Donnerstag, Januar 30

Yvette Thüring führt leidenschaftlich gerne Hotels. Die Baslerin war schon auf vier Kontinenten tätig. Ihr neuster Wirkungsort ist der Drei-Sterne-Betrieb Odelya, der wie fast alle Basler Hotels mit einer ungenügenden Auslastung kämpft.

Schweizer sind bekannt dafür, Hotels in aller Welt zu führen. Doch so vielen Häusern wie Yvette Thüring ist wohl noch nie jemand aus der Schweiz vorgestanden. Die Baslerin wird diesen August 75 und arbeitet noch immer als Hoteldirektorin.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Von Basel bis nach China und Lateinamerika

In ihrem zweiseitigen, eng bedruckten Lebenslauf sind rund zwei Dutzend Hotels, verteilt über vier Kontinente, aufgeführt. Thüring war für mehrere Hotels in ihrer Heimatstadt tätig, führte aber auch Betriebe in der Ostschweiz, in mehreren lateinamerikanischen Ländern, den USA, China, Amsterdam, London und Dresden.

«Seit ich 64 bin, versuche ich, nicht mehr zu arbeiten», sagt Thüring. «Es ist mir bis heute nicht gelungen.»

Auch wenn Thüring beim Gehen leicht hinkt, scheint sie noch immer voller Energie zu sein. Ihr neuster Arbeitsplatz ist das Basler Hotel Odelya, das sich in einem prächtigen Park unweit des Spalentors befindet. Es ist im historischen Missionshaus untergebracht, das wie das Hotel der Basler Mission gehört.

Wie alle ihre letzten Einsätze ist auch dieser befristet. Thüring ist noch ganz frisch im Amt als Interimsdirektorin des Drei-Sterne-Betriebs. Sie hat den Posten erst am 15. Januar übernommen.

Zuvor hatte Thüring bis Ende vergangenen Novembers ein halbes Jahr das Radisson Blu in St. Gallen geleitet. Ausserdem war sie in den vergangenen Jahren, in Bad Ragaz und auf dem Zürichberg, interimistische Chefin zweier Sorell-Hotels der heutigen Genossenschaft ZFV-Unternehmungen (ehemals Zürcher Frauenverein) und führte ein Hotel der Sunstar-Kette in Grindelwald.

Spezialistin für Turnaround-Situationen

«Ich wurde immer wieder angefragt, als Direktorin einzuspringen», sagt Thüring. In der Branche scheint sich herumgesprochen zu haben, dass die erfahrene Managerin sich besonders auf Turnaround-Situationen versteht.

Auch ihr neuster Arbeitgeber ist mit der Herausforderung konfrontiert, sich wirtschaftlich rasch zu verbessern. Die Hotellerie gehört zu den Branchen, in denen der Wettbewerbsdruck besonders hoch ist. Viele Gäste lassen sich nur mit Rabatten anlocken. Das drückt auf die Margen. Dazu gesellen sich hohe Kosten für Personal, Mieten, Material und Energie, die in den letzten Jahren weiter gestiegen sind.

Hotel im Missionshaus

In Basel wird besonders intensiv um Marktanteile gerungen. Obwohl die Stadt nur gut 180 000 Einwohner zählt und kein Hotspot des internationalen Tourismus ist, gibt es über 50 Hotels, 15 davon allein im Drei-Sterne-Segment. Das Hotel Odelya mit seinen 73 Gästezimmern ist zudem anders als bekannte Basler Häuser wie das «Drei Könige» selbst unter Einheimischen kaum bekannt. Und selbst wenn sie wissen, wo sich das Missionshaus befindet, verspüren manche Vorbehalte.

Die Vergangenheit des Hauses, das 1860 erbaut wurde, wirke bis heute etwas abschreckend, sagt Thüring. Zwar werden von der Stadt am Rheinknie längst keine christlichen Missionare mehr in alle Welt entsandt. Die Basler Mission stellte ihre missionarische Tätigkeit bereits vor einem Vierteljahrhundert ein und ist heute primär eine Hilfsorganisation in Entwicklungsländern. Doch bestehen offenbar noch immer Befürchtungen, es könnte in diesem Haus Bekehrungsversuche geben.

Daran, dass im Missionshaus einst mehrfach täglich Gebete abgehalten wurden, erinnert nur noch die sogenannte Kapelle im Erdgeschoss. An der vorderen Wand dieses Saals sind noch ein grosses Holzkreuz und eine Orgel angebracht, die aber fast vollständig durch eine Leinwand verdeckt werden.

