Ein «Sicherheitsprozent» der Mehrwertsteuer soll helfen, die Finanzierungsprobleme zu lösen. Der Vorschlag hat Chancen, weil er aus der Mitte kommt und auch Freisinnige mitmachen. Er klingt nach Kuhhandel, ist aber keiner.

Nach dem Deal ist vor dem Deal. Eben erst hat der Ständerat einen spektakulären 15-Milliarden-Deal versenkt. Es war ein klassischer Kuhhandel, zehn Milliarden Franken waren für die Armee vorgesehen, fünf Milliarden für die Unterstützung der Ukraine. Hinter dem Vorschlag stand eine Mitte-links-Allianz. Gescheitert ist sie vor allem, weil sie die Schuldenbremse aushebeln wollte.

Nun, eine gute Woche später, liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, der nicht weniger spektakulär ist, aber deutlich bessere Chancen hat. Der Vorstoss stammt just aus den Kreisen, die den ersten Deal verhindert haben. Eingereicht hat ihn einer der schärfsten Kritiker, der Mitte-Ständerat Benedikt Würth. Er wird unterstützt von weiteren namhaften Ständeräten, nicht nur aus der Mitte-Partei, sondern auch aus der FDP. Mit Daniel Jositsch ist sogar ein Sozialdemokrat an Bord. Alles in allem stehen dahinter Kreise rund um die Mitte-Ständeräte, die in Bern in grossen Fragen oft die Richtung weisen.

Beim «Würth-Plan» handelt es sich erneut um einen Deal – um einen 18-Milliarden-Deal sogar. Und er zielt ebenfalls darauf ab, das Armeebudget stärker zu erhöhen als bisher geplant. Damit hat es sich aber mit den Gemeinsamkeiten. Darüber hinaus gibt es entscheidende Unterschiede. Erstens hält der neue Plan die Schuldenbremse ein, er sieht keine ausserordentlichen Ausgaben vor.

Zweitens ist die Hilfe für die Ukraine nicht mehr Teil des Pakets. Stattdessen kombiniert Würth das Armeebudget mit einem anderen grossen Streitthema: mit der AHV. Konkret schlägt er eine Finanzierung für die vom Volk beschlossene 13. Rente vor, die allerdings deutlich kleiner ausfällt als gemäss dem Plan des Bundesrats. Somit würde das Sozialwerk vorübergehend grössere Defizite schreiben.

Volk kann separat abstimmen

Drittens klingt der neue Deal verdächtig nach einem Kuhhandel, ist aber keiner. Explizit hält Würth fest, dass der Bundesrat die beiden Themen – die Armee und die AHV – in separaten Vorlagen angehen soll, die rechtlich nicht verknüpft sind. Somit kann das Parlament die beiden Fragen zwar gemeinsam behandeln, das Stimmvolk wird aber nicht daran gehindert, an der Urne separat und differenziert darüber zu entscheiden.

Viertens und letztens gibt es einen schmerzhaften Teil: Der neue Vorschlag umfasst eine beträchtliche Steuererhöhung. Würth betont, er mache das nicht leichtfertig. «Aber angesichts der strukturellen Defizite ist es völlig unrealistisch, die höheren Ausgaben für die AHV und die Armee ganz ohne Mehreinnahmen zu finanzieren.» So schlagen Würth und seine Mitstreiter vor, die Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt zu erhöhen (0,6 für die AHV und 0,4 für die Armee). Der Normalsatz würde somit von heute 8,1 auf 9,1 Prozent steigen. Die Konsumenten würde dies pro Jahr etwa 3,5 Milliarden Franken kosten.

Würth hat sich auch schon einen marketingtechnisch ausgefeilten Namen einfallen lassen: Er spricht von einem «Sicherheitsprozent» – von einer Steuererhöhung, die zugleich die Landesverteidigung und die Renten sichern soll. Zumindest für ein paar Jahre.

