Freitag, Dezember 27

Der Zementkonzern trennt sich von Aktivitäten in Afrika und im Nahen Osten, und geht damit noch ein anderes Problem an. Ausserdem: 2024 ist gerade für einstige Schweizer Lieblingsaktien ein zähes Jahr, Barry Callebaut und die Artisan-Beteiligung und ein Wort zu Flughafen Zürich.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Es ist frustrierend. Links und rechts steigen die Börsen, es herrscht Euphorie – schon geradezu beunruhigende Euphorie, wie die Grafik der Woche meines Kollegen Sandro Rosa heute zeigt. Der breite Weltaktienindex von Bloomberg hat seit Jahresbeginn rund ein Fünftel an Wert gewonnen, selbst der europäische Stoxx 600 steht mehr als 8% im Plus. Der deutsche Dax erklomm gestern erstmals 20’000 Punkte.

Nur ein Markt steht scheinbar abseits: der Schweizer.

Immerhin, der SMI hat seit Jahresbeginn gut 5% zugelegt, werden Sie jetzt einwerfen. Und was ebenfalls stimmt: Dass unser Leitindex mit US-Börsen angesichts der defensiven Ausrichtung nicht mithalten kann, ist ja wirklich nicht verwunderlich. Doch in der Schweiz leidet gerade auch das Small- und Mid-Cap-Segment – und das nicht erst seit gestern. Der Index der mittelgrossen Werte SMIM notiert auf dem Niveau von vor der Pandemie, der SPI Small & Mid Cap hat in den vergangenen fünf Jahren zwar besser performt, kommt an das Niveau des sehr guten 2021 aber nicht mehr heran.

Keine einfache Ausgangslage für hiesige Fondsmanager, die Ungeduld einiger Kundengruppen steigt, wie ich höre. Was es für viele Profis nicht unbedingt einfacher macht: Unter Druck stehen insbesondere auch einstige Schweizer Darlings, Compounder wie Bossard oder Marktführer wie Interroll aber auch Sika bei den Blue Chips.

Ein weiteres Beispiel einer einst sehr beliebten Aktie ist Tecan. Das Management des Laborausrüsters hat mit seiner Kommunikation dieses Jahr gleich doppelt enttäuscht. Nach den überraschend schlechten Halbjahreszahlen im August konnte es auch beim Kapitalmarkttag im Oktober die Zweifel nicht ausräumen. Die Hauptkunden des Laborausrüsters, die grossen Pharma- und Biotechkonzerne, zeigen sich weiterhin sehr zögerlich mit Investitionen in automatisierte Laboranlagen. Hinzu kommt, dass die Kunden in China auf die Implementierung eines Stimulusprogramms der Regierung warten, bei dem es auch Projekte gibt, von denen auch die Schweizer profitieren könnten.

Noch mehr Anleger haben in der Zwischenzeit anscheinend die Geduld verloren, der Aktienkurs notiert bei etwas mehr als 200 Fr. und damit auf dem niedrigsten Stand seit fast sechs Jahren.

Ich habe bereits einige Male geschrieben, dass ich Tecan für ein sehr gut aufgestelltes Unternehmen halte. Der Bedarf an Laborausrüstung ist hoch und dürfte auch künftig strukturell wachsen, auch wenn die Pharma- und Biotechunternehmen mit Bestellungen zuletzt zurückhaltend waren. Gerade auch weil der Bereich durch die US-Gesundheitsbehörde FDA reguliert ist, sind die Kunden oftmals an ihre Zulieferer gebunden und dürften künftig wieder bei Tecan bestellen. Da scheint das gegenwärtige Kursniveau wie ein Schnäppchen.

Doch in den vergangenen Wochen bin auch ich zurückhaltender geworden, der Abwärtstrend hält sich hartnäckig. Mittlerweile warte ich auf ein Zeichen, dass die Aufträge tatsächlich anziehen und dass es sich um ein Problem des Timings und nicht um fundamentale Veränderungen in der Branche handelt, gerade mit Blick auf China bin ich mir noch nicht ganz sicher. Vertröstungen habe ich jedenfalls genug gehört.

Diese Woche habe ich zur Kenntnis genommen, dass Sartorius, die ebenfalls Equipment für die Pharmabranche liefert, erstmals seit langer Zeit nicht mehr auf der Liste der grössten Short-Positionen in Deutschland auftaucht. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die bisher sehr vollen Lager bei den Kunden unter Investoren nicht mehr so viele Sorgen bereiten. Viele Pharmaunternehmen hatten nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 kräftig in Ausrüstung investiert und danach entsprechend weniger gekauft. Die Aktien von Sartorius standen wie jene von Tecan in den vergangenen Monaten stark unter Druck.

