Donnerstag, September 19

Schon am Sonntag vor einer Woche deuteten Wetterprognosen darauf hin, dass sich in Österreich, Tschechien und Polen ein grosses Unwetter anbahnte. Das Potenzial zur Vorbereitung sollte noch stärker ausgeschöpft werden, zumal solche Wetterextreme heftiger werden.

Dörfer, die in den Fluten versinken, Staudämme, die überlaufen, Strassen und Bahnstrecken, die unterbrochen sind: Die Menschen in Teilen von Österreich, Tschechien und Polen kämpfen derzeit mit den Folgen heftiger Überschwemmungen, die in diesem Ausmass nur sehr selten auftreten.

Fachleute konnten die Unwetter in Mitteleuropa sehr früh vorhersagen. Die Wettervorhersagen sind in den vergangenen Jahrzehnten immer präziser geworden und bieten daher in solchen Fällen inzwischen sehr weitreichende Möglichkeiten zur Warnung der Bevölkerung und zur Vorbereitung. Vielerorts haben sich die Gemeinden gut vorbereitet – so gut, wie sie konnten. Sandsäcke wurden verteilt und Krisenstäbe eingerichtet. Doch mancherorts hätte die lange Vorwarnzeit noch effektiver genutzt werden können.

Bereits eine Woche zuvor war zu erkennen, was sich anbahnte

Das Zentrum mit den genauesten Prognosen für mehrere Tage ist das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage mit dem Hauptsitz im englischen Reading. Schon die Vorhersage vom Sonntag, dem 8. September, zeigte klar das Potenzial für die enormen Niederschläge, die eine Woche später über Mitteleuropa niedergehen sollten. Die Art des kommenden Unwetters – ein sogenanntes Vb-Tief – und seine Grössenordnung waren bereits erkennbar.

Die Region mit den stärksten Regenfällen konnte damals zwar noch nicht exakt angegeben werden – diese lag letztlich hundert Kilometer weiter östlich als in der Vorhersage. Doch dass die Gefahr eines aussergewöhnlichen Unwetters bestand, das war offensichtlich.

In den Tagen danach verdichteten sich die Anzeichen rasch. Je weniger verschiedene Wettermodelle voneinander abweichen, desto mehr vertrauen die Fachleute deren Prognosen. Schon Mitte vergangener Woche konnten sie stark davon ausgehen, dass sich bestimmte Regionen in Österreich, Tschechien und Polen auf ein heftiges Unwetter und ein extremes Hochwasser an vielen Flüssen einstellen mussten.

Aus Stauseen wurde Wasser abgelassen

In der Folge wurden in den drei betroffenen Ländern vielerorts Veranstaltungen abgesagt – der für das Wochenende geplante Wachau-Marathon zum Beispiel. Ausserdem bereiteten sich viele Gemeinden auf die Folgen des starken Regens vor. Am Stausee Ottenstein in Niederösterreich begann man zum Beispiel Wasser abzulassen, um Platz für den Nachschub zu schaffen, der aus dem Fluss Kamp kommen würde. Die Österreichischen Bundesbahnen gaben eine Reisewarnung aus, beginnend am Freitag.

Die Nachrichtensendungen des ORF haben am Mittwoch und am Donnerstag über derartige Massnahmen berichtet. Die Wettervorhersage nahm sich allerdings recht verhalten aus. Eine noch klarere Warnung vor dem zu erwartenden Unwetter wäre an dieser Stelle möglich gewesen, ohne sich dem Vorwurf der Übertreibung auszusetzen.

Vorzeitig Wasser aus dem Stausee Ottenstein abzulassen, war gewiss sinnvoll. Weil der Stausee überzulaufen drohte, mussten am Sonntag allerdings die Hochwasserklappen geöffnet werden. Die Wassermassen, die daraufhin zu Tal stürzten, verschärften die Hochwasserlage am Unterlauf des Kamps, welcher in die Donau mündet. Hätte sich dies durch früheres Handeln vermeiden lassen? Fragen dieser Art wird man sich wohl auch in Polen und Tschechien stellen. Dort sind Staudämme übergelaufen oder sogar gebrochen.

Wien ist mit einem blauen Auge davongekommen. Nicht auszudenken, die Niederschläge wären am Wochenende auch oberhalb von tausend Metern Höhe durchweg als Regen gefallen und nicht als Schnee. Die Hochwasserwelle auf der Donau und ihren Nebenflüssen wäre dann sogar noch höher ausgefallen.

Noch ist nicht klar, welche Rolle der Klimawandel für das Unwetter gespielt hat. In Zukunft wird man aber immer öfter mit derartig extremen Niederschlägen rechnen müssen. Und ihre maximal mögliche Intensität nimmt zu. Pro ein Grad Erwärmung sind ungefähr sieben Prozent stärkere Niederschläge möglich – so lautet die Daumenregel. Ausserdem wird die Schneegrenze immer weiter in die Höhe klettern. Ergo werden in solchen Fällen immer grössere Wassermassen immer schneller ins Tal rauschen.

Auch aus diesen Gründen ist es so wichtig: Die grossen Möglichkeiten, welche die heutigen Wetterprognosen bieten, sollten noch effektiver zur Vorbereitung genutzt werden, als dies bis anhin getan wird.

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