Montag, Februar 3

Gier und Angst sind die kräftigsten Treiber an den Börsen. Howard Marks kennt sich damit bestens aus. Der Value Investor sagt im Interview, warum es immer wieder zu Exzessen kommt, was er zum Hype um künstliche Intelligenz denkt und wo er Chancen für Schnäppchen sieht.

English version

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

Themarket.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Börsen sind mit viel Zuversicht ins Jahr gestartet. Das Potenzial wirtschaftsfreundlicher Reformen der Trump-Regierung und bahnbrechender Fortschritte im Bereich künstliche Intelligenz hat vor allem an den Leitmärkten in den USA die Fantasie angeregt. Andererseits haben sich die Bewertungen erheblich aufgebläht, und die Konzentration auf einige wenige Superstar-Aktien war selten so gross.

Handelt es sich um eine Blase?

Zu diesem Thema gibt es kaum einen besseren Gesprächspartner als Howard Marks. Wenn sich der Mitbegründer und Co-Chairman von Oaktree Capital Management zu Wort meldet, hören Anleger aufmerksam zu. Seine legendären Memos, die er sporadisch an Kunden verschickt, sind selbst für Warren Buffett Pflichtlektüre.

Im Interview erklärt der Value-Investor, warum es an den Märkten immer wieder zu Blasen kommt und anhand welcher Kriterien man sie identifizieren kann. Zudem sagt er, wie er gegenwärtig die Aussichten an den Märkten einschätzt, wo Gefahr von Exzessen lauert und wo es sich demgegenüber lohnen könnte, nach Schnäppchen zu suchen.

Herr Marks, Ihr neuestes Memo trägt den Titel «Auf Ausschau nach Blasen». Wie definieren Sie eine Blase, und wo sollten sich Anleger Ihrer Meinung nach derzeit davor in Acht nehmen?

Eine Blase – ähnlich wie ein Crash – hat mehr mit einer Denkeinstellung als mit quantitativen Kriterien zu tun. Manche definieren das Phänomen als Periode aussergewöhnlich hoher Preise, aber das greift meiner Meinung nach zu kurz. Eine echte Blase ist mehr als nur eine finanzielle Fehlkalkulation, bei der die Menschen den Fehler machen, zu viel für etwas zu bezahlen. Eine Blase geht darüber hinaus und erreicht ein psychologisches Extrem. Es handelt sich um eine Manie, bei der sich die Psyche einmischt, bei der ein Trend ein exzessives Interesse auf sich zieht und bei der die Menschen den Verstand verlieren.

Wie ist es überhaupt möglich, dass es immer wieder soweit kommt?

Bei einer Blase steht normalerweise etwas Neues im Zentrum. Die Neuartigkeit ist wichtig, weil sie die Menschen begeistert und sich allen Präzedenzfällen entzieht. Dieses Muster lässt sich in der Geschichte immer wieder beobachten. Die Begeisterung im alten Holland in den 1630er-Jahren beispielsweise bezog sich auf kürzlich eingeführte Tulpen, und die Südseeblase in England von 1720 wurde durch den Enthusiasmus für neue Handelsmöglichkeiten angeheizt. Ich selber habe diese Lektion früh gelernt. Als ich 1969 ins Investmentgeschäft einstieg, blähte sich die «Nifty Fifty»-Blase auf, die sich auf die Aktien der besten und am schnellsten wachsenden Unternehmen Amerikas konzentrierte.

Und was haben Sie damals gelernt?

Wie man so schön sagt: Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man nicht bekommt, was man will. Die Nifty-Fifty-Unternehmen profitierten vom Wachstum innovativer Geschäftsfelder wie Computer, Arzneimittel und Konsumgüter. Sie galten als so gut, dass nichts Schlimmes passieren konnte. Anleger glaubten, für diese Aktien sei kein Preis zu hoch. Wenn man sie aber an dem Tag kaufte, an dem ich meinen ersten Job antrat, waren sie dermassen überteuert, dass man fünf Jahre später einen Verlust von 95% erlitten hatte.

Mit anderen Worten: Ein gutes Unternehmen ist nicht unbedingt eine gute Investition?

Das ist die entscheidende Lektion. Beim Investieren geht es nicht darum, gute Dinge zu kaufen, sondern darum, Dinge gut zu kaufen – und wer den Unterschied nicht versteht, sollte kein Investor sein. Der nächste Schritt in meiner Karriere führte mich zu Hochzinsanleihen. Nun investierte ich in die schlechtesten öffentlich zugänglichen Unternehmen Amerikas, aber ich verdiente mit ihren Anleihen konstant und sicher Geld, weil ich sie zu so günstigen Preisen kaufte. Das illustriert, was die Essenz einer Blase ausmacht: Es gibt nichts, das so gut ist, dass es nicht überbewertet und gefährlich werden könnte. Umgekehrt gibt es fast nichts, das so schlecht ist, dass es bei einem ausreichend niedrigen Preis nicht ein guter Kauf sein kann.