Es gibt aber auch in der Schweiz durchaus positive Ausnahmen. Diese Nachricht hat mich gefreut: Holcim verkauft ihren 83,8%-Anteil am Zementhersteller Lafarge Africa in Nigeria an die chinesische Huaxin Cement. Der Verkaufspreis entspricht einem Unternehmenswert von rund 1 Mrd. $, das heisst, Holcim fliessen aus der Transaktion etwas mehr als 800 Mio. $ zu.

Der Konzern setzt damit seinen Weg fort, sich in einzelnen Märkten vom kapitalintensiven Zementgeschäft zu trennen und sich auf höhermargige, weniger kapitalintensive Geschäftsfelder wie Zusatzstoffe, Mischbeton und Speziallösungen zu fokussieren. In den vergangenen Jahren hat sich Holcim unter anderem aus Indien, Indonesien, Brasilien sowie aus diversen Ländern Afrikas zurückgezogen. Soweit ich informiert bin, hat Holcim alle Aktivitäten in Afrika und im Nahen Osten zur Disposition gestellt – mit Ausnahme von Algerien und Marokko, denn aus diesen Ländern lassen sich die Märkte in Südeuropa günstig mit Zement beliefern.

Interessant ist die Identität des Käufers der Beteiligung in Nigeria: Huaxin ist der Joint-Venture-Partner von Holcim in China, die Schweizer halten eine Kapitalbeteiligung von 41,8% an Huaxin. Bereits beim Verkauf der Zementaktivitäten in Sambia und Malawi im Jahr 2021 hatte Holcim in Huaxin eine dankbare Käuferin gefunden. Die Chinesen wollen in Afrika expandieren, Holcim will aussteigen: eine klassische Win-win-Situation.

Im Heimmarkt China hat Huaxin kein einfaches Umfeld. Die seit mehr als drei Jahren dauernde Immobilienkrise macht den Zementherstellern im Land zu schaffen. Der Aktienkurs des Unternehmens hat sich seit 2021 halbiert – entsprechend hat auch der Anteil von Holcim an Wert verloren.

Aus meiner Sicht dürfte Holcim früher oder später auch die Minderheitsbeteiligung an Huaxin zur Disposition stellen. Sie passt langfristig nicht zum Portfolio des Konzerns. Aber der Zeitpunkt für einen möglichen Verkauf ist natürlich alles andere als günstig. Deshalb sind die Verkaufstransaktionen in Afrika eine indirekte Strategie: Sie erlauben es Holcim, in Huaxin gebundenes Kapital in die Schweiz zu repatriieren.

Meine Einschätzung zu Holcim kennen Sie: Die Titel sind trotz des deutlichen Kursanstiegs in den vergangenen zwei Jahren ein Kauf, die für 2025 geplante Abspaltung des Nordamerika-Geschäfts wird zusätzlichen Wert freisetzen. Mit einer Free-Cashflow-Rendite von 6,1% und einer Dividendenrendite von gut 3% – steuerfrei in der Schweiz – sind die Aktien attraktiv bewertet.

Diese Beteiligungsmeldung vom 22. November zog das Interesse der Schweizer Finanzmedien auf sich: Der aktivistische Investor Artisan hält über seinen International Value Fund gut 5% an Barry Callebaut.

Aber Achtung, hatte sich Artisan nicht bereits im Frühjahr mit mehr als 5% am Kakaohändler und Schokoladenproduzenten beteiligt? Tatsächlich meldete die Börsenaufsicht SIX Exchange Regulation (SER) schon am 26. März 2024, dass die US-Fondsgesellschaft Aktien von Barry erworben und damit die Meldeschwelle von 5% überschritten hat. Der Unterschied: Damals war als wirtschaftlich berechtigte Person respektive als direkter Aktionär nicht ein spezifischer Fonds, sondern lediglich Artisan notiert.

Als Grund ist aber bei beiden Meldungen «Erwerb» angegeben. Eine Veränderung beim Personenkreis hat – sofern die Angaben korrekt sind – nicht zur Publikmachung geführt.

Wie passt das zusammen? Und wie viel hält Artisan nun wirklich an Barry Callebaut?

Weder die SER noch eine Sprecherin von Barry können uns dazu genauer Auskunft geben. Sie verweisen auf die jeweils andere Stelle. Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung des Unternehmens, meldepflichtige Beteiligungen der Schweizer Börse korrekt zu kommunizieren.

Davon ausgehend, dass beide Meldungen stimmen, halte ich folgendes Szenario für das wahrscheinlichste: Im Frühjahr hat sich Artisan über mehrere Fonds an Barry beteiligt. Die Gesamtbeteiligung lag bei 5,54%. Im November dann hat einer dieser Fonds, genauer der grosse International Value Fund, die Position auf über 5% aufgestockt, womit die Beteiligungsmeldung ausgelöst worden ist.

