Donnerstag, Juli 4

Für den Umbau des Unternehmens setzt der Detailhändler auf externe Führungskräfte. Einer der Neuen kennt sich mit harten Preisverhandlungen aus – der andere mit Sanierungsfällen und Brezeln.

Abgesehen von ein paar Fachmarktschliessungen haben die Kunden von der grossen Migros-Reorganisation bis jetzt kaum etwas mitbekommen. Das hängt damit zusammen, dass der grösste Teil der angekündigten Massnahmen noch gar nicht umgesetzt ist.

Eine wichtige Rolle in diesem Prozess könnten zwei Männer spielen, deren Ernennung die Migros vergangene Woche kurz nacheinander angekündigt hat.

Zum einen ist das Thomas Eisele, der dem Migros-Chef Mario Irminger als Chief Transformation Officer (CTO) zur Hand gehen soll. Der bisherige Valora-Manager muss nicht weniger als «die gesamte Wertschöpfungskette der Migros weiterentwickeln und optimieren», wie Irminger zitiert wird. Wenn Eisele im November anfängt, wird er Mitglied der Konzernleitung.

Härter verhandeln für tiefere Preise

Zum anderen holt die Migros mit Florian Decker einen Beschaffungsspezialisten von Edeka. Der 42-Jährige war 15 Jahre beim deutschen Lebensmittelhändler. Er soll im September starten und das Einkaufsvolumen über die ganze Gruppe bündeln.

Denn heute ist die Warenbeschaffung im Migros-Reich noch nicht so zentralisiert, wie sie eigentlich sein könnte. Für die Migros-Supermärkte, Denner, Migrolino und Migros Online gibt es zum Teil noch eigene Einkaufsstrukturen.

Das Ziel der Übung: Wenn die Migros ihre Einkaufsmacht für alle ihre Ladenformate und Verkaufskanäle bündelt, kann das Unternehmen in den Verhandlungen mit den grossen Konsumgüterkonzernen bessere Preise herausschlagen. «Internationale Konditionen» nennt es die Migros. Am Schluss soll der Kunde das Resultat an der Kasse merken.

Heute ist der Einkauf für die Supermärkte, bei weitem der grösste Brocken, innerhalb der Migros-Gruppe bei der Supermarkt AG angesiedelt. Das Konstrukt, das mehrheitlich im Besitz der Regionalgenossenschaften ist, besorgt die allermeisten Waren bereits zentral. Die einzelnen Regionalgenossenschaften kaufen selber nur noch einen kleinen Teil des Sortiments ein, hauptsächlich regionale Produkte.

Wenn nun oben in der Migros-Zentrale beim Genossenschaftsbund unter der Führung des ehemaligen Edeka-Mannes Decker eine neue Direktion Gruppenbeschaffung aufgebaut wird, werden die bestehenden Beschaffungseinheiten bei der Supermarkt AG und den übrigen Migros-Töchtern an Bedeutung verlieren. Waren jedoch, die nur in einem bestimmten Kanal verkauft werden, sollen weiterhin durch diese Einheit beschafft werden.

Edeka legt sich mit Herstellern an

Die Migros will künftig noch enger mit Edeka zusammenspannen. Beide Händler sind bereits Mitglied in der internationalen Einkaufskooperation Epic. Nun sollen künftig über die Allianz Everest Fresh, bei der Edeka ebenfalls mitmacht, mehr Obst und Gemüse für Migros und Denner eingekauft werden. Ebenso wird die neue Einheit die Ausschreibung und Beschaffung von Eigenmarken für Migros und Denner koordinieren.

Weniger erfreut über die Neuerungen dürften jene Lieferanten sein, die künftig mit einer noch stärkeren Migros feilschen müssen oder für deren Produkte es keinen Platz mehr hat. Edeka ist bekannt für einen harten Kurs. Dieser führte immer wieder dazu, dass Markenhersteller den Händler nicht mehr belieferten oder dass Edeka Produkte aus dem Sortiment nahm, weil man sich nicht auf einen Preis einigen konnte – so zum Beispiel mit Pepsi oder Nestlé.

