Die Künstliche Intelligenz hat einen Bauboom bei Rechenzentren ausgelöst. Wer diese Gebäude errichten kann, steht vor einer Auftragsflut. International gilt der deutsche Baukonzern Hochtief als Spezialist dafür.

Northern Virginia hat im Vergleich zum Silicon Valley tatsächlich die Nase vorn. Zumindest wenn es um die Zahl der Rechenzentren geht. Sie sind die digitalen Knotenpunkte im weltweiten Netz, die mit viel Rechenleistung grosse Themen wie künstliche Intelligenz (KI) oder Big Data erst möglich machen.

Inzwischen nimmt sich die ganze Welt Northern Virginia zum Vorbild und baut solche Zentren. Zu den Profiteuren dieser Entwicklung könnten auch Unternehmen wie die deutsche Hochtief gehören. Seit Februar 2023 laufen die Aktien dem MDax davon.

Der Trend hinter dem Trend

Die Zukunft arbeitet mit Daten: KI zum Beispiel, aber auch Big Data, also Massen von zum Teil wenig strukturierten Daten, etwa von Patienten. 2017 wurden weltweit Daten im Umfang von 26 Zettabyte produziert. 2027 sollen es über 284 sein; eine 284 mit 21 Nullen. Und so soll es weitergehen. Es braucht also Speicher und Rechenleistung – und damit Rechenzentren voller Computer. Und diese sind knapp

Entsprechend hat die Bautätigkeit zuletzt deutlich zugenommen – etwas versteckt hinter dem Hype um KI-taugliche Computerchips.

Diese Entwicklung ruft auch Investoren wie PGIM Private Alternatives auf den Plan, die ihren Kunden Anlagen abseits der kotierten Unternehmen bietet und unter anderem mehr als 200 Mrd. $ in Immobilien verwaltet. Für Präsident und CEO Eric Adler ist klar: «Wir möchten unser Geschäft mit Rechenzentren ausbauen.» Seit zwölf Jahren ist der Vermögensverwalter in diesem Bereich aktiv, hat aber den Fokus weg von lokalen Zentren für viele Mieter verändert. «Jetzt bauen wir Rechenzentren für Hyperscaler, die wir oft an einen Kunden vermieten, meist KI- und Cloud-Anbieter wie Oracle, Microsoft, Amazon Web Services, Google oder Meta.» Die Zahl der Hyperscaler-Zentren hat sich in vier Jahren auf über tausend weltweit verdoppelt. «Es fällt schwer, nicht an diesen Trend zu glauben», sagt Adler.

Eine solche Entwicklung ist auch ein Anlegerthema. The Market hatte zum Boom der Rechenzentren bereits im Mai eine Analyse geliefert. Doch nicht nur Tech-Aktien und Energieversorger profitieren. Stefan Hartmann ist Analyst beim Digital Leaders Funds und sagt: «Für uns geht es darum, nicht nur auf offenkundige Profiteure des grossen KI-Trends zu schauen, sondern auch auf jene Unternehmen, die auf den ersten Blick nicht auffallen.» Zum Beispiel, weil sie Beton statt Hochleistungschips verarbeiten. Denn moderne Gebäude müssen erst einmal gebaut werden – von Bauunternehmen.

US-Bank adelt Hochtief als Bauunternehmen der Wahl

Einen Blick wert ist der deutsche Marktführer Hochtief. Die Investmentbank Jefferies hat das Unternehmen Ende Juni von «Halten» auf «Kaufen» hochgestuft. Die Begründung: Hochtief sei führend im Bau von Rechenzentren. Rund 10% des Auftragsbestands von Hochtief seien bereits Rechenzentrumsprojekte. Das sei mehr als bei den Branchenrivalen Skanska und Balfour Beatty. Hochtief selbst gibt an, allein in den USA tausend Spezialisten für das Geschäft mit Rechenzentren zu beschäftigen.

Rechenzentren seien relativ risikoarme Projekte, konstatiert Jefferies-Analyst Graham Hunt, doch es gebe hohe Markteintrittsbarrieren wegen der Projektgrösse, dem nötigen Kundenvertrauen und dem Zugang zur Lieferkette. Er erwartet, dass die in diesem Bereich erfahrenen Baufirmen als Marktführer einen übergrossen Anteil des Geschäfts erobern würden. Allen voran: Hochtief.

Am Tag der Veröffentlichung der Jefferies-Studie stieg der Aktienkurs von Hochtief rund 7%. Seit Februar 2023 hat sich der Kurs bereits fast verdoppelt.

Bausteine des Erfolgs

Um im Wachstumsmarkt der Rechenzentren erfolgreich zu sein, sind verschiedene Faktoren wichtig. Hochtief hat viele davon auf seiner Seite. Grundvoraussetzung ist eine globale Aufstellung. Rechenzentren gibt es zwar überall auf der Welt, aber derzeit vor allem in den USA. Ein Vorteil für Bauunternehmen, die nicht erst den Markt erschliessen müssen. Hochtief ist weltweit tätig und erwirtschaftet 65% seines Umsatzes in den USA.

