Samstag, September 20

Millionen von Kindern der Neunziger haben Ted, Marshall, Barney, Lily und Robin begleitet. Die Serie hebt sich von anderen ab.

Sie waren unsere besten Freunde: Ted, Marshall, Barney, Lily und Robin. Wir waren dabei, als Ted kurz vor der Hochzeit verlassen wurde, Marshall seinen Vater und Barney fast seinen Job verlor, als Lily nach San Francisco flüchtete und Robin nach Tokio.

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Wir waren dabei, 9 Staffeln lang, 208 Folgen à 22 Minuten «How I Met Your Mother», eine der erfolgreichsten Sitcoms überhaupt. Nun wird sie 20 Jahre alt, ist nicht mehr länger Teenager, wird gewissermassen erwachsen. Eine ganze Generation ist selbst erwachsen geworden mit «How I Met Your Mother».

Der Zauber der Gleichzeitigkeit

Als der amerikanische Sender CBS Mitte September 2005 die erste Folge ausstrahlte, gab es noch kein Netflix, kein Disney+ und keine sozialen Netzwerke. Fernsehen hatte damals noch den Zauber der Gleichzeitigkeit, war immun gegen das Spoilern. Wer wissen wollte, wie es weitergeht, musste am Abend einschalten. Am nächsten Tag auf dem Pausenhof oder in der Bürokantine waren alle auf dem gleichen Stand.

Fast 13 Millionen Amerikaner schalteten 2014 ein, als Ted in der allerletzten Folge sagte: «And that, kids, is how I met your mother», und so, Kinder, habe ich eure Mutter kennengelernt.

Das nämlich ist die Rahmenhandlung der Serie: Ted, der im Jahr 2030 seinen Teenagerkindern erzählt, wie er ihre Mutter kennengelernt hat. Die Folgen beginnen deshalb stets im väterlichen Erzählton: «Kinder, der Frühling vor 22 Jahren war herrlich.» Dann geht es ins Jahr 2008, in den Frühling in New York.

Grossartiger Feierabendbier-Nonsens

Dort, in dieser Welt- und Sehnsuchtsstadt, leben der Architekt Ted, der Anwalt Marshall, die Kindergärtnerin Lily und die Journalistin Robin. Womit Barney sein Geld verdient, das erfahren die Zuschauer erst ganz am Schluss. Die fünf Freunde treffen sich meistens im «MacLaren’s», einer Bar, über der Ted, Marshall und Lily wohnen. In dieser Bar verhandeln sie ihr ganzes Leben.

Legendär ist die Szene, in der die Gruppe eines Abends darüber diskutiert, welches Tier sympathischer ist: eine Ente oder ein Kaninchen. Minutenlang streiten sie. Irgendwann schreit Ted:

«Wieso stecken wir nicht ein Kaninchen und eine Ente zusammen in eine Transportbox und lassen sie das selber ausfechten?»

«Weil das illegal ist, Ted!», ruft Marshall.

«Das ist nicht wahr! Nur wenn wir darauf wetten!», schreit Ted.

Das ist grossartiger Feierabendbier-Nonsens, wie er in jeder Bar stattfinden könnte. Spielerisch ironisch, möglich im engsten Kreis, wo jeder weiss, wie was gemeint ist.

Ein anderes Mal geht Barney ins «MacLaren’s», um Robin seine Liebe zu gestehen. Als er an der Bar steht, entdeckt er sie mit einem anderen Mann. Barney und Robin sehen sich in die Augen, sie schüttelt langsam den Kopf, er wischt sich eine Träne aus dem Auge. Danach läuft ein für die Serien der nuller Jahre typischer trauriger Indie-Song.

Ein ständiges Referenzieren

«How I Met Your Mother» zeigt das ganze Leben, von Witz bis Wut. Die Sendung ist eine in sich geschlossene Welt mit einer eigenen Sprache («le-gen-där»), geht vor und zurück, hin und her, ist voller Querverweise und Selbstreferenzen. Die «Ohrfeigenwette» etwa entsteht in der neunten Folge der zweiten Staffel, als Marshall eine Wette gegen Barney gewinnt und diesem deshalb fünf Ohrfeigen geben darf. Die Ohrfeigen kommen danach immer wieder vor, selbst in der letzten Staffel.

Dasselbe mit der Mutter, ständig gibt es neue Hinweise: In der ersten Staffel erfährt man den Namen, in der dritten, dass sie einen gelben Regenschirm besitzt, in der fünften, dass sie Bass spielt, und in der achten, wie sie aussieht.

«How I Met Your Mother» bezieht sich aber nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die amerikanische Pop-Kultur. Wenn Ted wie in Woody Allens «Der Stadtneurotiker» auf einmal direkt in die Kamera blickt. Wenn Barney seinen neuen Stripclub bekanntgibt wie der Basketballer LeBron James seinen Wechsel zu den Miami Heat.

Oder in der zweiten Staffel, als sich die Freunde für einmal nicht im «MacLaren’s», sondern in einem Café treffen. Sie schweigen sich an, blicken auf die Uhr. Bis Barney sagt: «In einem Café abzuhängen, ist nicht so lustig wie in einer Bar.» Ein Seitenhieb gegen «Friends», die Sitcom aus den Neunzigern, die ebenfalls in New York spielte, in der sich die Freunde jeweils im «Central Perk Coffee» verabredeten.

Ja, «How I Met Your Mother» hat das Rad nicht neu erfunden, mit «Cheers» hatten schon die Achtziger ihre eigene Sitcom. Auch nach «How I Met Your Mother» gab es diverse gelungene Serien. «Modern Family», zum Beispiel, oder «New Girl».

Schlecht gealtert?

Doch anders als diese Serien besitzt «How I Met Your Mother» eine besondere emotionale Tiefe. Wie Teds Kinder sassen wir auf dem Sofa, hörten zu und lernten. Von Ted, was es heisst, unglücklich verliebt zu sein. Von Marshall, wie man um seine Eltern trauert. Von Lily, was es bedeutet, sich zwischen Karriere und Kind entscheiden zu müssen. Von Robin, dass Heimat und Zuhause nicht dasselbe sind.

Manchmal erklärten uns die fünf Freunde auch eine Welt, die heute veraltet ist. Viele Sprüche sind sexistisch. Die asiatische Community störte sich an den Klischees, die die Serie bediente. Und Barney manipuliert reihenweise Frauen, um mit ihnen schlafen zu können.

Auch wenn die Charaktere von «How I Met Your Mother» unpolitisch waren, sich nicht zu Präsidentschaftswahlen äusserten, lebten sie mitten in New York doch ein progressives, eher linkes Leben. Insofern ist die Serie auch eine Selbstbetrachtung amerikanischer Urbanität in den nuller Jahren. Ohne Genderdebatten, ohne Diversität.

2022 erschien mit «How I Met Your Father» eine ähnliche Sitcom. Der «Stern» titelte: «Wie die Originalserie, nur in divers?» Die Serie hatte keinen Erfolg. «How I Met Your Mother», diese Zeitkapsel der nuller Jahre, läuft noch immer: beim Streaminganbieter Disney+.

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