Donnerstag, Oktober 31

Die Nationalbank erzielt in den ersten neun Monaten einen Gewinn von 62,5 Milliarden Franken. Das verdankt sie einer ausserordentlichen Marktlage – und lässt eine Gewinnausschüttung an Bund und Kantone plötzlich wieder in Griffnähe rücken.

Noch Anfang Jahr schien die Ausgangslage klar: Alles deutete darauf hin, dass Bund und Kantone dieses Jahr erneut auf eine Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) würden verzichten müssen. Zu schwer wirkten die beiden verlustreichen Vorjahre nach, wobei vor allem der rekordhohe Bilanzverlust von 132 Milliarden Franken im Jahr 2022 zu einem Dahinschmelzen der SNB-Rückstellungen geführt hatte.

Ein aussergewöhnliches Anlagejahr

Ein in vielerlei Hinsicht höchst aussergewöhnliches Finanzjahr hat nun aber zu einer Neubeurteilung geführt. Plötzlich scheint es wieder möglich, dass die öffentliche Hand von einer Ausschüttung profitiert. Saldiert wird zwar Ende Jahr. Doch im bisherigen Jahresverlauf haben risikoreiche Anlagen ebenso an Wert gewonnen wie defensive Papiere, was den SNB-Gewinn unerwartet stark in die Höhe schnellen liess.

Nachdem die SNB schon im ersten Halbjahr einen Gewinn von 56,8 Milliarden Franken verbucht hat, kommen im dritten Quartal nochmals 5,7 Milliarden dazu. Für die ersten neun Monate ergibt dies einen Gewinn von beeindruckenden 62,5 Milliarden Franken. Hält der Trend an und klettert der Gewinn bis Ende Jahr auf über 65 Milliarden, würden die Ausschüttungsregeln eine Zahlung von 2 Milliarden Franken an Bund und Kantone erlauben; dies haben Ökonomen der UBS berechnet.

Die Wende erklärt sich mit dem Zusammentreffen verschiedener Umstände. So wurden die Bilanzwerte seit Jahresbeginn über diverse Kanäle in die Höhe gehievt. Ob Aktien, Anleihen oder Gold: Alles notierte im Plus. Hinzu kommt, dass der Franken (trotz Erstarkung im dritten Quartal) an Wert einbüsste, was dem Gewinn weiteren Schub verlieh. Denn verliert der Franken an Aussenwert, resultiert beim Umrechnen der Devisenanlagen in Franken ein höherer Betrag.

Gewinn deutlich über langfristigem Potenzial

Bei den Aktien führte die weltweit gute Börsenstimmung zu einem Kursgewinn von 27,9 Milliarden Franken nach neun Monaten. Weil gleichzeitig die Notenbanken ihre Leitzinsen jüngst stärker als erwartet senkten, fiel das Ergebnis auch bei den Anleihen um 6,7 Milliarden höher aus. Schliesslich profitierte das Gold als klassische Krisenanlage von der hohen geopolitischen Verunsicherung, weshalb die Bewertung des mengenmässig unveränderten Goldbestands um 16,6 Milliarden zulegte.

Dass sich Aktien, Staatsanleihen und Gold alle in die gleiche Richtung entwickeln und der Franken sich abschwächt, ist sehr ungewöhnlich. Gemäss den Ökonomen der UBS war eine solche Konstellation in den letzten zehn Jahren nie gegeben. Mit Blick auf die SNB-Bilanz erscheint es als glückliche Fügung und kann erklären, wieso das Ergebnis schon nach neun Monaten weit über dem jährlichen Gewinnpotenzial von schätzungsweise 10 bis 15 Milliarden Franken zu stehen kommt.

Obschon damit eine Gewinnausschüttung wieder in den Bereich des Möglichen rückt: Für Finanzpolitiker des Bundes und der Kantone gibt es keinen Grund zur Euphorie. Denn die Verunsicherungen rund um die US-Wahlen oder die angespannte Lage im Nahen Osten könnten in den kommenden Monaten dazu führen, dass der Franken aufgrund seines Rufs als «sicherer Hafen» viel Kapital anzieht. Die damit verbundene Erstarkung könnte den Bilanzgewinn rasch wieder schmelzen lassen.

5 Milliarden fliessen an die Banken

Was auffällt: Auf den Frankenpositionen erleidet die SNB im bisherigen Jahresverlauf einen Verlust von 6,2 Milliarden Franken. Der Grund sind nicht schlechte Anlageentscheide. Vielmehr erklärt sich der Grossteil davon, und zwar 5 Milliarden, mit der Verzinsung der Sichtguthaben, welche die Banken bei der SNB halten. Dieses Geld zahlt die SNB seit der Rückkehr zu positiven Leitzinsen, um den Leitzins am Geldmarkt durchzusetzen. Für die Banken ist das einfach verdientes Geld; für sie sind die verlustreichen Frankenpositionen daher eine gute Sache.

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