 in den Niederlanden. Ein Jet kollidierte während eines Trainingsflugs mit einem zweiten Jet der Formation und stürzte in einen Teich. Der Pilot konnte sich damals mit dem Schleudersitz retten.

Auch 2023, beim zweiten Unfall in der Geschichte der Kunstflugstaffel, blieben die Piloten unverletzt. Zwei Jets touchierten sich bei einem Training über dem Kanton Zug. Die Nase des einen Flugzeugs wurde beim Unfall abgebrochen und stürzte ab, durch Glassplitter wurde eine Person leicht verletzt.

Die F-5-Tiger sind ein Kostenfaktor

Noch Mitte der 1990er Jahre unterlegte das Schweizer Fernsehen einen Dokumentarfilm über die Patrouille Suisse mit bewegter Rockmusik und inszenierte die Piloten als wagemutige Helden. Doch vermehrt sind kritische Stimmen zu vernehmen. Manchen sind die Flüge zu laut, anderen zu umweltschädlich. Doch nicht nur der Zeitgeist kratzt am polierten Image der Patrouille Suisse. Vor allem die Kostenfrage hat eine existenzielle Krise hervorgerufen. Die Tiger sind zu alt und zu teuer.

Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) will sie bis Ende 2027 ausmustern. Der F-5-Tiger sei in jeder Hinsicht veraltet und jede weitere Investition verfehlt, bekräftigte der Bundesrat letzte Woche in seiner Stellungnahme auf eine Motion von Werner Salzmann. Der Berner SVP-Ständerat fordert, dass die Patrouille Suisse als Jet-Team erhalten bleibe. Die Patrouille Suisse sei kein Hobby, sondern stärke die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz.

Der Bundesrat indes, und mit ihm inzwischen eine Mehrheit des Parlaments, will lieber in die tatsächliche Verteidigungsfähigkeit investieren. Wollte man die F-5 im bisherigen Rahmen weiterbetreiben, schätzt der Bundesrat die Kosten für die nächsten zehn Jahre auf etwas weniger als eine halbe Milliarde Franken. Und so scheint es denkbar, dass die Tage der Kunstflugstaffel mit Jets gezählt sind. Das VBS prüft laut Bundesrat, die Patrouille Suisse mit einem anderen Flugzeugtyp weiterzuführen.

Anders als vor 60 Jahren, als die Armee einen Werbeträger mit offenen Armen begrüsste, braucht das Militär das Geld heute für die Sache statt für das Marketing.

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