Samstag, November 23

Die Grasshoppers werden indirekt Teil eines Netzwerks, in dem auch der FC Bayern München eine gewichtige Rolle spielt. Nach der Fosun-Präsidentin Jenny Wang aus China besetzt mit Stacy Johns wieder eine Frau das GC-Präsidium.

Nach einem Jahr Verhandlungen, Gerüchten und Gesprächen war es so weit: Am Mittwochabend stellten sich die neuen GC-Besitzer im Bootshaus der Ruder-Sektion an einer Medienkonferenz vor. Stacy Johns, Finanzchefin im Los Angeles FC (LAFC), ist die neue GC-Präsidentin. Sie wird sich gelegentlich in Zürich aufhalten, für das Tagesgeschäft wird noch eine Person gesucht.

Johns reiste in Begleitung des LAFC-Geschäftsführers Larry Freedman nach Zürich, Freedman wird im GC-Verwaltungsrat die Geschäfte steuern. András Gurovits bleibt als Vertreter der GC-Stiftung der dritte Verwaltungsrat. GC behält wie bisher die Marken- und Vorkaufsrechte. Wie viel Geld der LAFC für GC gezahlt hat, ist nicht bekannt. «Sorry, dazu sagen wir nichts», sagte Johns. Es dürfte weniger sein als die etwa 7 Millionen Franken, die Fosun 2020 an die letzten Schweizer Besitzer überwiesen hatte.

Amerikaner statt Chinesen: Formal bleibt das GC-Konstrukt gleich. Inhaltlich aber soll sich einiges ändern bei GC. Harald Gärtner heisst der Mann, der den Betrieb im Tagesgeschäft unter die Lupe nehmen wird. Der Europa-Chef des LAFC soll in den kommenden Wochen auf dem Campus Abläufe und Strukturen durchleuchten und die entsprechenden Empfehlungen abgeben. Gärtner gilt als bestens informiert und dürfte dem LAFC die Grasshoppers empfohlen haben.

Für Matt Jackson, seit Juni Fosun-Abgesandter aus England, ist die Zeit in der Schweiz abgelaufen. Der Sportchef Bernt Haas und der Cheftrainer Bruno Berner behalten ihre Jobs. Gärtner, lange Jahre Sportdirektor im FC Ingolstadt und zuletzt in Klagenfurt tätig, dürfte kurzfristig wohl auch die eine oder andere Empfehlung in Bezug auf das Kader abgeben. GC hat in dieser Winterpause noch keinen Transfer getätigt. Es ist offen, ob Gärtner dauerhaft einen Posten bei GC übernimmt.

Zumindest in den kommenden Wochen wird die Rolle Gärtners wichtig sein. Der Deutsche sagte, er und sein Team hätten sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Team beschäftigt. «Die Mannschaft hat eine gewisse Qualität», sagte Gärtner, «wir wollen diese Qualität stabilisieren und anständig die Meisterschaft beenden.» Erfolg gibt es nicht nur mit Geld zu kaufen.

Wie viel die Amerikaner investieren wollen, blieb offen. «Wir werden sehen, wie viel Geld es brauchen wird», sagte Freedman lediglich. Wichtiger sei es, mit der «Community» in Kontakt zu treten, einen «gemeinsamen Spirit» zu entwickeln. Auch Freedman ist klar, dass der Weg dorthin nur mit Erfolgen auf dem Rasen möglich sein wird.

Die Basketball-Legende Earvin «Magic» Johnson ist einer der Klubbesitzer

Anders als der undurchsichtige Fosun-Konzern ist der Los Angeles FC durch die prominent besetzte Eigentümerschaft breit und transparent abgestützt. «Unsere Aktionäre geben nicht einfach Name und Gesicht für ein schönes Klassenfoto – alle haben ihre Rolle im Klub», sagte Freeman, «früher oder später werden auch die Besitzer nach Zürich ins Stadion kommen.»

Zu den Besitzern gehören etwa die Basketball-Legende Earvin «Magic» Johnson, die Weltfussballerin Mia Hamm oder der Schauspieler Will Ferrell. Im Vorstand sitzt der vermögende Finanzmann Bennett Rosenthal, Mitgründer eines milliardenschweren Investmentfonds. Der LAFC-Vorsitzende Peter Guber, ebenfalls einer der Besitzer, ist Filmproduzent und hat Aktien des Baseballteams Los Angeles Dodgers und des Basketballklubs Golden State Warriors. In den Anfängen der Karriere produzierte Guber den berühmten Film «Taxi Driver». Da ist viel Glamour. Aber auch Kompetenz.

