Zinswende und hohe Inflation treiben die Kapitalmarktrenditen nach oben. Erste Banken zahlen bereits 4 Prozent Zinsen auf Einlagen bei Tagesgeldkonten. Doch damit lässt sich die Teuerung immer noch nicht voll ausgleichen. Was Anleger jetzt wissen sollten.
Für Anleger und Sparer hat sich der Finanzhimmel in den vergangenen Monaten aufgehellt. Durch die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich auch die Kapitalmarkt- und Sparzinsen erheblich nach oben verschoben. Seit Juli 2022 hat die EZB die Zinsen in der Euro-Zone um 4,5 Prozentpunkte erhöht. In dieser Woche stieg die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen, die als sicher gelten und in der Euro-Zone den Referenzwert darstellen, erstmals seit dem Jahr 2011 kurzzeitig wieder über 3 Prozent. In den Jahren zuvor war die Rendite dieser Anleihen sogar lange Zeit negativ gewesen.
Neuer Zinsschub an den Kapitalmärkten
Der jüngste Zinsschub am Kapitalmarkt war für Beobachter insofern überraschend, als die EZB an ihrer Ratssitzung Anfang September signalisiert hatte, dass sie im Oktober voraussichtlich keinen Zinsschritt vornehmen wird. Einige EZB-Ratsmitglieder sehen den Zinszyklus offenbar sogar als beendet an. Kapitalmarktzinsen werden jedoch nicht nur durch die Zinsentscheide einer Zentralbank beeinflusst, sondern durch zahlreiche andere Faktoren.
Dazu zählen etwa die Inflationserwartungen, die konjunkturelle Entwicklung, die Bonität und die Wirtschaftslage eines Landes oder Unternehmens, das generelle Risikoumfeld oder die Zinsentwicklung in anderen Währungsräumen. Gegenwärtig gehen Ökonomen davon aus, dass nicht zuletzt die steigenden Zinsen in den USA auch das Zinsniveau in Europa in einem gewissen Mass mit nach oben ziehen.
In den Vereinigten Staaten sind die Zinsen unter anderem deshalb gestiegen, weil sich der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust entwickelt und sich die Konjunktur nicht so stark abkühlt, wie es zur Dämpfung der auch in den USA hohen Inflation wünschenswert wäre. Zudem hat der Erdölpreis von Juli bis September ein Rally hingelegt, was inflationstreibend ist. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass Notenbanken das Zinsniveau länger als bisher an den Finanzmärkten erhofft auf einem hohen Niveau belassen oder sogar weiter steigern.
Der Zinsanstieg hat einerseits Folgen für andere Segmente der Finanzmärkte. So zeigten die Aktienindizes in den vergangenen zwei Monaten nach unten. Auch der Goldpreis ist deutlich gesunken. Das Edelmetall wirft keine Zinsen ab und ist im Vergleich mit Anleihen deshalb tendenziell unattraktiver geworden. Andererseits lockt das höhere Zinsniveau wieder die Zinsjäger an. Die ersten Banken bieten auf Tagesgeldkonten laut Vergleichsportalen wie Finanztip, Check24 oder Verivox inzwischen einen Zinssatz von 4 Prozent.
Tagesgeld-Ranglisten von Vergleichsportalen
Da die Inflation in Deutschland im September allerdings immer noch bei 4,3 Prozent (nach EU-Berechnungsmethode) beziehungsweise 4,5 Prozent (nach Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamtes) lag, sind die Realzinsen weiterhin negativ. Das bedeutet, dass Erspartes über die Zeit an Kaufkraft verliert.
Einige der Banknamen in den Ranglisten mit den jeweils höchsten Angeboten für Tagesgeld dürften vielen Menschen kaum bekannt sein. Im Ranking von Finanztip notieren auf den ersten drei Plätzen für eine Geldanlage von 20 000 Euro über sechs Monate die C24 Bank (eine Tochter der Check24-Gruppe), die schwedische TF Bank und Volkswagen Financial Services (eine Tochter des Autoherstellers Volkswagen). Erst danach folgen bekanntere Namen wie Consorsbank, Comdirect, Santander, ING oder Commerzbank.
Manche Angebote schaffen es jedoch gar nicht in die Listen der Vergleichsportale. So bietet beispielsweise der Neobroker Trade Republic auf dem Verrechnungskonto derzeit 4 Prozent Zinsen und die Direktbank DKB (eine Tochter der Bayerischen Landesbank) 3,5 Prozent. Finanztip empfiehlt jedoch nur Tagesgeldkonten, die bedingungslos kostenlos sind. Bei der DKB benötige man hingegen obligatorisch ein Girokonto, bei dem Kontoführungsgebühren anfallen würden, weswegen der Name nicht im Ranking erscheine.
Isländische Kaupthing als warnendes Beispiel
Zumindest im Hinterkopf behalten sollten Anleger stets, dass an den Finanzmärkten Rendite und Risiko stets miteinander einhergehen. Das gilt tendenziell auch für Tagesgeldkonten, wenngleich hier die deutsche Einlagensicherung ein wichtiger Schutzschirm ist. Als Beispiel mag dennoch ein Fall aus dem Sommer 2008 dienen. Damals bot die isländische Kaupthing Bank für ihren Eintritt in den Schweizer Markt deutlich über dem üblichen Niveau liegende Sparzinsen an. Das hing auch damit zusammen, dass die Risikoprämie an den Märkten für Kreditderivate für Kaupthing viel grösser war als bei anderen Banken.
So wurde damals bei sogenannten Kreditausfallversicherungen eine Risikoprämie von 500 Basispunkten verlangt, wogegen die Schweizer UBS auf 80 Basispunkte Risikoprämie kam. Solche Risikoprämien lassen sich auch in theoretische Ausfallwahrscheinlichkeiten für eine Bank umrechnen. Aus verschiedenen Gründen erachteten die Finanzmarktteilnehmer damals somit die isländische Bank als sehr viel riskanter als die UBS. Auch aus dieser Logik heraus müssen manche Banken höhere Zinsen bieten, um Privatanleger anzulocken.
Schon im Oktober 2008 musste Kaupthing dann tatsächlich Gläubigerschutz beantragen; die Konten von Sparern aus der Schweiz (und Deutschland, Österreich sowie Finnland) wurden gesperrt. Später musste dann allerdings auch die UBS im Rahmen der grossen Banken- und Finanzkrise 2008/09 staatlich gerettet werden. Grösse ist keine Garantie gegen Unbill.
Einlagensicherung bis 100 000 Euro
Laut dem Bundesverband für strukturierte Produkte bewegen sich die Risikoprämien für die meisten in Deutschland bekannten Grossbanken derzeit zwischen 50 und 130 Basispunkten, wobei die Deutsche Bank auf 124 Punkte und die ING-Bank auf 48 Punkte kommt. Wenn eine Bank oder ein Finanzinstitut jedoch keine Unternehmensanleihen herausgegeben hat, aus denen sich derlei Risikoprämien ableiten, kann dieses Risikomass nicht berechnet werden. Das gilt für zahlreiche Direkt- und Neobanken sowie Neobroker.
Im Fall der Fälle greift in Deutschland (sowie der gesamten EU) jedoch ohnehin die Einlagensicherung von 100 000 Euro pro Bank und Kunde. Bis zu dieser Summe sind also auch Tages- und Festgeldanlagen bei einer Insolvenz eines Instituts geschützt – der Ärger bis zur Rückerstattung der Gelder bleibt den Kunden jedoch nicht erspart.
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