Donnerstag, Dezember 26

Alles ziemlich kitschig: Von günstigen Glasfigürchen über Papagei-Skulpturen im Hochpreissegment bis zu Labordiamanten gibt es bei Swarovski fast alles zu kaufen. Swarovski definiert Luxus auf seine ganz eigene Weise.

Herr Nasard, wie wichtig ist Weihnachten für Swarovski?

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Weihnachten ist für uns enorm wichtig. Es wird viel konsumiert, und unsere extravaganten Produkte passen perfekt in diese Saison. Neben Schmuck stellen wir auch Christbaumdekoration her.

Trotzdem hat es im Zürcher Hauptbahnhof dieses Jahr erstmals seit 1997 keinen Swarovski-Christbaum mehr.

Zu diesem spezifischen Entscheid kann ich nichts sagen – das liegt in der Kompetenz der regionalen Marketingorganisation. Es ist durchaus möglich, dass wir nächstes Jahr wieder einen Baum in Zürich aufstellen. Es muss nicht unbedingt im Bahnhof sein. Viel wichtiger ist, dass es ein luxuriöser Ort ist, an dem die Marke strahlen kann.

Und wie läuft das diesjährige Weihnachtsgeschäft?

Sehr erfreulich. In der Woche des Black Friday und den drei Tagen danach bis zum Cyber Monday sind unsere Verkäufe im Vergleich zum letzten Jahr um 36 Prozent gestiegen, und auch im Dezember hatten wir bis jetzt ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich. Gut verkauft hat sich unter anderem unser Adventskalender, der 24 verschiedene Figürchen und Christbaumanhänger enthält. Und dies, obwohl er mit 1200 Franken nicht gerade günstig ist.

Für diese Glasfigürchen ist Swarovski bekannt. Wer kauft sie heute?

Als ich ins Unternehmen kam, dachte ich, unser typischer Kunde sei eine ältere Dame. Doch das stimmt nicht. Tatsächlich machen Männer in diesem Bereich fast die Hälfte unserer Kundschaft aus. Die Altersstruktur unterscheidet sich kaum von jener in unserem Schmuckgeschäft.

Ist dieser Geschäftsbereich erfolgreich?

Durchaus. Dieses Jahr wachsen wir in diesem Bereich um 9 Prozent. Fast ein Drittel unseres Umsatzes kommt von treuen Stammkunden. Sie wollen das nächste Marvel-Figürchen, das nächste Star-Wars-Raumschiff oder den nächsten Vogel. Diese Leute sind leidenschaftlich – ein wunderbares Wiederholungsgeschäft mit wenig Konkurrenz. Aber auch sonst läuft es gut: Im Schmuckgeschäft wachsen wir derzeit mit 8 Prozent, das ist mehr als dreimal so rasch wie der Markt.

Woran liegt das?

Unsere Preisspanne ist einzigartig: Wir bieten Produkte zwischen 80 und 250 000 Franken an. Damit erreichen wir eine aussergewöhnliche Breite an Kundengruppen.

Sie haben das obere Preissegment ausgebaut und bieten Schmuck aus Labordiamanten an. Warum?

Ein Teil unserer Strategie ist es, Swarovski als Luxusmarke zu positionieren.

Ist das glaubwürdig?

Klar, wenn man etwas für 150 Franken verkauft, entspricht das nicht der klassischen Definition von Luxus. Heute wird Luxus zu stark durch die grossen französischen Maisons bestimmt. Wir sehen das anders: Unser Geschäftsmodell und unser Erbe sind einzigartig, und wir haben das Recht, Luxus auf unsere eigene Weise zu definieren. Unser Konzept des «Pop-Luxus» kombiniert klassische Luxusmerkmale mit der besonderen Identität von Swarovski. Unser Schmuck ist schriller und weniger traditionell.

Luxus muss also nicht teuer sein.

Wir lehnen die üblichen Luxusdefinitionen ab. Luxus bedeutet für uns nicht überhöhte Preise oder vorgespielte Knappheit. Bei uns soll sich jeder Kunde wertgeschätzt fühlen, und niemand soll wegen des Preises ausgeschlossen sein. Junge Menschen kaufen vielleicht ein Tennisarmband für 100 Franken; später ist es dann eine Halskette für 1000 Franken.

Swarovski hat 7000 Verkaufsstellen weltweit. Eine solche Allgegenwärtigkeit ist untypisch für Luxusmarken.

Impulskäufe sind für uns entscheidend. Deshalb ist es wichtig, präsent zu sein.

Haben Sie konkrete Ziele für das Geschäft mit Diamantschmuck?

