Donnerstag, Februar 27

Die Verzweifelten und Wütenden gehörten zu seinen Spezialitäten. Kollegen hielten ihn für vergrübelt, bezeichneten ihn als Einzelgänger. Jetzt ist der zweifache Oscar-Preisträger 95-jährig gestorben.

Gene Hackman, 95 Jahre alt, und seine Ehefrau Betsy Arakawa, 63-jährig, wurden am Mittwochnachmittag in ihrem Haus in der Gemeinde Santa Fe Summit leblos aufgefunden. Laut amerikanischen Medienberichten bestätigte der Sheriff des County, dass sowohl das Ehepaar als auch dessen Hund tot sind. Nach ersten Erkenntnissen gibt es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden.

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Hackman war ein Charakterschauspieler von Format, einer der wichtigsten seiner Generation und einer der Grossen des Films. Er arbeitete unermüdlich. Und obwohl er in den siebziger Jahren seine Glanzzeit erlebte, drehte er auch in den folgenden Jahrzehnten in der Regel zwei Filme pro Jahr. In vielen war er das Beste daran, was nicht unbedingt gegen die Filme, aber für seine Brillanz sprach.

Mit mehr als achtzig Leinwandauftritten war er aus der Geschichte des Hollywoodfilms der vergangenen fünfzig Jahre nicht wegzudenken. Allein das verlieh ihm eine gewisse Monumentalität, und er schien alterslos zu sein. Das lag vielleicht daran, dass er erst im mittleren Alter, mit über vierzig, den richtig grossen Durchbruch im Film schaffte, als New Yorker Polizist Jimmy «Popeye» Doyle in «French Connection» (1971).

In «French Connection II» glänzte Gene Hackman erneut in der Rolle des Detective Jimmy «Popeye» Doyle, die ihm 1971 den Oscar eingebracht hatte.

Imago

Da hatten sich seine krausen Haare schon gelichtet, und sein Gesicht sah nach gelebtem Leben aus. Es war ein aufmerksames Gesicht, dem nichts entging, nicht in diesem Film, der ihm einen Oscar für die beste Hauptrolle eintrug, und nicht in späteren. Hinter seiner Stirn ging immer mehr vor, als er uns sehen lassen wollte. Er wusste, wie man das Publikum neugierig machte.

Er war bei den Marines

Auf den ersten Blick war Gene Hackman ein Allerweltstyp – ein Umstand, der ihm von früh an bewusst war. Er fand, er ähnle einem Minenarbeiter. Vielleicht trug sein Äusseres dazu bei, dass man ihm in der Schauspielschule, die er nach über vier Jahren bei den Marines besuchte, schlechte Chancen im Filmbusiness prophezeite. «Ich sehe vollkommen gewöhnlich aus», sagt er auch in seinem späten Film «Under Suspicion» (2000).

Doch gerade das Alltägliche seiner Erscheinung machte er zu seiner Besonderheit: Er vermass das menschliche Innenleben vom Spiessigen («The Birdcage», 1996) bis zum Dämonischen («The Chamber», 1996), vom Autoritären («Geronimo», 1993) und vom Rechtschaffenen («The Poseidon Adventure», 1972). Ganz zu schweigen vom Sadistischen in «Unforgiven». Für seine Leistung im Film von Clint Eastwood erhielt er 1993 einen Oscar als bester Nebendarsteller.

Er liess Widersprüche zu, erlaubte Kompliziertheiten, und das alles spielte er sehr präzise. Auf der Strasse wäre er niemandem aufgefallen. Aber auf der Leinwand vereinte sich seine besondere Energie, die einen Star zum Star macht, mit einer riesigen Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten: Er machte die oft Übersehenen, scheinbar Unauffälligen überlebensgross.

Kein glücklicher Liebhaber

Während er in William Friedkins «French Connection» überall mittendrin ist, nie zu reden aufhört und ständig in die Luft geht, ist er in einem anderen essenziellen New-Hollywood-Film, Coppolas «The Conversation» (1974), ein einsamer Mann, ein Abhörspezialist, dessen zunehmender Verfolgungswahn ihn zur Implosion treibt: zwei komplett unterschiedliche Figuren, mit denen sich Hackman in die Kinogeschichte einschrieb.

Obwohl er alles spielen konnte, eignete er sich wenig als glücklicher Liebhaber. Also liess ihn der Film Niederlagen mit Frauen erleben, wie in Sidney Pollacks «The Firm» (1993). Da war er ein undurchsichtiger Anwalt, der es auf die Film-Ehefrau von Tom Cruise abgesehen hat, die sich zu seiner Überraschung irgendwann auf ihn einlässt.

Als sich herausstellt, dass sie ihn nur austrickst, zeigt er eine Resignation, der man viele vorausgegangene Zurückweisungen anmerkt. Hinter dem gerissenen Gewinnertyp wird ein einsamer Mann sichtbar, der sein Scheitern fast amüsiert zur Kenntnis nimmt. Seine Rolle ist die interessanteste im ganzen Film. Die Verzweifelten und Wütenden gehörten zu seinen Spezialitäten.

Auch bei der Arbeit und im Leben stritt er gern und viel. In späten Interviews kam er noch auf bestimmte Ereignisse in seiner Jugend zurück. Der Vater verliess die Familie früh, und die Mutter kam bei einem mutmasslich selbst verursachten Hausbrand ums Leben. Den Erfolg des Sohnes, den sie ihm sehr gewünscht hatte, erlebte sie nicht mehr.

Vor zwanzig Jahren zog er sich zurück

Gene Hackmans Schauspielkollege Robert Duvall, mit dem er seit den fünfziger Jahren befreundet war, fand ihn vergrübelt. Auch andere bezeichneten ihn als Einzelgänger. «Es ist etwas sehr Charismatisches an ihm, sogar wenn er in denkbar schlechter Form ist», erklärte Wes Anderson, der ihm die Hauptrolle in seinem Film «The Royal Tenenbaums» (2001) eigens auf den Leib geschrieben hatte – ein später vielgelobter Traum-Part, den Hackman zuerst aber nicht übernehmen wollte: Der kantige Patriarch wider Willen war ihm zu nah am eigenen Leben. Das Honorar für den Film dagegen erschien ihm unrealistisch niedrig.

Gene Hackman war ein pragmatischer Mann, der es gewohnt war, sein Leben in die Hand zu nehmen. Das war seinen Rollen anzumerken und auch seiner konsequent umgesetzten Entscheidung, die Schauspielerei Anfang der 2000er Jahre aufzugeben. 2004 drehte er seinen letzten Film, und 2008 bestätigte er seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft noch einmal öffentlich. Er habe gehen wollen, solange er gut gewesen sei, sagte er klarsichtig und uneitel: «Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.»

Gene Hackman verbrachte sein Arbeitsleben im ständigen Wechsel von einem Film zur nächsten, von einem Drehort zum anderen. Privat war der zweifache Oscar-Preisträger ebenso ruhelos. Er zog regelmässig um und gestaltete jedes Haus vollkommen neu. «Keine Ahnung, was mit mir nicht stimmt», kommentierte er. «Ich schätze, mir gefällt der Entstehungsprozess, und wenn es vorbei ist, ist es vorbei.»

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