Montag, Oktober 14

Endlich schien im Streit um die Armeeausgaben ein Durchbruch in Reichweite. Doch so schnell geht es nicht. Nur wenige im bürgerlichen Lager glauben, dass das Volk für die Armee höhere Steuern bezahlen will.

Manche möchten bereits die Friedenspfeife schmauchen. Nach einem ermüdenden Hickhack zeichnet sich im Streit um das Armeebudget, der Bundesbern seit zweieinhalb Jahren beschäftigt, eine Einigung ab. So hat es zumindest Ende vergangener Woche ausgesehen. Nach erneuter Debatte über den Zahlungsrahmen der Armee bis 2028 hat die Sicherheitskommission des Ständerats einen neuen Plan beschlossen – und zwar, man höre und staune, einstimmig.

Die Details liess sie zwar offen, einen wichtigen Eckwert aber hat sie scheinbar klar festgehalten: Damit das Armeebudget so schnell und stark erhöht werden könne wie vorgesehen, bestehe «sowohl ausgaben- als auch einnahmenseitig Handlungsbedarf».

Was technisch klingt, ist brisant: «Einnahmenseitiger Handlungsbedarf» – das ist in diesem Fall nur ein schöneres Wort für Steuererhöhung. Man will zugunsten der Armee nicht nur Ausgaben in anderen Bereichen kürzen, sondern auch mehr Geld eintreiben. Konkret liegt dieser Vorschlag auf dem Tisch: Das Parlament soll die Mehrwertsteuer zweckgebunden für die Landesverteidigung um 0,4 Prozentpunkte oder 1,5 Milliarden Franken pro Jahr erhöhen. Die Kommission kam zum Schluss, dieser Schritt müsse jetzt «geprüft werden». Und dies einstimmig – also mit Zustimmung der SVP- und FDP-Vertreter, deren Parteien sich bis jetzt klar gegen eine Steuererhöhung aussprechen.

Ist das nun der erste Schritt zum ersehnten Kompromiss? Bisher konnten sich SVP, FDP und Mitte zwar darauf einigen, dass die Armee in den Jahren 2025 bis 2028 rund 7 Milliarden Franken oder fast ein Drittel mehr erhalten soll als in der Periode 2021 bis 2024 (29,8 statt 22,6 Milliarden Franken). Aber sie haben keinen mehrheitsfähigen Plan für die Gegenfinanzierung. SVP und FDP wollen alles über Einsparungen kompensieren, die Mitte macht da nicht mit. In dieser Lage erschien der Beschluss der Ständeratskommission in seiner verheissungsvollen Einstimmigkeit wie ein Durchbruch.

Signale aus der Bevölkerung

Doch er ist es nicht. Nicht alle, die an der Sitzung dabei waren, legen den Entscheid gleich aus – und das ist selten ein gutes Zeichen. Der SVP-Ständerat Werner Salzmann distanziert sich auf Nachfrage von der offiziellen Kommunikation der Kommission. «Für mich kommt eine Steuererhöhung heute ganz sicher nicht infrage», sagt er. Das Parlament müsse jetzt ausschliesslich bei den Ausgaben ansetzen, damit das Budget der Armee stärker erhöht werden könne. Zudem würde eine Steuererhöhung erst in zwei bis drei Jahren Wirkung entfalten, weil zuerst das Volk darüber abstimmen müsste, ergänzt Salzmann.

Auch der FDP-Ständerat Josef Dittli, ebenfalls Mitglied der Kommission, geht auf Abstand: «Das war in keiner Weise ein Vorentscheid für eine Steuererhöhung. Jetzt müssen wir erst einmal richtig anfangen zu sparen – danach schauen wir weiter.» Dittli verhehlt nicht, dass er persönlich eine Steuererhöhung unterstützen würde, falls es nicht anders möglich sei, den Wiederaufbau der Armee rasch genug zu realisieren.

Aber nachdem er vergangene Woche in dieser Sache einen prominenten Auftritt in den CH-Media-Zeitungen hatte, sagt er nun: «Spätestens nach den Rückmeldungen, die ich in den letzten Tagen erhalten habe, ist auch mir bewusst, dass es anspruchsvoll wäre, die Bevölkerung davon zu überzeugen, höhere Steuern für die Armee zu bezahlen.»

