Er glänzte auf der Bühne wie im Film. Dem Schauspieler-Star Oskar Werner widmet das Wiener Theater Odeon eine Hommage. Dabei erzählt der Darsteller auch eine persönliche Geschichte.
Es gibt sie noch, die kleinen Theater-Wunder abseits der grossen Bühnen. Zum Beispiel in einer Nebenspielstätte des Wiener «Odeons» in der Leopoldstadt, wo ein Holzofen Wärme verbreitet, die Stühle nur ungefähr in Reih und Glied stehen und die Spielfläche vorne leicht erhöht die Grösse eines Handtuchs hat.
Dort steht der Schauspieler Bernhard Dechant in einem klassisch-komischen Phantasiekostüm, zunächst noch mit einer grotesken Maske. Ins Eck gedrängt auf einem Stuhl der Musiker Stefan Sterzinger, der sich mit seinem Akkordeon und mit der Fiaker-Melone auf dem Kopf zu verkrümeln scheint. So beginnt ein Spiel, das in den nächsten neunzig Minuten von der Phantasie in die Wirklichkeit kippen wird, von der glitzernden Göttlichkeit in menschliche Abgründe.
Höhen und Allüren
Dechant will dem legendären Oskar Werner die Ehre erweisen. Er will erzählen vom Aufstieg des Mimen bis zu seinem bemitleidenswerten Untergang, von den Höhen und Allüren eines Genies, das am Ende zwei Helfer stützen mussten im Rampenlicht, wo Oskar Werner den Rilke stammelte und nuschelte und so verzweifelt wie betörend zelebrierte.
Dechant hat mit seiner Co-Autorin Sophie Resch, die auch die Regie übernahm, die Biografie in kleine Momente zerlegt, um sie wie ein Puzzle wieder zusammenzusetzen. Nur dass die Teile nicht mehr zusammenpassen, das Bild zu einem Chaos gerät.
Dechant spielt diesen Oskar Werner mit wienerischer Brabbelstimme, hochnäsiger Attitüde, herablassender Arroganz. Und er fällt ihm in dem Monolog immer wieder ins Wort und ins Leben, zweifelt an Werner, überführt ihn der Lüge und Übertreibung, nagelt ihn fest auf sein auswegloses Ende. Da ist Ehrfurcht vor den Leistungen Werners auf der Bühne und im Film. Da sind die glasklaren Momente, in denen der blonde Schauspieler mit den Worten der Dichter jonglierte, in Rezitationsabenden eins wurde mit der Sprache, die aus seiner Seele zu entspringen schien.
«Oskar Werner – Kompromisslos in die Wiedergeburt» (ausgezeichnet mit dem Nestroy-Preis) ist eine Reise durch das Universum eines Besessenen, der sich Stück für Stück selber verliert, der scheitert an seiner Kunst und endlich am Leben, das er sich nurmehr mit Räuschen möbliert: Der Alkohol wird zum Stichwortgeber, der schleichende Tod zum Wegbegleiter, mit dem er schachert um noch ein bisschen Aufschub. Die Würde hatte er da längst schon verhökert.
Auf einmal aber steigt Bernhard Dechant aus seiner Rolle aus. Sterzinger am Akkordeon beobachtet den Wandel argwöhnisch, setzt an zum gemütlichen Wiener Lied und spürt, dass alle künstlerische Unterstützung jetzt ins Leere läuft. Dechant nämlich beginnt seine eigene Geschichte zu erzählen. Bisweilen fährt ihm Werner lallend dazwischen, aber er schiebt ihn beiseite. Es war nicht schwer, von der versoffenen Lebensgeschichte des Stars zum selber erlebten Schicksal den Bogen zu schlagen: Dechant ist trockener Alkoholiker, er hat es geschafft, den Absprung, die Abkehr, ist den Weg gegangen, den Oskar Werner ausgeschlagen hat.
Absturz in die Sucht
Ganz ruhig, ohne mitleidheischende Emotionen, berichtet Dechant von seinem Abgleiten in die Sucht, von seinen Fehlversuchen, mit dem Trinken aufzuhören, von Rückfällen und schliesslich von der Freude, seit geraumer Zeit kein Glas mehr anzurühren. Ohne pädagogisches Sendungsbewusstsein, ohne mahnende Schreckensbilder, ohne trockene Überheblichkeit spricht er von seinen ungeordneten Lebensfetzen, von Scham und von dem Glück, die Sonne wieder mit klarem Kopf geniessen zu können. Das ist anrührend, ehrlich, nie kitschig oder missionierend.
Und neben Dechant sieht man immer Oskar Werner stehen, der ihm ungläubig zuzuhören scheint, und in der Stimme, die ihm der Schauspieler leiht, ist ein Bedauern über das, über sein Ende zu vernehmen. Doch könnte Werner auch stolz sein: Die langjährige Arbeit an dem Stück hat Bernhard Dechant geholfen, vom Alkohol wegzukommen.
In den nächsten Monaten spielen er und Sterzinger in je einem Wirtshaus aller Wiener Bezirke. Sie wagen sich in die Höhlen der Löwen: Will man am Tisch mit den Göttern sitzen oder darunter liegen?