Welcher Anteil an der gesamten Beschaffung künftig über Deckers neu zu schaffende Abteilung laufen wird, war bei der Migros nicht in Erfahrung zu bringen. Die Kunden müssen sich sowieso noch eine Weile gedulden mit den Preissenkungen. In der Mitteilung steht, dass der Warenaufwand aufgrund der neuen Struktur erst «mittel- und langfristig» deutlich reduziert werde.

Transformation als «längerfristige Aufgabe»

Wenig Konkretes ist im Moment auch zu den Aufgaben des neuen Chief Transformation Officer in Erfahrung zu bringen, dessen Posten zurzeit vakant ist. Diese Funktion wird bis zum Antritt von Eisele im November 2024 praktisch ein Jahr unbesetzt gewesen sein. Der vorherige CTO Matthias Wunderlin war im Dezember 2023 als Leiter zur Migros-Industrie gewechselt.

Laut einer Definition der Beratungsfirma McKinsey ist eine Transformation «ein rigoroser, ganzheitlicher, unternehmensweiter Prozess, der zu einer deutlichen Verbesserung der Leistung und der organisatorischen Effektivität führen und diese aufrechterhalten soll».

So etwas kann im Fall der Migros mit ihren komplexen Strukturen sicher nicht schaden. Seitens des Unternehmens heisst es denn auch, es handle sich «um eine längerfristige Aufgabe».

Eisele wird in der neuen Rolle zugutekommen, dass er eine Aussensicht einbringt. Denn, nochmals McKinsey: «Effektive CTO behalten eine unabhängige Perspektive bei – eine, die nicht mit früheren Entscheidungen verbunden ist oder durch diese behindert wird.» Tatsächlich war Eisele – im Gegensatz zum Vorgänger Wunderlin – nie bei der Migros tätig gewesen.

Und weiter in der Definition: CTO «haben Erfahrung darin, Organisationen durch schwierige oder unklare Situationen zu führen». Eine schwierige und unklare Situation kennt Eisele von seinem früheren Arbeitgeber Valora. Das Unternehmen war jahrelang ein Sanierungsfall. Als der ehemalige Manor-Chef Rolando Benedick 2008 als exekutiver Verwaltungsratspräsident zu der kriselnden Firma wechselte, verliess auch sein Mitarbeiter Eisele die Warenhauskette für den Kiosk-Konzern, dem er 16 Jahre treu bleiben sollte.

Erfolg mit Brezeln und Pommes frites

Bei der Transformation und Expansion von Valora bekleidete der ausgebildete Ökonom eine wichtige Rolle. Nach einer Restrukturierung der Aktivitäten kaufte die Firma verschiedene Convenience-Läden im Ausland. Eisele leitete die erfolgreiche Kette Brezelkönig, die Valora 2012 übernommen hatte, sowie die Brezelbäckerei Ditsch in Deutschland.

Bis Ende Juni dieses Jahres war der 49-Jährige bei Valora, die unterdessen in mexikanischem Familienbesitz ist, Leiter der Division Food Service. Ausser Brezeln gehören längst weitere Imbiss-Formate wie Frittenwerk, Backwerk oder Superguud zu der Gruppe. Der Bereich ist stark gewachsen und ist unterdessen auch in den USA aktiv.

Geografisch wird der Radius für Eisele bei der Migros enger. Zukäufe im Ausland werden weniger gefragt sein – eher das Gegenteil. Der Fokus liegt darauf, das Kerngeschäft im Inland rentabel aufzustellen.

Dafür wird es der Manager künftig mit einer Unternehmensgruppe zu tun haben, die mit 30 Milliarden Umsatz ungefähr zehnmal so gross ist wie Valora. Auch die Entscheidungswege dürften etwas länger sein. Das zu korrigieren, gehört vermutlich mit zum neuen Job.

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