Der SVP-Ständerat Salzmann wiederum verlangt eine Art Vorleistung des Parlaments. «Die Zitrone ist noch lange nicht ausgepresst.» Die Sparvorschläge des Bundesrats zeigten, dass es problemlos möglich sei, die Armee allein über Einsparungen zu finanzieren. «Wir müssen es nur machen, die bürgerlichen Parteien haben es selber in der Hand.» Die SVP sei bereit dazu. Wenn es auch die FDP und die Mitte ernst meinten mit ihren Bekenntnissen für die Landesverteidigung, sei eine Mehrheit im Parlament möglich.

«Den Leuten noch mehr Geld aus dem Sack ziehen»

Erst in einem zweiten Schritt ist Salzmann «allenfalls» bereit, über eine Steuererhöhung zu sprechen – und auch dies nur, falls das Parlament zuerst grössere Einsparungen beschliesse, diese aber nicht ausreichten, um den ganzen Bedarf der Armee zu finanzieren. «Wir können doch nicht einfach hingehen und den Leuten noch mehr Geld aus dem Sack ziehen, nur weil wir nicht in der Lage sind, zu sparen und Prioritäten zu setzen», sagt Salzmann. So habe eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Armee an der Urne keine Chance.

Entscheidend ist für ihn nun die Budgetdebatte im Dezember: Wenn das Parlament für die nächsten Jahre ernsthafte Einsparungen beschliesse, könne man im Frühling über höhere Steuern reden. Damit ist Oberst Salzmann – einer der gewichtigsten Fürsprecher der Armee im Bundeshaus – innerhalb der Partei aber nicht unbedingt in der Mehrheit.

Der Tenor in der SVP klingt anders: Eine Steuererhöhung für die Armee sei auch in einem zweiten Schritt keine Option. Stellvertretend sagt der Fraktionschef Thomas Aeschi: «Das kommt überhaupt nicht infrage, der Bund hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, also müssen wir auch dort ansetzen, und zwar nur dort.» Im Asylbereich, bei der Entwicklungszusammenarbeit, beim Bundespersonal, bei der Kultur: In diesen und anderen Bereichen will Aeschi die Ausgaben kürzen, um das Budget der Armee zu erhöhen. «FDP und Mitte müssen nun beweisen, was ihnen wichtiger ist: Entwicklungshilfe und Asyl – oder die Armee.»

Man kann das auch umdrehen: Was ist der SVP wichtiger – die Armee oder das Vermeiden einer Steuererhöhung? Aeschi antwortet grundsätzlich: Oberste Priorität in der Finanzpolitik habe die Einhaltung der Schuldenbremse. Dies sei aber nur möglich, wenn das Parlament endlich wieder lerne, einigermassen haushälterisch mit den Mitteln umzugehen. «Davon kann heute keine Rede sein, und wenn wir nun die Möglichkeit einer Steuererhöhung als Hintertürchen offenlassen, wird der ohnehin bescheidene Sparwille im Parlament vollends erlahmen.» Noch eines fügt Aeschi an: Er sei überzeugt, dass Volk und Stände eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – seien es nun die 0,4 Prozent für die Armee oder die ebenfalls diskutierten 0,6 Prozent für die AHV – deutlich verwerfen würden.

Kuhhandel mit der Linken?

Für die Armee bedeutet das, dass die Ungewissheit wohl noch lange anhält. Ohne die SVP dürfte eine Steuererhöhung schon im Parlament scheitern; die Linke erhöht zwar gern die Steuern, aber nicht für das Militär (es sei denn, die Bürgerlichen bieten wieder einmal Hand für einen Kuhhandel, was nicht auszuschliessen ist, zurzeit aber nicht zur Debatte steht). Gleichzeitig ist aber auch kein mehrheitsfähiger Plan in Sicht, um zugunsten der Armee Einsparungen im notwendigen Ausmass zu realisieren. So hält die Blockade an.

Die bürgerliche Mehrheit kann der Armee problemlos weiterhin massiv mehr Mittel versprechen. Immer dann aber, wenn es drauf ankommt – im Budget für das jeweils nächste Jahr –, muss sie zwingend die Schuldenbremse einhalten. Und dann wird es schwierig. Aus heutiger Sicht wäre es eine grosse Überraschung, wenn SVP, FDP und Mitte einen Weg finden würden, die Erhöhung des Armeebudgets im anvisierten Tempo durchzuziehen.

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