Samstag, November 30

Der Cup-Wettbewerb wird wegen der Fangewalt-Problematik wiederholt auf die Probe gestellt. Aber er wird nicht sterben, auch weil Amateurvereine ihre Kasse entlasten können.

Schweizer Fussball-Cup kann am Anfang wie ein Geografie-Kurs sein. Wo ist Subingen zu finden? Was hat es mit dem FC Printse-Nendaz auf sich? Und was steht hinter dem Signal FC?

Subingen liegt bei Solothurn, hat keinen Bahnhof und begrüsst im Cup-Spiel gegen den FC Basel 4500 Personen im Kleinstadion, das mit einer Zusatztribüne aufgerüstet worden ist. Das sind deutlich mehr Leute, als in der Gemeinde wohnen. Der Zweitligist verliert gegen Basel 0:8. Der Klubpräsident Daniel Wiedmann meldet: «Alles perfekt. Wir dürfen ein tolles Fest feiern.»

Der FC Printse-Nendaz ist in luftiger Unterwalliser Höhe eine Nummer für sich. Er hat ein zu kleines Spielfeld, eine Anhöhe dient als Tribüne, und die Berge sind nicht weit weg. Der Zweitligist verliert gegen YB 0:10. Als der YB-Car vor dem Match zum Ort des Geschehens fährt, tut er dies hinter dem Fanmarsch der YB-Fans.

Der Signal FC gehört zu den Genfer Gemeinden Bernex und Confignon. Er wird wie der Schweizer Cup 100-jährig und empfängt am Sonntag mit dem Servette FC den Titelverteidiger. «Das ist für uns das Fest des Jahrhunderts», sagt der Klubpräsident Michel Jaggi.

Die Amateurklubs verlieren mit 5:64 Toren

Die Super-League-Klubs erkunden im Schweizer Cup die Landschaft und bleiben dort meistens ungeschlagen. 2014 eliminierte der Zweitligist Buochs die damals noch nicht grossen Young Boys 1:0. So etwas steht für ein Jahrzehnt-Ereignis, weil sonst meistens Einseitigkeit dominiert. Vor einem Jahr verloren alle Unterklassigen in der ersten Cup-Runde mit insgesamt 2:60 Toren, dieses Jahr mit 5:64 Toren.

Stellvertretend dafür stehen die zwei Sätze, die Ramon Schmidt gegenüber dem Schweizer Fernsehen geäussert hat. Nach dem 0:10 gegen YB drückt der junge Spieler von Printse-Nendaz das Gefühl der Unterlegenheit aus: «Man hat den Ball nie, und man kommt immer zu spät.» Im späteren Cup-Verlauf nimmt die Leistungsdifferenz ab.

Im Schnitt fördert aber noch jede Cup-Saison Überraschungen zutage. Im letzten Jahr eliminierte Delsberg aus der dritthöchsten Spielklasse (Promotion League) nacheinander St. Gallen und Luzern.

Aber 2:60 Tore in der ersten Cup-Runde – lohnt sich das für die kleinen Klubs? «Ja», lautet die Antwort, landein, landaus. Vor allem auch deshalb, weil die Amateurklubs in vielen Fällen mit vereinten ehrenamtlichen Kräften einen nicht unwesentlichen Zustupf in die Vereinskasse erwirtschaften. Über den Ticketverkauf, über die Verpflegung, über lokale Sponsoren. Ein Cup-Spiel ist der Test für den Zusammenhalt eines Provinzklubs.

Der Sicherheitsaspekt drückt auch auf den Cup

Aber auch im Land draussen ist nicht alles Gold, was glänzt, weil der Fussball aus den Städten nicht nur seine Reputation, sondern auch seine Probleme aufs Land mitbringt. So staunen die Unterklassigen jeweils über die Sicherheitsmassnahmen, die nötig werden, wenn Fussballfans aus Basel, Bern, Zürich, Luzern oder St. Gallen unterwegs sind: separater Eingang für die Gästefans, Sicherheitsdienst. Und es gibt wie in den Städten einen Fanmarsch, ob man das nun will oder nicht. Von Deitingen nach Subingen zum Beispiel.

Der Signal FC weiss aus früheren Tagen von einem Spiel gegen Thun zu berichten, bei dem die Behörden hinterher über 30 000 Franken in Rechnung gestellt hätten. Glücklicherweise wurde dem Klub der Betrag erlassen, zulasten der Steuerzahler. Zug 94 erinnert sich an einen «grossen Cup-Brocken» vor einigen Jahren gegen Basel, der als «Hochrisiko» eingestuft wurde. «Die Kosten frassen uns fast den ganzen Gewinn weg», sagt ein Zuger Klubvertreter.