Sparen, aber nicht nur

Denn ein Punkt ist ihm wichtig: Die Steuererhöhung soll «nur» befristet sein – nach fünf Jahre würde sie wieder auslaufen. Solche Übungen gehen oft schief, doch weil es hier um die Mehrwertsteuer geht, lässt sich die Befristung relativ gut durchsetzen. Die Sätze der Mehrwertsteuer sind in der Verfassung festgeschrieben.

Das hat gleich zwei Vorteile: Jede Erhöhung, ob unbefristet oder nicht, zieht automatisch eine obligatorische Volksabstimmung nach sich. Somit lässt sich das ganze Prozedere schneller durchziehen, weil keine Referendumsfrist abgewartet werden muss. Das ist in diesem Fall nicht unwichtig, weil sowohl die Armee als auch die AHV das Geld rasch benötigen. Würth möchte die Steuererhöhung sogar schon auf 2026 umsetzen, das Volk müsste also 2025 entscheiden.

Der zweite Vorteil kommt später zum Tragen: Weil die vorgesehene Befristung ebenfalls in der Verfassung verankert würde, liesse sie sich nicht so leicht aushebeln. Für eine Verlängerung wäre erneut eine Volksabstimmung nötig. Dieses Vorgehen war bereits einmal erfolgreich, eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer für die IV ist 2017 planmässig ausgelaufen.

Spannend ist die Gesamtbilanz: Die Finanzierungslücken haben ein enormes Ausmass erreicht. Bereits ohne 13. AHV und die stärkere Erhöhung des Armeebudgets fehlen beim Bund in den nächsten Jahren je drei bis vier Milliarden Franken. Für die 13. Rente muss die AHV vier bis fünf Milliarden jährlich mehr ausgeben, von den bestehenden Lücken ganz zu schweigen. Und obendrein wollen die bürgerlichen Parteien die Ausgaben für die Armee kumuliert bis 2035 nicht bloss um 20 Milliarden aufstocken, sondern um 30 Milliarden.

Bewegung bei der FDP

Mit dem neuen Vorschlag müsste immer noch der Grossteil der Probleme mit Einsparungen und Kürzungen in anderen Bereichen behoben werden. «Wir wollen realistische Vorgaben machen, ohne den Spardruck zu stark zu reduzieren», sagt Benedikt Würth. Nach seinem Plan sollen die strukturellen Defizite prioritär über Einsparungen kompensiert werden. Hier setzt er auf die externe Expertengruppe um den früheren Chef der Finanzverwaltung, Serge Gaillard, die im Auftrag des Bundesrats Sparmöglichkeiten auslotet.

Bei der Armee würden trotz Steuererhöhung immer noch etwa zwei Milliarden fehlen, um das Ziel der bürgerlichen Parteien zu erreichen. Hier wären weitere Kürzungen nötig. Offen bliebe auch, wie es bei der Armee weitergeht, wenn die befristete Steuererhöhung ausläuft.

Bei der AHV hingegen ist die Sache klarer: Hier muss der Bundesrat ohnehin spätestens 2026 eine neue Reform vorlegen, um die Finanzierung der Renten ab 2030 sicherzustellen. Ohne erneute Mehreinnahmen wird das kaum gehen, weil die Ausgaben der AHV massiv steigen. Daneben soll die nächste Reform aber auch strukturelle Elemente umfassen, vor allem eine Erhöhung des Rentenalters.

Fazit: Der neue Deal wäre ein erster Schritt – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob er gelingt, hängt primär von FDP und SVP ab. Beide haben Steuererhöhungen bisher ausgeschlossen. Zumindest aus der FDP sind aber vermehrt kompromissbereite Stimmen zu hören, die sich eine temporäre Erhöhung der Mehrwertsteuer vorstellen können. Die Fraktion führte am Dienstag eine Aussprache zur Finanzlage.

Präsident Thierry Burkart fasst die Position so zusammen: «Wir wollen zuerst sehen, dass wirklich gespart wird, bevor wir bereit sind, über eine Steuererhöhung zu reden.» Langsam scheint Bewegung in die Sache zu kommen.

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