Donnerstag, Februar 6

Die gigantischen ukrainischen Reserven an seltenen Erden beflügeln die Phantasie von Geopolitikern und Unternehmern. Passiert ist bis jetzt wenig. Der Westen scheut die Unwägbarkeiten im Krieg.

Dass der Krieg nicht nur Tod, sondern auch gute Geschäfte bringt, weiss man nicht erst seit dieser Woche. Doch so brutal wie Donald Trump formuliert niemand im Westen den Tauschhandel der Geopolitik. «Wir sagen der Ukraine: ‹Sie haben sehr wertvolle seltene Erden, und wir wollen eine Garantie.› Weil wir ihnen Geld und Ausrüstung geben», erklärte der amerikanische Präsident Anfang der Woche. Anders ausgedrückt: Kiew soll für Hilfen mit Rohstoffen bezahlen.

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Wolodimir Selenski reagierte darauf erstaunlich positiv. Russland habe seit 2014 Teile des ukrainischen Staatsgebiets besetzt, wo sich erhebliche natürliche Ressourcen befänden. «Wir sind offen dafür, diese mit unseren Partnern zu erschliessen. Sie helfen, unser Land zu verteidigen und den Feind zurückzudrängen.»

Strategisch bedeutsame Rohstoffe

Trumps Initiative kommt somit nicht aus dem Blauen. Vielmehr hatten er und der ukrainische Präsident bereits im Herbst bei ihrem Treffen darüber geredet. Selenski nahm den Vorschlag im Oktober auch in seinen «Siegesplan» auf: Sein Land verfüge über «kritische Rohstoffe» im Wert von mehreren Billionen Dollar. Er erwähnte besonders Titan und Lithium als Ressourcen, «die im globalen Konkurrenzkampf einen bedeutenden Vorteil bringen».

Der Westen könne der Ukraine entweder helfen, diese zu verteidigen, oder zuschauen, wie diese Russland und China in die Hände fielen, sagte der Präsident. Er wiederholte damit Argumente, die proukrainische Republikaner wie der Senator Lindsey Graham seit Sommer 2024 vorbringen. Die Ukraine sitze auf einer Goldmine im Wert von 10 bis 12 Billionen Dollar, sagte er. Diese dürfe man nicht den Rivalen der USA überlassen.

Die Summe ist schwer zu überprüfen, doch der Ressourcenreichtum der Ukraine ist riesig. Bekannt sind dabei vor allem die Kohlefelder im Donbass. Ihre Qualität und ihre Profitabilität sind allerdings sehr heterogen: Wertvoll für die Industrie sind primär die Kokskohle-Reserven. Dass die Ukraine jüngst ihre einzige derartige Mine bei der Stadt Pokrowsk an die Russen verlor, bedeutet einen massiven Rückschlag für die Stahl- und Rüstungsproduktion.

In den letzten Jahren beflügelten aber vor allem die sogenannten kritischen Rohstoffe, zu denen auch die seltenen Erden gehören, die Phantasie der Geopolitiker und Investoren. China kontrolliert den Weltmarkt für viele dieser zentralen Bausteine der modernen elektronischen Infrastruktur. Den Amerikanern und den Europäern fehlen alternative Quellen, weil ihre eigenen Vorräte begrenzt sind – oder sie diese aus ökologischen oder politischen Gründen nicht erschliessen.

Partnerschaften mit den USA und der EU

Laut Angaben der Regierung verfügt die Ukraine über 22 der 50 Rohstoffe, welchen die USA kritische Bedeutung zuschreiben, und über 25 von 34 auf der entsprechenden Liste der EU. Kiew und Brüssel unterzeichneten deshalb 2021 eine strategische Partnerschaft in diesem Bereich.

Im gleichen Jahr haben die USA und die Ukraine die Kooperation bei der Entwicklung des Titan-Abbaus zur Priorität erklärt. 7 Prozent der globalen Produktion dieses für die Rüstungsindustrie wichtigen Metalls finden in der Ukraine statt. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 500 000 Tonnen Lithium abgebaut werden könnten. Dieses ist für Batterien zentral. Dazu kommen grosse Bestände an Gallium, Uran und eine bedeutende Produktion von Neon-Gas für Bildschirme und Halbleiter.

