Erstmals hat die Wettbewerbskommission (Weko) geprüft, ob ein Unternehmen seine relative Marktmacht missbrauche. Der Entscheid zeigt, dass man vom neuen Instrument keine Wunder erwarten darf.

Die Hochpreisinsel Schweiz sorgt immer wieder für Unmut. Die Preise sind hierzulande für viele Güter und Dienstleistungen höher als im benachbarten Ausland. Vor einigen Jahren beschloss das Parlament – aufgeschreckt durch eine Volksinitiative –, etwas dagegen zu unternehmen.

Es verabschiedete eine Änderung im Kartellgesetz. Das Ziel: Ausländische Firmen sollen ihre Abnehmer in der Schweiz nicht mehr «abzocken» dürfen, indem sie etwa überhöhte Preise verlangen. Die Regeln gelten auch zwischen Firmen innerhalb der Schweiz.

Neue Regeln zur relativen Marktmacht

Seit Anfang 2022 sind die Bestimmungen zu sogenannten relativen Marktmacht in Kraft. Sie sind eine Neuerung in der Wettbewerbspolitik: Es geht nicht mehr um den Schutz des Wettbewerbs, sondern um den Schutz einzelner Marktteilnehmer. Konkret können sich Firmen an die Wettbewerbskommission (Weko) wenden, wenn sie denken, dass sie von einem Lieferanten oder Abnehmer benachteiligt werden. Als relativ marktmächtig gilt ein Unternehmen, wenn der Geschäftspartner von ihm «abhängig» ist, also keine zumutbare Ausweichmöglichkeit hat.

Ein Anwendungsfall sind Schweiz-Zuschläge – also, wenn ein potenter ausländische Zulieferer von seinen Abnehmern in der Schweiz möglicherweise überhöhte Preise verlangt. Es ist aber auch eine innerschweizerische Diskussion entstanden, ob die beiden Grossverteiler Migros und Coop gegenüber ihren Lieferanten möglicherweise relativ marktmächtig sind und diese Stellung missbrauchen.

Präzedenzfall im Gesundheitswesen

Die Weko hat nun erstmals einen Entscheid zur Frage der relativen Marktmacht gefällt. Konkret geht es um einen Fall im Gesundheitswesen. Als Kläger agierte der Grosshändler Galexis, der zur Galenica-Gruppe gehört. Er kauft bei Unternehmen im In- und Ausland Medikamente und Gesundheitsprodukte ein und vertreibt diese in der Schweiz.

Galexis störte sich am Verhalten der deutschen Firma Fresenius Kabi, einem führenden Hersteller von Trink- und Sondennahrung, die vor allem zur Ernährung von Patienten in Spitälern eingesetzt wird. Fresenius habe es Galexis verweigert, diese Produkte zu günstigen Konditionen im Ausland einzukaufen, lautete der Vorwurf. Die Weko hatte zu prüfen, ob Fresenius gegenüber Galexis relativ marktmächtig ist und diese Stellung womöglich missbraucht.

Die Wettbewerbshüter haben nun beides verneint. Zum einen sei Galexis nicht von Fresenius Kabi abhängig, stellten sie fest. Zwar könne der Grosshändler nur beschränkt auf Trinknahrung anderer Hersteller ausweichen. Aber grundsätzlich gebe es diese Option sowie die Möglichkeit, ganz auf den Verkauf der Produkte zu verzichten. Laut der Weko würde Galexis durch die Auflösung der Lieferbeziehung zwar gewisse Umsatz- und Gewinneinbussen erleiden. Aber diese wären gering und damit zumutbar.

Zum andern stellte die Weko keinen Missbrauch fest. Selbst wenn Fresenius Kabi relativ marktmächtig wäre, hätte sich die Firma wohl nicht missbräuchlich verhalten. Denn die ausländischen Konditionen für die Lieferung der fraglichen Produkte sind laut der Weko nur geringfügig besser als in der Schweiz.

Hohe Preise wegen Abschottung

Der erste Weko-Entscheid zum Thema zeigt, dass man von den neuen Regeln zur relativen Marktmacht nicht zu viel erwarten darf. Es reicht nicht, wenn ein Unternehmen ein wichtiges Produkt liefert. Die Abhängigkeit des Abnehmers muss so gross sein, dass das Ende der Geschäftsbeziehung faktisch die Existenz infrage stellen würde. Zudem waren im vorliegenden Fall die Preisunterschiede zwischen der Schweiz und der EU nicht gross.

Kritiker der neuen Regeln hatten stets moniert, dass die Gründe für die Hochpreisinsel vor allem in der Schweiz selbst liegen würden. Tatsächlich finden sich die grössten Preisdifferenzen zum umliegenden Ausland in abgeschotteten Bereichen des Binnenmarkts, etwa bei Lebensmitteln, der Energieversorgung oder dem Bausektor.

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