Der Los Angeles FC hat sich erst 2018 in die geschlossene Major League Soccer (MLS) eingekauft, wurde aber seither zu einer der wertvollsten Franchisen der Liga. 2022 gewann der LAFC die Meisterschaft, im Dezember verpasste er den zweiten Titel erst im Final knapp. Das eigene Stadion ist mit 22 000 Plätzen fast immer ausverkauft. Der frühere italienische Nationalspieler Giorgio Chiellini beendete vor kurzem seine Karriere beim LAFC und wird nun Scout. Die jüngst getätigte Verpflichtung von Frankreichs Weltmeister-Captain Hugo Lloris unterstreicht die Ambitionen.

Das Interesse der Chinesen an GC war schon lange erkaltet

Der LAFC gilt nicht nur in der MLS als verlässlich und seriös. Die USA sind Gastgeber der Fussball-WM 2026, im Land herrscht im Fussball eine gewisse Aufbruchstimmung. Und auch Geld ist nicht erst seit dem Milliarden-Deal der Liga für die Medienrechte mit Apple reichlich vorhanden. Fehlt im sportlichen Bereich Fachwissen, wird es importiert. Der LAFC-Coach Steven Cherundolo spielte lange in Hannover und absolvierte die Trainerausbildung in Deutschland.

Die pragmatische Herangehensweise der Amerikaner fusst auf dem Bewusstsein, dass Sport in der Hauptsache Show, Unterhaltung und vor allem eines bedeutet: Business. Für den LAFC sollen die Grasshoppers künftig ein Teil dieses Geschäfts sein. Wie wichtig die Rolle der Zürcher Filiale sein wird, muss sich weisen. Klar ist lediglich: Fosun sollte dafür nicht als Vorbild dienen.

Schon vor Jahresfrist war das Interesse der Chinesen an den Grasshoppers erkaltet. Sie hatten nie erkennen lassen, was sie mit ihrem Klub in der Schweiz anfangen wollten. Deutlich wurde das immer wieder in der Zusammenarbeit mit den Wolverhampton Wanderers, dem Fosun-Klub in der Premier League. Da war auf dem GC-Campus nichts Nachhaltiges zu erkennen. Toti Gomes, anderthalb Jahre bei GC, schaffte es in die Premier League. Hayao Kawabe immerhin zu Standard Lüttich. Bendeguz Bolla zum Konkurrenten Servette nach Genf.

Der GC-Präsident Sky Sun hatte sich vor dreizehn Monaten in die Weihnachtsferien verabschiedet und tauchte nicht mehr auf. Bill Pan hiess ein Buchhalter aus der Fosun-Zentrale, der im letzten Frühling kurz in Zürich vorbeischaute. Gleichzeitig hatte Fosun die New Yorker Investmentbank Moelis beauftragt, Ausschau zu halten nach einem Abnehmer für GC.

86TV | Präsident Sky Sun in Zürich angekommen

Die Zeit verstrich, Fosun bezahlte die Rechnungen. Im Oktober vermeldete das Finanzportal Bloomberg loses Interesse des Los Angeles FC an einer Übernahme. 10 Millionen Franken soll Fosun am Anfang als Kaufpreis in den Raum gestellt haben.

Fosun ist das GC-Abenteuer teuer zu stehen gekommen. Fünf Jahre wollten sich die Chinesen im Minimum engagieren, die Champions League war das Ziel. Daraus sind dreieinhalb Jahre geworden. Gekostet haben sie Fosun rund 45 Millionen Franken. Herausgeschaut haben nach dem Aufstieg die Ränge 8 und 7. Chicago Fire, seit 2021 Besitzer des FC Lugano, hat nicht nur sportlich eine wesentlich positivere Bilanz vorzuweisen.

Vor diesem Hintergrund wird die Aufgabe für den neuen Besitzer anspruchsvoll mit einem Grasshopper-Club, der in den letzten Jahren nie ein Defizit unter 10 Millionen Franken verbucht hat und dem nach wie vor die Aussicht auf ein eigenes Stadion fehlt. Die Frage wird also sein, was die Fosun-Nachfolger anders machen wollen, um das Engagement rentabel zu gestalten. Die Amerikaner sind nicht bekannt dafür, ein paar Millionen zu verbrennen und sich dann wieder aus dem Staub zu machen. Sie haben einen Plan. Zumindest auf dem Papier.