In den Läden, in denen wir Diamantschmuck anbieten, macht dieser bereits rund 10 Prozent des Umsatzes aus. Das ist ermutigend. Zu den detaillierten Zielen will ich mich nicht äussern. Aber generell gilt: Wenn wir etwas völlig Neues auf den Markt bringen, erlauben wir uns immer ein gewisses Mass an Flexibilität. Um zu lernen. Jede Woche versenden wir einen Bericht mit den neuesten Entwicklungen an alle Länderorganisationen. Was lernen wir über das Einkaufserlebnis, das Kundenverhalten, die Kooperationen? Ich bin seit mehr als dreissig Jahren in diesem Geschäft tätig. Der anfängliche Business-Case ist fast nie richtig. Er ist eine Arbeitshypothese, um anzufangen und zu lernen.

Was haben Sie seit der Lancierung der Labordiamanten bereits gelernt, was Sie überrascht hat?

Es gab zwei Überraschungen. Zum einen sind die Kundinnen jünger, als wir dachten. Obwohl Diamantschmuck deutlich teurer ist als Kristallschmuck, machen die Millennials und die Generation Z auch hier etwa 35 bis 40 Prozent unseres Umsatzes aus. Zum anderen kannibalisieren sich Kristalle und Diamanten nicht, wie wir anfangs befürchtet haben. Im Gegenteil: In Läden, in denen wir auch Diamantschmuck im Angebot haben, sehen wir einen Umsatzanstieg von 3 Prozent bei den Kristallprodukten.

Wie erklären Sie sich das?

Die Leute gehen in den Swarovski-Shop und kaufen Diamantschmuck. Und wenn sie schon da sind, kommt ihnen in den Sinn, dass sie noch ein Geschenk für die Tochter benötigen. Oder sie sind sich beim Schmuck aus Labordiamanten noch nicht ganz sicher, weil es neu ist. Aber sie schauen dann die neue Weihnachtskollektion an und kaufen etwas Kristallenes. Und kommen später zurück, um Diamanten zu kaufen.

Warum setzen Sie auf Labordiamanten und nicht auf natürliche Diamanten?

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Argument, vor allem für jüngere Kundinnen. Labordiamanten sind qualitativ identisch mit Bergbaudiamanten, bieten aber weniger Risiken mit Blick auf die Umwelt und auf die Arbeitsbedingungen. Zudem haben sie ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis. Für denselben Preis bekommt man zwei- bis dreimal so viel Karat.

Sie sprechen von Nachhaltigkeit. Für die Herstellung wird jedoch sehr viel Energie benötigt.

Das stimmt, aber in unserem Fall ist sie zu 100 Prozent erneuerbar. Zudem: Auch beim Abbau von natürlichen Diamanten braucht es viel Energie.

Stellen Sie die Diamanten selber her?

Im Moment noch nicht. Aber das wird sich wahrscheinlich mit der Zeit ändern. Derzeit entwerfen wir das Design der Schmuckstücke und überprüfen die gesamte Lieferkette.

Soll der Diamantschmuck den Kristallschmuck langfristig ersetzen?

Nein. Kristalle sind der Ursprung von Swarovski, und unser einzigartiges Know-how beim Schleifen verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil. Die Kundengruppen überschneiden sich kaum, so dass beide Bereiche nebeneinander bestehen können.

Sieht man als Laie einem Schmuckstück an, ob es aus Kristall oder Diamanten besteht?

Als Laie wahrscheinlich nicht. Ich sehe es. Unsere Kristalle sind zwar zu 100 Prozent klar, aber ein Diamant reflektiert und bricht das Licht noch mehr. Er hat mehr Brillanz. Das hängt nicht nur mit dem Schliff zusammen, sondern auch mit dem Material.

Was ist das Besondere an Ihrem Kristallschmuck?

Wir stellen Kristallschmuck mit grossen Steinen für 250 bis 600 Franken her. Dieser Schmuck vermittelt ein Statement, das man bei anderen Marken nur mit Haute-Joaillerie-Stücken bekommt. Diese kosten dann allerdings mindestens das Zehnfache. Wir haben das Know-how, Kristalle so zu schleifen, dass sie Diamanten oder anderen Edelsteinen zum Verwechseln ähnlich sehen.

Swarovski hat aber schwierige Jahre hinter sich. Von 2020 bis 2023 hat das Unternehmen Verlust geschrieben. Was ist passiert?

