Bei einem Luftangriff wird unter anderen der Chef der Hamas in Libanon getötet – dieser war Angestellter des Palästinenserhilfswerks UNRWA. Derweil verdichten sich die Anzeichen, dass sich Israel auf eine Bodenoffensive in Südlibanon einstellt.
Die Tötung des Hizbullah-Chefs Hassan Nasrallah am Freitagabend war der vorläufige Höhepunkt von Israels derzeitigem Blitzfeldzug gegen die Schiitenmiliz. Seither ist im Nahen Osten keineswegs Ruhe eingekehrt – Israel setzt die Schläge gegen seine Feinde unvermindert fort. Umgehend folgten weitere Luftangriffe auf Beirut. Am Sonntag wurde bekannt, dass auch Nabil Kaouk, ein hochrangiges Mitglied des Zentralrats der Miliz, getötet wurde.
Israels Angriffe beschränkten sich allerdings keineswegs auf Libanon. Am Sonntagabend bombardierten israelische Kampfjets auch einen vom Huthi-Regime kontrollierten Hafen sowie mehrere Kraftwerke im rund 2000 Kilometer entfernten Jemen. Es war der zweite israelische Angriff auf Stellungen der Miliz nach dem massiven Vergeltungsschlag am 20. Juli im Hafen von al-Hudaida. Zuvor hatten die Huthi allein im September drei ballistische Raketen auf Israel abgefeuert.
Der Angriff auf Jemen vom Sonntag war dabei mehr als nur ein Vergeltungsschlag – er war auch ein Warnsignal an Iran und die von Teheran geführte «Achse des Widerstands», zu der sowohl die Huthi als auch der Hizbullah und die Hamas gehören. Die Nachricht, die der jüdische Staat aussenden will, ist klar: Wagt es nicht, zurückzuschlagen – wir können euch überall erreichen. Im iranischen Regime ist derweil laut Medienberichten ein Streit darüber ausgebrochen, wie und ob man überhaupt auf die jüngsten Rückschläge reagieren soll. So warnt angeblich Irans neuer Präsident Masud Pezeshkian vor den verheerenden Folgen eines möglichen regionalen Kriegs.
UNRWA-Lehrer und Hamas-Chef
In der Nacht auf Montag sorgte zudem ein weiterer israelischer Angriff auf Südlibanon für Aufsehen. Dabei wurde ein Mann namens Fateh al-Sharif getötet. Sowohl die israelische Armee wie auch die Hamas verkündeten am Montag, dass dieser der Chef des libanesischen Ablegers der palästinensischen Terrororganisation gewesen sei. Doch damit nicht genug: Kurz darauf stellte sich heraus, dass Sharif ein Angestellter des Palästinenserhilfswerks UNRWA war, wie die Uno-Organisation selbst bestätigte.
Der Hamas-Chef war offenbar als Lehrer in einer UNRWA-Schule für Palästinenser in Südlibanon tätig gewesen. Allerdings hatte das Hilfswerk Sharif schon im März suspendiert, um seine möglichen Verbindungen zur Hamas zu untersuchen. Dennoch stellt sich ein weiteres Mal die Frage, ob die Kontrollmechanismen der UNRWA nicht viel zu lasch sind.
Schon im August war eine interne Untersuchung zum Schluss gekommen, dass sich mehrere, inzwischen entlassene UNRWA-Angestellte im Gazastreifen wohl am Hamas-Massaker vom 7. Oktober beteiligt hatten. Seit langem wirft Israel der UNRWA vor, eng mit der Hamas verstrickt zu sein.
Israelische Spezialkräfte in Libanon
Während Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza und andernorts andauert, hat sich Israels Fokus aber eindeutig auf Libanon und den Hizbullah verschoben. Die massiven Angriffe der vergangenen Tage dürften nicht das Ende des Kampfs gegen die Schiitenmiliz gewesen sein. Diese ist zwar geschwächt, stellt aber nach wie vor eine Bedrohung für Israel dar. Bei einem Truppenbesuch im Norden sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant am Montag, die Tötung von Nasrallah sei ein wichtiger Schritt, aber «nicht alles» gewesen: «Wir werden alle Fähigkeiten nutzen, die wir haben.»
Beobachter in Israel interpretieren Gallants Aussage als weiteren Hinweis für eine bevorstehende Bodenoffensive Israels in Südlibanon. Zudem sind laut mehreren Medienberichten in den vergangenen Tagen israelische Spezialeinheiten kurzzeitig über die Grenze vorgedrungen, um eine mögliche Offensive vorzubereiten und Informationen zu sammeln.
Am Montag äusserte sich erstmals seit Nasrallahs Tod ein Hizbullah-Funktionär offiziell zu den jüngsten Rückschlägen der Miliz. «Wir werden nicht von unserem Standpunkt abrücken», sagte der stellvertretende Hizbullah-Chef Naim Kassem. «Die Widerstandskräfte sind bereit für einen Bodenkampf.»