Doch hier das Problem: Blasen sind im Nachhinein deutlich erkennbar, aber selten, wenn sie sich entwickeln. In effizienten Märkten sollte es sie eigentlich gar nicht geben.

Die Vorstellung, dass der Markt immer Recht hat, ist verrückt. Als ich an der Universität von Chicago studierte, hatte Eugene Fama gerade seine bahnbrechende Arbeit zur Hypothese effizienter Märkte vorgelegt. Wie ich aber in meinem Memo «What’s It All About, Alpha?» von 2001 festgehalten habe, lehrte ich in der Praxis bald, dass der Markt nicht immer richtig liegt. Bedenken Sie dies: An dem Tag, an dem ich meine Arbeit in der Investmentbranche aufnahm, notierte Xerox bei, sagen wir, 100 $. Fünf Jahre später war der Kurs auf 5 $ gesunken. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass beide Kurse korrekt waren. Und trotzdem bin ich vom Konzept der Markteffizienz überzeugt.

Wieso denn?

Die Hypothese effizienter Märkte besagt im Prinzip, dass die anderen Marktteilnehmer intelligent sind, hoch motiviert sind und hart arbeiten. Warum sollten sie also Schnäppchen auslassen, die man einfach vom Boden auflesen kann? Der Markt ist gut darin, alle verfügbaren Informationen sofort einzupreisen. Und genau das repräsentiert der aktuelle Kurs: Er reflektiert die allgemeine Meinung exakt und effizient. Doch diese Meinung kann falsch sein, und das ist der Grund für Blasen: tiefgreifende Irrtümer, die von psychologischen Extremen angetrieben werden und es den Preisen erlauben, sich von rationalem Denken zu lösen.

Welche Rolle spielen staatliche Eingriffe bei solchen Verzerrungen? In einem Memo vom letzten Herbst haben Sie sich besorgt über den zunehmenden Interventionismus von Regierungen und Zentralbanken geäussert.

Eine der grossen Differenzen im Leben besteht darin, dass manche Leute glauben, der Staat könne das Problem lösen, wogegen andere dies bestreiten. In den USA sind die erste Gruppe die Demokraten, die zweite die Republikaner. Letztlich gewinnen die Gesetze der Wirtschaft aber stets die Oberhand. Unmittelbar vor dem Zenit der Internetblase beispielsweise handelte die US-Notenbank aktivistisch. Sie glaubte, dass man bei jedem Problem einfach etwas zusätzliche Liquidität ins System pumpen könne, und schon sei es gelöst. Aus Sorge vor dem Millennium-Bug, bei dem befürchtet wurde, dass Computer wegen der Datumsumstellung von 1999 auf 2000 abstürzen würden, flutete sie deshalb das Finanzsystem. Solche Befürchtungen erwiesen sich jedoch als masslos übertrieben. Das Fed löste also ein Problem, das gar nicht existierte.

Echte Probleme gab es damals aber angesichts der Blase an der Börse, vor der Sie kurz vor dem Platzen im Memo «bubble.com» warnten. Inwieweit lässt sich die damalige Euphorie um das Internet mit der heutigen Obsession um künstliche Intelligenz vergleichen?

Ich bin kein Experte in Sachen künstliche Intelligenz, und ich habe keine Ahnung von KI-Aktien. KI ist momentan aber klar das heisse, neue Ding, und die Technologie hat enormes Potenzial. Wir wissen wahrscheinlich mehr über ihre guten als schlechten Seiten, aber sie wird die Welt fundamental verändern, so wie es das Internet getan hat. Trotzdem: An der Börse wird Nvidia so gehandelt, als ob das Unternehmen für immer der grosse Profiteur sein werde, weil es heute bei der Entwicklung von KI-Chips führend ist. Offensichtlich ist Nvidia sehr schnell gewachsen und erzielt hohe Gewinne. Ich kann daher nicht sagen, ob die Aktie zum 30-Fachen des Gewinns überbewertet ist; je nachdem, welcher Gewinnschätzung Sie glauben. Der entscheidende Aspekt ist jedoch Beständigkeit.

Was meinen Sie damit?

