Dienstag, November 26

Die UNRWA ist Teil des Problems.

Kurz nach seinem Amtsantritt sagte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis einen Satz, der ihm heute noch nachhängt: «Für mich stellt sich die Frage: Ist die UNRWA Teil der Lösung oder Teil des Problems?»

Frage. Keine Aussage. Doch für den damaligen Bundespräsidenten Alain Berset war das schon Grund genug, seinen Kollegen zur Aussprache zu zitieren. Der Bundesratssprecher André Simonazzi versicherte der Öffentlichkeit danach, dass sich an der Nahostpolitik der Schweiz selbstverständlich nichts ändere, auch an den Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) nicht.

Ignazio Cassis hatte die Frechheit besessen, mit einem Dogma zu brechen. Unter seinen Vorgängern Didier Burkhalter und Micheline Calmy-Rey war die Schweizer Nahostpolitik von viel Verständnis für die Palästinenser geprägt gewesen. Aus diesem Umfeld stammen heute noch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des EDA, Botschafter sowie Schweizer Kaderangestellte an der Spitze internationaler Organisationen.

Ein Jahr nach der Detonation von Cassis’ Sprengsatz erschien ein Bericht einer israelischen NGO, der aufzeigte, dass die Schulkinder im Gazastreifen gezielt indoktriniert und gegen Israel aufgehetzt wurden. Eine Terroristin, die 38 Juden ermordet hatte, wurde zur Heldin. Das Attentat der Organisation Schwarzer September auf die israelische Mannschaft an den Olympischen Spielen von 1972 galt als Erfolg.

In der im Aussendepartement angesiedelten Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die zuständig ist für die Umsetzung der aussenpolitischen Strategie der Schweiz, gab man sich überrascht und schockiert. Die Schweiz setze alles daran, dass die UNRWA bei der Verletzung humanitärer Grundsätze Nulltoleranz anwende, wurde versichert.

Seither hat sich die Politik mehrfach mit der UNRWA beschäftigt, und 2019 stellte der Bundesrat die Zahlungen nach einer erneuten Affäre vorübergehend ein. Doch geändert hat sich bei der UNRWA nicht viel. Als am 7. Oktober 2023 Hamas-Terroristen Frauen, Kinder und Alte abschlachteten, jubelten UNRWA-Lehrer in einem Telegram-Chat. Die Gruppe hat 3000 Mitglieder. Nicht alle freuten sich über die Toten, aber keiner widersprach.

Nun zeigt ein Bericht, dass mindestens zwölf UNRWA-Mitarbeiter in die Greueltaten verwickelt waren. Das «Wall Street Journal» berichtete zudem kürzlich unter Berufung auf Geheimdienstberichte, dass rund zehn Prozent der Hilfswerkangestellten in Gaza Verbindungen zur islamistischen Hamas oder dem Islamistischen Dschihad hätten. Verschiedene Länder, darunter Deutschland und Italien, stoppten deshalb ihre Zahlungen oder gaben an, kein weiteres Geld mehr fliessen zu lassen.

Philippe Lazzarini, der Schweizer Chef des Hilfswerks, zeigte sich entsetzt. Die Taten würden untersucht, den Tätern drohten Konsequenzen. Aber: Er sei schockiert darüber, dass so viele Länder nun ihre Gelder einstellten.

Die Aussage zeigt viel über das Selbstverständnis der UNRWA. Mit Lazzarini wirkt bereits der zweite Schweizer an der Spitze des Hilfswerks. Auch sein Vorgänger, Pierre Krähenbühl, war stärker damit beschäftigt, wegzusehen und weltweit Geld zu sammeln, als intern konsequent durchzugreifen. Allerdings kann man den Mann auch verstehen. Die Verhältnisse im Gazastreifen sind verheerend. Die UNRWA ist die einzige Lebensader für zwei Millionen Menschen.

Und was macht nun die Schweiz? Sie sitzt aus. Der Aussenminister und der Bundesrat können es sich leichtmachen. Das Parlament hat kürzlich entschieden, die Gelder zu halbieren. Gleichzeitig muss der Bundesrat vor jeder Überweisung an die UNRWA die beiden Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments konsultieren. Rechtlich haben die Politiker zwar nichts zu melden, aber in der Schweiz gilt seit je: Gut, haben wir darüber geredet.

Der Bundesrat will erst im April entscheiden, ob und wie viel Geld er künftig überweisen will. Es gibt gute Gründe, die Geldflüsse so lange aufrechtzuerhalten, wie die Bevölkerung im Gazastreifen auf Nothilfe angewiesen ist, und sie dann einzustellen. Denn Cassis hat recht: Das Hilfswerk ist Teil des Problems.

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