Freitag, Oktober 18

Nach einem Jagdausflug ist ein deutscher Jüngling tot. Ein Ermittlergespann aus der zweiten Reihe wächst an sich. Aber Hauptdarsteller ist: der Wald.

Drei gut betuchte Jünglinge stehen in der Dunkelheit, leise rascheln die Bäume. Sie betrinken sich und schwingen ihre Gewehre. «Ich schiesse nur auf Verräter!», sagt einer. «Du alte Drecksau!» ein anderer. «Schweine», so heisst der «Polizeiruf» von der deutsch-polnischen Grenze. Es geht um menschliche und tatsächliche Schweine und um Grenzen, die der Fall leise auslotet. Er lässt ein Kommissaren-Duo aus der zweiten Reihe an sich selbst wachsen, mitten in einer malerischen Natur, die hier die Hauptrolle spielt.

Der Reihe nach. Die wohlhabenden jungen Männer gehen jagen. Und weil es in Polen mehr zu erlegen gibt als zu Hause, mieten sie sich in der Jagdhütte eines polnischen Schweinebauern ein. Hunderte von Schweinen hat er an die Afrikanische Schweinepest verloren und muss sich nun ein Zubrot an Jagdtouristen verdienen, die meinen, sich alles herausnehmen zu können.

Ein Wildschutzzaun trennt sein Revier, doch die Pufferzone interessiert die rücksichtslosen Kerle kaum, sie führen sich wie Kolonialherren auf. Wiederholt geht die Kamera in die Vogelperspektive, zeigt die übrig gebliebene Grenzanlage zwischen Polen und Deutschland. Aber die Grenze ist nicht weg: hier die reichen deutschen Söhne, dort die ums Überleben kämpfenden polnischen Bauern, die sich nicht mehr alles gefallen lassen wollen.

Ross ist auf Fortbildung

Am Ende der Jagd liegt einer der jungen Männer tot in der Wildnis. Ein Racheakt? Oder wurde hier ein interner Konkurrenzkampf auf archaische Art entschieden? Die drei Jünglinge sind erbitterte Konkurrenten in einer Berliner Anwaltskanzlei. Deren herrischer Chef ist noch dazu der Vater eines Rivalen. Ist ein Machtspiel aus dem Ruder gelaufen? Oder war es einfach ein tragischer Unfall?

Der so unkonventionelle wie einfühlsame Kommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk) ist gerade nicht im Kommissariat Swiecko, auf Fortbildung, heisst es. Dafür springen Alexandra Luschke (Gisa Flake) – nicht mehr das Cottbusser Funkemariechen wie noch im Fall zuvor – und der Ex-Polizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder) in seiner beigen Jacke ein.

«Wir zwei machen das jetzt», sagt die zupackendere Luschke. Sie führt mit klarer Kante Befragungen durch und versucht, sich mehr schlecht als recht am Polnischen, das in diesem Krimi wieder mehr Raum bekommt als auch schon. Rogov geht derweil den Spuren im Jagdrevier nach, eine Praktikantin unterstützt ihn. Ohnehin ist die Personalriege in «Schweine» sehr ausgeweitet. Das lässt den entscheidenden Protagonisten der Folge noch deutlicher in Erscheinung treten: den Wald.

In der Totale verleiht ihm die Kamera etwas Magisches, dann wieder Bedrohliches. Im Wald kommt das Archaische im Menschen zum Ausdruck, die Zerrissenheit der jungen Anwälte. Der eine kämpft mit allen Mitteln um die Anerkennung des eigenen Vaters und dringt in verbotene Räume ein, der andere ist überfordert mit seiner Rolle als Kronprinz und zerbricht an sich selbst.

Ein naturverbundener Krimi

Flashbacks, verwaschene Bilder, dazu überbelichtete Äste aus der Froschperspektive, langsame Kamerafahrten durchs Schilf, ein leises Knacken im Unterholz: Das Naturparadies im dünn besiedelten Nordosten Brandenburgs ist die perfekte Kulisse für die verlorenen Seelen. Der Vater weist seinen Sohn auch dann ab, wenn dieser seine Hilfe braucht. Derweil herzt und umarmt die polnische Bauersfrau ihre Schweine, ihr Liebstes auf der Welt, und überschreitet für ihre Tiere ebenfalls Grenzen.

Regisseur Thomas E. Rudzik ist in «Schweine» auf einen Fall von Hybris und Machtmissbrauch aus. Es ist ein leiser Krimi, der die Natur das sein lässt, was sie ist: schön und bedrohlich zugleich. Friedlich bleibt sie so lange, bis der Mensch sie stört.

«Polizeiruf 110»: «Schweine», am Sonntag, 20.05/20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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