100 ANS DE COUPE SUISSE

Der Schweizerische Fussballverband SFV versucht als Veranstalter, den Amateurvereinen beizustehen. Deren Klagen halten sich in Grenzen. Dennoch wird neben dem Sicherheitsaspekt etwa darauf hingewiesen, dass die Vorlagen im Internet für Matchprogramm und Matchplakat verbesserungsfähig seien. Ein Klub hat offenbar auf die Anfrage, was der Speaker in einem Sicherheitsfall zu tun und zu lassen habe, ein über 150-seitiges PDF-File erhalten.

Die Sicherheitskosten für den Cup-Final sind hoch

Der SFV ist sich bewusst, dass der Schweizer Cup kein Selbstläufer ist. In der Jahresrechnung wirft er zwar allein dank dem Final einen Gewinn von einer halben Million und mehr ab, aber neben den Prämienzahlungen (1,5 Millionen) fallen die sogenannten Eventkosten stark ins Gewicht – besonders die Sicherheit mit 1,75 Millionen.

Letztgenanntes geht auf die Krise zurück, die den Wettbewerb vor 10 Jahren schüttelte. 2013 und 2014 gerieten Fanmärsche in der Stadt Bern und in einem Fall sogar vor dem Stadion Wankdorf inmitten des «Sponsoren-Dorfes» ausser Kontrolle, weshalb Bern als Finalort vorübergehend Geschichte war.

Der Verband versuchte zunächst, die eine Stadt gegen die andere auszuspielen. Aber als sich die Städte abzusprechen begannen, musste er einlenken und mehr Sicherheitskosten tragen. Aus dieser Zeit der dunklen Cup-Wolken rührt die schwierige Suche nach einem Titelsponsor her. Es geistert die Hoffnung herum, dass das Schicksal dem Cup keinen «Problem-Final» zwischen Basel und Zürich bescheren möge. Wenn dagegen YB in der eigenen Stadt Finalist ist, erübrigt sich der Fanmarsch – und schon senken sich die Sicherheitskosten.

Winterthur erlebte 2024 Fackelwürfe ins Publikum

SFV-Verantwortliche sahen sich vor einem Jahrzehnt nach Krawallen sogar zu Erklärungen genötigt, wonach sie «nicht zum Gesicht der Gewalt werden» wollten. In der letzten Saison wurden die Halbfinals zu Disziplinarfällen: Genfer Fackelwürfe ins Publikum in Winterthur, verbale Attacken der Familie Constantin gegen die Schiedsrichter in Sitten.

Auf diesem Boden feiert der SFV den 100. Cup-Geburtstag. Er hat die Webseite frisch gestaltet, einen Jubiläumsball in Auftrag gegeben und bewirbt den Cup in den sozialen Netzwerken mit dem Fokus der Historie. Und er hat einen Sponsor an Bord, einen aus der Lichtbranche, der im Zusammenhang mit der Beleuchtung von Sportplätzen ohnehin schon dabei ist. Weitere sollen dazustossen.

So schnell wird der Cup nicht verschwinden. Er steht für Volksfeste auf dem Land, bringt die Stadt kurz aufs Land, fördert die Schweizer Vereinskultur und erklärt uns, was der Signal FC bedeutet und wo Subingen liegt. Er zeigt, auf welchen Plätzen im Wallis Fussball gespielt wird. Er steht für Prämien, die dem Sieger auch dank der Beteiligung am Final-Ticketverkauf gegen eine halbe Million bescheren können.

Er steht für K.-o.-Spiele und ermöglicht es allenfalls einem Klub, eine schlechte Saison zu kaschieren. Er bietet einen Europacup-Zugang und einen Final, in dem zum Beispiel der Kanton Tessin den FC Lugano zu entdecken scheint. So wenig ist das nicht.

Schweizer Cup. Auslosung Sechzehntelfinals. Spiele mit Klubs der Super League: Paradiso (PL) – St. Gallen, Stade Nyonnais (ChL) – Basel, Vevey (PL) – Young Boys, Emmen (2. int) – Yverdon, Wil (ChL) – Winterthur, Rapperswil-Jona (PL) – Lugano, Aemme BE (2.) – Lausanne-Sport, YF Juventus (1.) – Sitten, Thun (ChL) – Grasshoppers, Aarau (ChL) – Luzern, Le Communal Sport Le Locle (2.) – FC Zürich, Schaffhausen (ChL) – Servette. – Spieldaten: 13. bis 15. September.

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