Der Saal dient heute wie eine Reihe weiterer Räume im weitflächigen Missionshaus als Versammlungsort für Tagungen und Sitzungen. Thüring schwebt denn auch vor, das Hotel verstärkt bei Veranstaltern von Seminarien und Kongressen zu bewerben.

Modernisierungsbedarf

Die Hoteldirektorin auf Zeit räumt aber sogleich ein, dass auch dies kein einfacher Weg werde. Auch Seminarräume gebe es in Basel in grosser Zahl.

Ein Restaurant mit weiteren Sälen wurde in einem 2020 fertiggestellten schicken Neubau direkt neben dem Missionshaus untergebracht. Nun sollen – Schritt für Schritt – die Gästezimmer erneuert werden. Sie sind sauber und hell, wirken mit ihrem Klötzliparkett, dem älteren Mobiliar und den ebenfalls in die Jahre gekommenen Nasszellen aber etwas antiquiert.

Die Erneuerung sollte es dem Hotel auch ermöglichen, die Preise auf ein höheres Niveau zu heben. Mit 145 Franken pro Nacht liegen sie zurzeit im Durchschnitt zu tief, um dem Eigentümer Erträge zu ermöglichen, die mehr als die Kosten decken.

Macherin ohne Abschluss an Hotelfachschule

Mit zu niedrigen Durchschnittspreisen kämpfen laut Thüring allerdings fast alle Hotels in Basel. Das Problem sei, dass die Auslastung je nach Jahreszeit stark schwanke. Vollbetrieb wie während der Kunstmesse Art Basel im Frühsommer, wenn in der Stadt jedes Bett belegt sei, herrsche nur selten. In Zürich sei die Nachfrage über das Jahr viel besser verteilt, und es liessen sich ganz andere Preise verlangen. «Ich staune immer wieder, wie viel Gäste in gewissen Zürcher Hotels bezahlen.»

Thüring, die keine Kinder hat, aber seit vielen Jahren mit einem gebürtigen Mexikaner verheiratet ist, besuchte nie eine Hotelfachschule. Nach dem Handelsdiplom begann sie zunächst in verschiedenen Hotels in Basel, der Westschweiz und in Deutschland zu arbeiten. Im Verlauf ihrer Karriere bildete sie sich in Kursen für Management, Marketing und Finanzen weiter. Das meiste erlernte sie indes bei der Arbeit, auch den Umgang mit Zahlen, für die sie ein besonderes Flair zu haben scheint.

Oft wird am falschen Ort gespart

Bei jedem ihrer Einsätze beschäftigt sich Thüring erst intensiv mit den Geschäftszahlen. «Wenn die Zahlen in einem Haus nicht stimmen, macht es keinen Spass», sagt sie.

Schon oft stellte die Interimsmanagerin fest, dass bei den Betriebskosten am falschen Ort gespart wird. Statt oben «im Wasserkopf» werde unten gekürzt. Das Management gönne sich hohe Löhne, während in der Zimmerreinigung die billigsten Anbieter berücksichtigt würden. «Dieses Vorgehen rächt sich aber», gibt Thüring zu bedenken, «meist schnell bei der Zufriedenheit der Gäste. Schlecht bezahltes Personal putzt auch schlecht.»

Auch wenn es banal klinge, ebenso wichtig, meint Thüring, seien für den Erfolg eines Hotels die richtigen verkaufsfördernden Massnahmen. Die Branchenkennerin ist überzeugt, dass bei der Umsatzsteigerung zufriedene Gäste die grösste Wirkung erzielten. Nicht nur würden sie oft selber wiederkehren, sondern auch anderen einen Aufenthalt empfehlen. «Mundpropaganda ist auch für Hotels die beste Werbung.»

Mitwirkung an der Réception und an der Garderobe

Zugleich müssen Hoteliers ein Gespür dafür entwickeln, wie sie ihre Gäste am besten zufriedenstellen können. Thüring rät jedem Hoteldirektor, regelmässig an der Réception mitzuarbeiten. «Beim Abschied erhält man am meisten Feedback. Diesen entscheidenden Moment sollte man nicht verpassen», sagt sie.

Thüring ist sich auch nicht zu schade, bei wichtigen Anlässen an der Garderobe auszuhelfen und das Gespräch mit Gästen beim Frühstück zu suchen. Es werde sehr geschätzt, wenn ein Direktionsmitglied auch an solchen Orten Präsenz zeige.

Wie lange Thüring im Basler Missionshaus bleiben wird, ist noch nicht bestimmt. Sie sei sich ihres Alters bewusst, und letztlich komme alles auf die Gesundheit an. «Ein halbes Jahr werde ich aber wohl schon brauchen, um neuen Drive zu erzeugen», sagt sie augenzwinkernd.

Exit mobile version