Überlegen Sie sich einmal: Von den zwanzig grössten Unternehmen im S&P 500 zu Beginn des Jahres 2000 sind heute nur noch sechs unter den Top 20. Noch bemerkenswerter: Unter den sogenannten «Magnificent Seven» ist Microsoft das einzige Unternehmen, das vor 25 Jahren unter den Top 20 rangierte. Das Fazit ist, dass marktbeherrschende Unternehmen viel schneller ins Hintertreffen geraten können, als Anleger erwarten. In Blasen behandeln die Leute Branchenleader – und zahlen für ihre Aktien – so, als ob sie jahrzehntelang führend bleiben werden. Zudem glauben sie, dass sich die anderen Unternehmen aus dem gleichen Segment ebenfalls durchsetzen werden. Manche haben tatsächlich Erfolg, andere nicht, doch Veränderung ist eher die Norm als Beständigkeit. Ohne viel über KI zu wissen, halte ich es daher für wahrscheinlich, dass einige der heissen KI-Aktien in fünf Jahren sehr viel tiefer notieren werden.

Aber weshalb kommt es immer wieder zu solchen Fehleinschätzungen?

Es ist einfach schwer, die Radikalität von Veränderungen vollständig zu erfassen. Als Aktienanalyst verfolgte ich früher das Industriekonglomerat Textron. Es hatte vier Sparten, und man schätzte seinen Gewinn, indem man die Ergebnisse jeder Sparte einzeln schätzte und dann aufsummierte. In der Regel schnitten zwei Sparten gut und zwei schlecht ab, aber ich unterschätzte immer, wie gut die guten Sparten abschneiden würden, und wie schlecht die schlechten. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Dinge so stark verändern können, wie es der Fall sein kann – und das ist eine der Ursachen für Blasen: der Glaube, dass es so weitergeht wie bisher, was oft nicht stimmt.

Wie können Anleger von diesen Übertreibungen profitieren?

Das Problem ist, dass man nicht jeden Tag einen grossen Anlageentscheid treffen kann. Dies, weil es nicht jeden Tag etwas gibt, das so verrückt ist, dass man es klar identifizieren kann und damit wahrscheinlich richtig liegt. In meinen mehr als fünfzig Jahren im Investmentgeschäft habe ich fünf grosse Anlageentscheide getroffen, die sich als richtig erwiesen haben. Wenn ich das aber 5000-mal versucht hätte, wäre meine Trefferquote wohl bestenfalls 50%; und wenn ich mich meinen Vorurteilen hingeben würde, wären es wahrscheinlich 40% oder bloss 30%. Es gibt nicht viele Gelegenheiten, bei denen der Konsens irrsinnig falsch liegt und totale Einstimmigkeit herrscht. Einstimmigkeit ist das, was die Märkte zu Extremen treibt. Bestehen unterschiedliche Meinungen, bewegen sich die Preise in einem vernünftigen Rahmen. Aber wenn sich alle einig sind, dann wird es verrückt.

Wie verrückt ist demnach die Situation heute?

Meiner Meinung nach ist die Psychologie im Markt optimistisch, aber nicht verrückt. Ich höre keine Äusserungen wie «diese Rakete fliegt zum Mond» oder «jetzt musst Du einsteigen, sonst verpasst Du es und nervst Dich dann tödlich». Die Leute sagen auch nicht: «Kein Preis ist zu hoch». Kurzum: Die Preise sind hoch, aber nicht irrsinnig. Und wenn die Preise lediglich hoch sind, bedeutet das nicht, dass der Markt zwangsläufig sinken wird.

Wie sollten Anleger dieses anspruchsvolle Umfeld navigieren?

Machen wir dazu ein Gedankenspiel: Ich würde sagen, dass US-Aktien derzeit 20 bis 30% überbewertet sind. Entsprechend stehen die Chancen gut, dass der Markt in einem Jahr tiefer liegt. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 60 bis 65%, würde ich sagen. Das bedeutet aber auch, es besteht eine Chance von 35 bis 40%, dass der Markt höher liegen wird. Folglich besteht eine Tendenz, dass die Kurse sinken werden, aber das ist alles andere als sicher. Die Wahrscheinlichkeit liegt nicht bei 100%, 90% oder auch nur 75% – also nichts, worauf man sich verlassen könnte. Man muss sich deshalb bewusst sein, dass alles passieren kann, solange sich die Bewertungen nicht auf einem verrückten Niveau bewegen.

Anders gesagt, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auszusteigen?

Nein, das ist keine solche Situation. Die Konjunktur in den USA läuft gut, und langfristig können die meisten Unternehmen ihren Gewinn dank der Kombination aus einer expandierenden Wirtschaft und talentierten Managern steigern. Wer gegen den Markt wettet, wettet somit gegen diese starken Kräfte. Historisch steigen Aktien in etwa acht von zehn Jahren, manchmal sogar neun oder zehn Jahre in Folge. Wetten auf sinkende Kurse sind daher äusserst riskant, und man muss die Chancen auf seiner Seite haben. Heute stehen die Chancen dafür nicht gut genug. Wenn man das heutige Marktgeschehen als Blase bezeichnet und im grossen Stil auf einen Kursrückgang setzt, geht man somit ein erhebliches Risiko ein, dass man am Ende auf einer Barre herausgetragen wird.