Das wäre nicht per se ungewöhnlich. Artisan hält über den International und den Global Value Fund jeweils eine grosse Position am Schweizer Pharmakonzern Novartis. Auch dass die Beteiligung nicht unter den grössten zehn Positionen und damit im Monatsbericht des Fonds auftaucht, ist verständlich. Mit einem Fondsvermögen von rund 35 Mrd. $ (per Ende Oktober) wären die schätzungsweise etwas mehr als 200 Mio. Fr. an Barry keine Topposition im Artisan International Value Fund, im Global Value Fund mit 2,4 Mrd. $ Vermögen müssten sie aber erscheinen.

Stimmt diese Schlussfolgerung, hielte Artisan über ihre Fonds zwar etwas mehr als noch Ende März. Viel mehr als die nun gemeldeten 5% im International Value Fund können es aber nicht sein, weil die Position sonst unter den Favoriten in einem der kleineren Fonds auftauchen müsste. Ganz geklärt ist die Sache für mich damit aber nicht. Klar ist einzig, dass Artisan offensichtlich weiterhin Potenzial in Barry sieht – genau wie The Market, wie Sie in der Analyse meines Kollegen Henning Hölder lesen können. Die Trendwende ist trotz weiterhin hohem Kakaopreis intakt. Bisher ist Artisan nicht mit öffentlichen Forderungen ans Management herangetreten, sie dürfte aber im Hintergrund Einfluss nehmen.

Die Amerikaner treten immer wieder aktiv auf und sind in der Schweiz wie erwähnt keine Unbekannten. In ihren internationalen Fonds gehören hiesige Unternehmen zu den grössten Positionen. Neben Novartis sind die Aktivisten auch bei ABB, UBS, Holcim und Richemont investiert, und sie äussern gerne ihre Meinung. Beim Basler Pharmakonzern brachte Investmentchef David Samra gegenüber The Market einen komplette Erneuerung des Verwaltungsrats ins Spiel, beim Technologiekonzern ABB bestehe noch Potenzial für einen zweiten grossen Umbauschritt.

Mit ihrer Zuversicht sind die Aktionäre nicht allein: Ende November hat ein Verwaltungsratsmitglied von Barry Callebaut Aktien im Wert von fast 4 Mio. Fr. erworben.

Die Aktien des Flughafens Zürich laden zum Wortspiel ein, befinden sie sich doch im Höhenflug.

Seit Sommer fliegen über den Flughafen in Kloten mehr Passagiere als noch 2019, also vor der Pandemie. Gleichzeitig liegt die Zahl der Flugbewegungen etwas tiefer, sprich: Die Auslastung der Flugzeuge ist besser. Das freut nicht nur die Fluggesellschaften, sondern auch den Flughafenbetreiber. Und es ist mit ein Grund, wieso die Kosten nicht so schnell steigen wie die Einnahmen. Ausserdem hat das Unternehmen in den vergangenen, schwierigen Jahren insgesamt gespart und arbeitet heute wesentlich effizienter. Das schlägt sich auch im höheren Cashflow nieder.

Die Aktionärinnen sollen daran teilhaben können: Wenn der jüngste Investitionszyklus abgeschlossen sein wird, dürfte Flughafen Zürich wieder zu einem sicheren Dividendentitel werden. Nicht zuletzt deshalb hat mein Kollege Ruedi Keller sie bereits im Juli zum Kauf empfohlen. Seither hat sich an unserer fundamentalen Einschätzung nichts geändert. Dank des erwarteten Gewinnwachstums – auch infolge der erfolgreichen Auslandsaktivitäten – ist die Bewertung trotz des Kursanstiegs zwar weiterhin vertretbar, der Aufwärtstrend ist intakt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 20 für das kommende Jahr wird die Luft aus dieser Perspektive aber langsam dünner.

Wer es günstiger mag, kann sich die Aktien von Fraport anschauen – gemessen am KGV gibt es die zum halben Preis. Der Betreiber des Flughafens Frankfurt kämpft wegen fehlender Flugzeuge zwar derzeit noch mit Kapazitätsengpässen. Doch hat er damit auch noch Potenzial nach oben, im Oktober 2024 war bei der Anzahl Reisender noch nicht 90% des Vorcoronaniveaus erreicht. Und nach Jahren, die von hohen Investitionen in den Neu- und Umbau von Terminal 2 und 3 geprägt waren, dürfte nun die Erntezeit folgen. Die Kapitalausgaben sinken, der freie Cashflow sollte ins Positive drehen und damit wird ab 2026 auch eine Dividende denkbar.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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