Unser Geschäft kann eigentlich sehr profitabel sein, das sieht man an der hohen Bruttomarge. Aber wir brauchen auch Volumen, um unsere Produktion auszulasten. Als das Geschäft im Jahr 2020 wegen der Pandemie einbrach, fehlte die Nachfrage plötzlich, und wir sind in die roten Zahlen gerutscht. Daraus entwickelte sich ein Kostenproblem. Zudem: Es gab damals schon eine Luxusstrategie, die ich aber als übertrieben bezeichnen würde. Mehr in Richtung Luxus zu gehen, war zwar richtig, aber Swarovski kann nicht Luxus wie alle anderen machen, es muss zu uns passen, deshalb der Begriff Pop-Luxus.

Sieht es nun wieder besser aus?

Wir wachsen derzeit deutlich stärker als der Markt. Und dieses Jahr werden wir auch erstmals seit 2019 wieder Gewinn schreiben.

Welche Massnahmen waren nötig, um wieder in die Gewinnzone zu kommen?

Das ist vor allem auf die Einführung der neuen Luxus-Strategie zurückzuführen. Aber wir mussten auch die Kosten reduzieren. Dazu mussten wir leider auch Mitarbeitende entlassen und Läden schliessen. Wobei die Reduktion des Filialnetzes bereits seit dem Jahr 2016 im Gange ist. Damals hatten wir noch doppelt so viele Läden wie heute. Das heisst nicht, dass wir keine neuen Filialen eröffnen. Aber wir konzentrieren uns dabei auf Flagship-Stores in Grossstädten.

Dass das Geschäft nun wieder besser läuft, dürfte auch Ihre achtzig Aktionäre freuen. Swarovski gehört ja zu 100 Prozent der Swarovski-Familie. Wie ist es, so viele Chefs zu haben?

Früher mag das ein Problem gewesen sein. Aber als ich kam, gab es eine sehr lobenswerte Initiative zur Professionalisierung der Unternehmensführung. Unser Verwaltungsrat besteht heute aus acht Mitgliedern, von denen nur drei Familienmitglieder sind. Darüber hinaus gibt es keine Einmischung in die Führung des Unternehmens.

Gilt das für Swarovski als Ganzes?

Beim Kristallgeschäft, das ich führe, hat sich diese professionelle Arbeitsteilung etabliert. Swarovski besteht aber aus drei Unternehmen, die alle zu 100 Prozent der Familie gehören: Kristall, Optik und dem Schleifwerkzeug-Hersteller Tyrolit. Zu den beiden Industriezweigen kann ich nichts sagen.

In der Vergangenheit gab es anscheinend Pläne für einen Börsengang. Ist das immer noch das Ziel?

Ich spekuliere nicht über diese Dinge, aber meine Pflicht als CEO ist es, den Aktionären Optionen zu geben. Dafür müssen wir in Bezug auf Rentabilität und Finanzen Branchenstandard erreichen. Das ist noch nicht ganz der Fall, auch wenn wir dieses Geschäftsjahr wieder Gewinn schreiben werden. Was das Wachstum und die Stärke der Marke anbelangt, wären wir im Hinblick auf einen Börsengang gut unterwegs.

Warum sind Sie so zuversichtlich?

Unser Unternehmen war früher sehr profitabel, und es gibt keinen Grund, warum es das nicht wieder sein kann. Wir haben eine Marke, die begehrt ist. Das Schöne an der Begehrtheit ist, dass sie Preissetzungsmacht verleiht. Heute mache ich davon keinen Gebrauch, weil die Kundschaft eher sparsam unterwegs ist. Aber ich kann sie ausüben, wenn ich muss.

Was planen Sie als Nächstes?

Wir haben gerade eine Vereinbarung mit dem Parfumhersteller Coty unterzeichnet, um einen Swarovski-Duft zu entwickeln. Wir glauben, dass sich unser Markenwert der fröhlichen Extravaganz sehr gut im Duftgeschäft manifestiert.

Zur Person

Alexis Nasard ist seit Juni 2022 CEO des Tiroler Traditionsunternehmens Swarovski. Er ist der erste Geschäftsführer ausserhalb der Eigentümerfamilie, die sich im Jahr 2021 so zerstritten hatte, dass das familieneigene Management abgesetzt werden musste. Zuvor war Nasard als Berater bei McKinsey, als CEO der Schuhmarke Bata und in der Geschäftsleitung bei Heineken tätig. Siebzehn Jahre lang arbeitete er beim Konsumgüterriesen Procter & Gamble. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Swarovski-Gruppe einen Umsatz von rund 1,83 Milliarden Euro. Das 1895 gegründete Unternehmen stellt neben Schmuck, Kristallglas und Accessoires auch Ferngläser und Schleifmaschinen her.

Exit mobile version