Weil die Nachfrage gerade nach Hochleistungsrechenzentren wächst, steigen auch die Kosten für solche Projekte. Jefferies beobachtet zunehmend Projekte mit einem Gesamtwert von mehr als 1 Mrd. $. Davon profitieren die grossen Wettbewerber, die solche Projekte sowohl personell als auch finanziell stemmen können.

«Rechenzentren sind zwar keine Raketenwissenschaft», sagt Christian Zilien, Produktspezialist des Allianz Thematica, der in Themen wie digitale Infrastruktur investiert. «Aber sie sind ein Skalengeschäft – das Ganze ist sehr kapitalintensiv.» Das schränke die Zahl der Unternehmen ein, die sich beteiligen können, führt aber zu einer Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten entlang der Wertschöpfungskette.

Auch entlang der Wertschöpfungskette ist Hochtief gut aufgestellt, etwa bei der Versorgung mit Nickel und Lithium. Beides ist für den Bau der Zentren notwendig – und durch die Beteiligung am Bergbau-Dienstleister Thiess gesichert.

Damit einhergehen sollte bei den Bauunternehmen ein gewisses Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, auch schwache Phasen eines Immobilienmarktes aussitzen zu können. Ein ausreichender Auftragsbestand hilft dabei. Hochtief konnte im ersten Quartal über alle Sparten hinweg ein 25% höheres Auftragsvolumen als im Vorjahr vermelden, das Ende März bei 10,5 Mrd. € lag. Das ist mehr als ein Drittel des Jahresumsatzes 2023 von 28 Mrd. €. Im ersten Quartal 2023 lag der Umsatz noch bei 6,2 Mrd. €.

Unter den neuen Aufträgen sind auch solche für Rechenzentren, ein Bereich in dem Hochtief aber bereits seit zehn Jahren aktiv ist. So gab das Unternehmen im ersten Quartal bekannt, dass seine US-Tochter Turner für den Technologiekonzern Meta ein Rechenzentrum im US-Bundesstaat Indiana bauen wird. Auftragsvolumen: 800 Mio. $.

Zwar ist die Stimmung in der Bauwirtschaft – auch angesichts der Leitzinsen – bestenfalls verhalten. Doch das gilt nicht überall. Martin Moryson ist Chefvolkswirt Europa der DWS und stellt fest: «In Deutschland gibt es einen grossen Nachholbedarf bei der digitalen Infrastruktur.» Das bedeutet für ihn: «All diese Investitionen sind, da sie entweder gesetzlich vorgeschrieben oder staatlich finanziert sind, weniger zinssensitiv als ‹normale› Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen der Unternehmen und sollten daher zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen.»

Gut aufgestellt, gut angelegt?

Nur weil ein Unternehmen gut aufgestellt ist, ist es noch lange keine gute Anlageidee. Was bekommen Anleger, wenn sie Hochtief-Aktien kaufen? Ein wachsendes Unternehmen: 2020 erwirtschaftete Hochtief 22,9 Mrd. €, 2026 sollen es fast 34,5 Mrd. € sein, so die Konsensschätzung der Analysten.

Auch die Entwicklung des Ebitda, also des operativen Gewinns Abschreibungen und Amortisationen, weist in die richtige Richtung. Die entsprechende Marge lag 2023 bei 2,7%. Für die Jahre 2024, 2025 und 2026 rechnen die Analysten mit jeweils über 4%. Das ist im Vergleich zu anderen Branchen nicht gerade euphorisierend, aber branchentypisch. Zum Vergleich: Balfour Beatty, ein britisches Bauunternehmen mit schwächerem Fokus auf Rechenzentren, kommt 2023 auf eine Ebitda-Marge von 2,3%.

2023 gebot Hochtief über eine Nettocashposition von mehr als 280 Mio. €. Das verschafft dem Unternehmen finanziellen Spielraum, etwa für die Ausschüttung von Dividenden. Die aktuelle Rendite des deutschen Konzerns liegt bei 4,1%, jene für Balfour Beatty bei 3,1%.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) basierend auf dem geschätzten Gewinn für die kommenden zwölf Monate beträgt derzeit rund 13. Vor zehn Jahren lag diese Bewertungskennzahl noch bei mehr als 16.

Unternehmen wie Balfour Beatty sind mit einem KGV von rund 11 etwas niedriger bewertet, bieten aber nicht den gleichen Zugang zu Hightech-Infrastrukturprojekten. Genau hier lockt die attraktive Mischung aus relativ geringem Risiko und höherer Marge. Hochtief hat eine attraktive Position im Wachstumsmarkt Rechenzentren, die vom Markt noch nicht vollständig eingepreist ist.

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