Der Export von Bergbau- und Metallprodukten machte vor dem Krieg ein Drittel des Gesamtvolumens der ukrainischen Exporte aus. Allerdings wurden primär Produkte wie Eisen und Stahl ausgeführt. Der Anteil von Titan, dem einzig wirtschaftlich signifikanten kritischen Rohstoff, betrug 0,3 Prozent. Doch das Potenzial wäre deutlich grösser, da 2021 lediglich 15 Prozent aller Vorkommen im Land bewirtschaftet wurden. Nach Beginn des Krieges dürfte sich diese Zahl noch verringert haben. Die Detailinformationen unterstehen grösstenteils der Geheimhaltung, da sie kriegswichtige Informationen enthalten. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Hürden für ausländische Investoren steigen.

Hoch waren sie schon vor 2022: Der Rohstoffsektor ist notorisch intransparent und korruptionsanfällig. Die Vorkommen sind zudem oft nicht erschlossen, was teure jahrelange Vorarbeiten notwendig macht, bevor sie Profite abwerfen. Jene Infrastruktur, die in den bewirtschafteten Feldern existiert, ist oft veraltet. In den letzten fünf Jahren vergab der Staat mehrere Lizenzen. Nur einzelne gingen an ausländische Investoren.

Intransparenz im ukrainischen Rohstoffsektor

Die schwierige Position des Westens zeigte sich im Herbst 2024 bei der Privatisierung der United Mining and Chemical Company (UMCC). Diese hatte vor dem Krieg 350 000 Tonnen Titan und Zirkonium gefördert. 2021 interessierten sich 13 Firmen für einen Kauf des Unternehmens, auch amerikanische. Doch die Versteigerung wurde abgesagt, weil am Ende aus unklaren Gründen nur eine Firma mitbot. Letztes Jahr war dies kein Hindernis mehr, und die UMCC wurde an einen Unternehmer aus Aserbaidschan verkauft, zum Einstandspreis von umgerechnet 85 Millionen Franken. Ukrainische Medien kritisieren, dass die Auktion der Geheimhaltung unterstanden habe. Dies ist laut Kriegsrecht legal.

Der neue Besitzer will nun zwar eine Kooperation mit westlichen Firmen eingehen. Doch die Vergabe, die fast gleichzeitig mit Selenskis Präsentation des «Siegesplans» erfolgte, wirft Fragen über die Ernsthaftigkeit seines Angebots auf. Gleichzeitig dürfte die Zurückhaltung amerikanischer und europäischer Unternehmen ihre eigenen Gründe haben: Das Risiko ist gross, gerade im Krieg.

Will Trump mehr Zugang zu ukrainischen Rohstoffen, so müsste seine Regierung also zunächst einmal viel Geld in die Hand nehmen, um Firmen dazu zu bringen, überhaupt zu investieren. Vorschweben dürften ihm grosszügigere Absicherungen, etwa durch die staatliche Export-Import Bank of the United States. Mit der U.S. International Development Finance Corporation gründete er während seiner ersten Amtszeit zudem eine Institution, die Investitionen privater Unternehmen in Risikoländern mitfinanziert. Ihr Budget soll auf 120 Milliarden Dollar verdoppelt werden. Laut Analysten wird auch ein Einstieg in strategische Sektoren geprüft, wo die Vergabe bisher sehr zurückhaltend war.

Keinen Einfluss hat dies allerdings auf den Kriegsverlauf. Und hier fällt auf, dass viele der strategischen Rohstoffe im Kampfgebiet liegen oder inzwischen gar durch Russland kontrolliert werden. So verfügt die Ukraine über vier grosse Lithium-Felder. Zwei davon liegen in relativer Sicherheit westlich des Flusses Dnipro. Jenes von Kruta Balka, ganz im Südosten, steht unter russischer Besetzung. Und jenes von Schewtschenko, das als eines der vielversprechendsten gilt, ist inzwischen weniger als zehn Kilometer von der Front entfernt.

Ob die Ukrainer dieses halten können, ist nach dem Fall der militärisch bedeutsamen Kleinstadt Welika Nowosilka ungewiss. Von einer Erschliessung kann gegenwärtig jedenfalls keine Rede sein. Soll Trumps Deal also gelingen, müsste er am Ende doch wieder die Ukraine militärisch stärken, bevor er an Profite denken kann.

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