Mittwoch, April 23

Für Kinder unter einem Jahr kann es lebensbedrohlich sein, Honig zu essen. Auch danach gilt: nicht zu viel davon essen.

Leserfrage: Ab welchem Alter ist Honig gesund für Kinder? Und wie gesund ist er überhaupt?

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Honig geniesst einen positiven Ruf. Er ist eine beliebte Alternative zu industriellem Zucker und ein Hausmittel bei Husten. Aber hat er wirklich heilende Wirkung? Und wieso kann er für sehr junge Kinder lebensgefährlich sein?

«Kinder unter einem Jahr sollten keinen Honig essen», mahnt Franziska Weiss. Sie ist Mikrobiologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in der Schweiz.

Der Grund heisst Säuglingsbotulismus. Der gefährliche Erreger dahinter ist das Bakterium Clostridium botulinum, das zum Beispiel über Pollen im Honig übertragen werden kann. Die Bakterien verfügen über eine hohe Widerstandsfähigkeit und bilden Sporen, die extreme Umweltbedingungen überstehen – oft über Jahre oder gar Jahrzehnte. Da sie unempfindlich gegenüber Hitze, Trockenheit, Kälte, UV-Strahlung und vielen chemischen Reinigungsmitteln sind, bleiben sie infektiös.

«Botulismus ist eine schwere Lähmungserkrankung», erklärt die Mikrobiologin Weiss. «Auch das Pasteurisieren von Honig reicht nicht aus, um eventuell vorhandene Sporen des Botulismus-Bakteriums abzutöten, weil sie extrem hitzeresistent sind.» Am kritischsten wird es für Kinder unter sechs Monaten. «Ihr Immunsystem und ihr Verdauungstrakt sind noch nicht voll entwickelt, weshalb sie bei Infektionen schwere Verläufe zeigen können, bis hin zum Tod», warnt Weiss. In der Regel sind Immunsystem und Mikrobiom im Darm nach dem ersten Lebensjahr so weit entwickelt, dass der Erreger dem Kind nichts mehr anhaben kann.

Nach Vollendung des ersten Lebensjahrs ist Honig für Kinder also nicht mehr gefährlich. Dabei muss man betonen, dass Säuglingsbotulismus zwar eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung ist, aber auch sehr selten. Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts in Deutschland wurden in den vergangenen zehn Jahren elf Fälle von Säuglingsbotulismus gemeldet. Doch gerade weil die Erkrankung so selten ist, wird sie leicht übersehen – mit fatalen Folgen.

Und was ist, wenn Kinder Honig essen, sobald sie alt genug dafür sind? Ist er dann sogar besonders gesund für sie? Immerhin wird ihm nachgesagt, er sei bakterizid und fungizid, also wirksam gegen Bakterien und Pilze. Als besonders wertvoll gilt Propolis, ein Kittharz, mit dem Bienen den Bienenstock desinfizieren. In Experimenten wirkte Propolis gegen Bakterien und Pilze. Allerdings ist das Kittharz nur in äusserst geringen Mengen in Honig enthalten.

Die Mikrobiologin Weiss hält das positive Image von Honig für übertrieben. Und sie sagt – über die geringen Mengen an Propolis hinaus: «Honig enthält nur Spuren von Vitaminen und Mineralstoffen. Er ist zum Süssen somit nicht gesünder oder besser als weisser Zucker.» Zwar liefert er geringe Mengen an Enzymen, Aminosäuren, Antioxidantien und Mineralstoffen wie Kalium, Kalzium, Eisen und Magnesium, doch er ist sehr kalorienhaltig und hat ähnliche Auswirkungen auf Blutzucker, Zähne und Stoffwechsel wie andere Zuckerarten.

Und doch sind viele Menschen überzeugt, dass sie sich selbst und ihren Kindern mit Honig etwas Gutes tun – etwa zur Linderung von Husten. Ob das stimmt, ist nicht besonders gut untersucht. Laut einer wissenschaftlichen Übersichtsarbeit trägt Honig wahrscheinlich dazu bei, den Husten zu lindern. Aber die Forscher fanden keine eindeutigen Beweise für oder gegen die Verwendung von Honig.

Auch Beatrice Strub hat schon oft von der angeblich hustenlindernden Kraft des Honigs gehört. Sie hat mehr als 35 Jahre als Pflegefachkraft gearbeitet und ist seit 16 Jahren als fachliche Leitung der Mütter- und Väterberatung in der Region Aarau tätig. Sie sagt aber: «Es gibt gute Alternativen zu Honig, zum Beispiel Kräutertee.» Geeignet seien milde Sorten wie entzündungshemmende Kamille oder schleimlösender Fenchel.

Zu süss und zu klebrig

Denn es gibt einen guten Grund, Kindern nur selten Honig zu geben: Kariesprophylaxe. Bakterien im Mund freuen sich über Honig, verstoffwechseln ihn und produzieren dann eine Säure, die den Zahnschmelz angreift. Von Honig haben sie sogar länger etwas als von Industriezucker, denn Honig bleibt an den Zähnen kleben.

Und es gibt noch einen Grund: Honig trainiert den Geschmack auf Süsses. Damit Kinder ab der Einführung der Beikost lernen, verschiedene Geschmacksrichtungen wahrzunehmen, sollten Eltern die Speisen ihrer Kinder nicht zusätzlich süssen, weder mit Honig noch mit Zucker, Ahornsirup oder anderen Süssungsmitteln. Lieber empfiehlt Beatrice Strub in der Elternberatung Apfel- oder Birnenmus oder saisonale Früchte, wenn es einmal etwas Süsses sein soll.

Sie haben auch eine Frage rund um Ernährung und Gesundheit? Schreiben Sie uns gern an wohlundsein@nzz.ch.

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