Der Plan sieht so aus, dass der LAFC ein weltweites Netz aufbauen will mit Kooperationen, Joint Ventures und Übernahmen. Im April kaufte der LAFC etwa Wacker Innsbruck. Man wolle den zehnfachen österreichischen Meister aus dem wirtschaftlichen und sportlichen Chaos zurück in die Bundesliga führen, hiess es. Bei der Übernahme von Wacker war Harald Gärtner der Vermittler.

Die Verbindung zum FC Bayern München

Bedeutender als Wacker Innsbruck ist für GC das im letzten März gegründete LAFC-Joint-Venture mit dem FC Bayern München. Es heisst Red & Gold, Geschäftsführer ist Jochen Sauer, der Leiter der Bayern-Nachwuchsabteilung. Oliver Kahn, bei der Gründung noch Bayern-Sportdirektor, liess sich so zitieren: «Der FC Bayern wird mit dem Los Angeles FC seine Nachwuchsförderung ausweiten. Wir sehen in der Partnerschaft mit LAFC eine Chance, den FC Bayern im sportlichen Wettbewerb mit den besten Vereinen Europas und der Bundesliga zu stärken.»

Unterdessen arbeitet Red & Gold mit den Gambinos Stars in Westafrika zusammen, in Uruguay besitzt das Joint Venture den Erstliga-Klub Racing de Montevideo als Filiale im südamerikanischen Markt. Und nun wird auch GC, zumindest indirekt, ein Teil von Red & Gold. Juristisch hat GC nichts mit Red & Gold oder gar mit den mächtigen Bayern zu tun; Bayern besitzt keine GC-Anteile.

Dennoch könnte GC über den neuen Besitzer und dessen Joint Venture Red & Gold im Scouting, beim Austausch von Know-how oder mit Leihgeschäften auch von Bayern München und dessen Akademie profitieren. Etwa wenn Bayern für die Entwicklung eines Talents einen Erstliga-Klub sucht. Seitens der Bayern hat offenbar niemand dem LAFC von GC abgeraten.

Vielleicht sind an der Säbener Strasse die Erinnerungen an den letzten Meistergoalie noch nicht ganz verblasst – an Yann Sommer, der eine GC-Vergangenheit hat. Das gilt noch viel ausgeprägter auch für den Trainer Ottmar Hitzfeld. Alain Sutter und Ciriaco Sforza hinterliessen als ehemalige GC-Spieler ebenfalls Spuren in München, und der Brasilianer Giovane Elber, eine Bayern-Legende, machte seine ersten Schritte in Europa ebenfalls bei GC. Das sind keine schlechten Assoziationen aus Bayern-Sicht.

Auf die Amerikaner warten grosse Herausforderungen

Bei den Bayern gilt das Joint Venture Red & Gold als Versuch, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das dem Trend der Mehrfach-Klub-Eigentümerschaft folgt. Das Multi Club Ownership (MCO), wie es Fussball-Investoren wie 777 Partners, die City Football Group, Ineos, Red Bull und viele andere praktizieren, hat den Nachteil, dass der europäische Fussballverband Uefa Vereinen, die den gleichen Besitzer haben, juristisch oder personell verflochten sind, die Teilnahme an seinen Wettbewerben verbietet. Für die City Football Group als Eigentümerin von Manchester City und Mitbesitzerin von Girona könnte das beispielsweise zum Problem werden, wenn sich Girona, zurzeit in der Spitzengruppe der Primera División, Ende Saison für den Europacup qualifiziert.

Auch GC und Wolverhampton Wanderers gehörten mit Fosun dem gleichen Besitzer, das Aufeinandertreffen der beiden Klubs im Europacup war aber unwahrscheinlich. Mit dem LAFC als Besitzer ist die Hürde der Uefa für GC auch theoretisch beseitigt. «Wir wollen früher oder später auch im Europacup auf dem höchsten Level vertreten sein», sagte Freeman. Es wird sich zeigen, was in zwei oder drei Jahren aus den grossen Plänen geworden ist. An Optimismus scheint es jedenfalls nicht zu mangeln.

Für die neuen GC-Besitzer geht es künftig um die Praxis. Sie bietet handfeste Herausforderungen: Der Zuschauerschwund, das blockierte Stadionprojekt, der defizitäre Betrieb und die sportliche Magerkost sind die Stichworte dazu. Immerhin scheint mit dem neuen Besitzer das Überleben des Rekordmeisters gesichert. Dazu kommt die Aussicht, vom Red-&-Gold-Netzwerk profitieren zu können. Das sind für den Moment gute Nachrichten für die Grasshoppers.

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