Wenn sich die Zinsen auf einem höheren Niveau normalisieren, erhalten Aktien jedoch vermehrt Konkurrenz von Anleihen. Wie Sie im Memo «Sea Change» Ende 2022 argumentiert haben, verändert sich das Marktumfeld dadurch grundlegend.

Ich bleibe der Meinung, dass diese These stimmt. Dies, auch wenn Aktien aufgrund von zunehmendem Optimismus weiter avanciert sind. Bemerkenswert ist, dass der Anstieg an den US-Börsen Ende 2022 durch Erwartungen auf Zinssenkungen in Gang kam. 2023 kam es dann aber nicht zu einer Lockerung der Geldpolitik, doch gegen Ende des Jahres setzte sich die Hausse fort, weil Anleger für 2024 auf sechs Zinssenkungen spekulierten. Wie wir heute wissen, hat das Fed die Zinsen letztes Jahr aber bloss dreimal gesenkt, und zuletzt sind die Erwartungen für dieses Jahr auf nur noch zwei statt vier Zinsschritte gesunken. Dennoch hat sich der S&P 500 aufgrund der robusten US-Wirtschaft, wachsender Zuversicht und des Mangels an internationalen Alternativen für Aktienanleger ausgesprochen gut entwickelt.

Ein wichtiger Grund für den derzeitigen Optimismus ist die Aussicht auf eine unternehmensfreundliche Politik der Trump-Regierung. Wie werden sich die Veränderungen in Washington auf Investments auswirken?

Derzeit kann man dazu nur sagen, dass die Folgen weitgehend unvorhersehbar sind. Es ist enorm riskant, darauf zu wetten, was die Trump-Regierung tun wird. Offensichtlich besteht die Absicht, Washington aufzumischen. Die meisten Leute würden wohl zustimmen, dass der Staatsapparat in den USA nicht gut funktioniert und nicht effizient ist. Doch es fragt sich A): Ist dieses Problem lösbar? Und B): Werden Bemühungen, es zu lösen, erfolgreich sein? Das sind zwei unterschiedliche Fragen, und in der Vergangenheit hat sich gezeigt, wie schwer es ist, Washington zu verändern. Im Prinzip kann man daher nur sagen, dass die Welt ungewisser geworden ist. Entwicklungen, die man üblicherweise als Extremereignisse bezeichnen würde, sind unter Trump wahrscheinlicher – und zwar auf beiden Seiten der Verteilungskurve.

Wie lautet also Ihre Empfehlung für die Ausrichtung des Portfolios?

Bei den heutigen Zinsen eröffnen sich an den Kreditmärkten sehr attraktive Perspektiven. Aber selbst dort haben sich Chancen verringert, weil der Ansturm von Investorengeldern zu höheren Preisen und somit zu sinkenden Renditen geführt hat. Im Dezember 2022 rentierten Hochzinsanleihen 9,5%, heute sind es noch etwa 7,3%. Andererseits prognostiziert Goldman Sachs angesichts der hohen Bewertung von US-Aktien, dass der S&P 500 in den nächsten zehn Jahren durchschnittlich bloss 3% pro Jahr abwerfen wird. Analysen von J.P. Morgan auf Grundlage historischer Daten implizieren eine noch bescheidenere Rendite von 2% oder weniger. Derweil kann man mit Krediten auf vertraglich gesicherter Basis 7 bis 10% verdienen. Meiner Meinung nach ist das deshalb noch immer ein intelligenteres Investment.

Wie Sie eingangs gesagt haben, können Exzesse auch in die andere Richtung gehen, wodurch sich sozusagen «Anti-Blasen» bilden. Wo gibt es heute solche Situationen?

Die besten Beispiele sind China und Bürogebäude. In der Endphase eines Bullenmarktes, wenn es richtig verrückt wird, sind die Leute überzeugt, dass es nur noch besser werden kann. Der Markt für Bürogebäude ist derzeit im entgegengesetzten Extrem: Gemäss der vorherrschenden Mentalität wird es nie besser werden; die Nachfrage wird nie wachsen; wir werden nie neue Büros brauchen und die Leerstandsquote wird immer hoch bleiben. Diese pauschal negative Einstellung erfüllt das erste Kriterium einer Anti-Blase. Doch dann stellt sich die Frage: Liegt der Konsens falsch? Das kann nur jemand beurteilen, der sich mit Immobilien auskennt. Mein Eindruck ist aber, dass sich Bürogebäude in der dritten und letzten Phase eines Bärenmarktes befinden, in der alle glauben, dass es nur noch schlimmer werden kann.

Und was ist mit China?

Grundsätzlich schliesse ich nicht aus, dass China seine Wirtschaft umstrukturieren kann. Das Land verfügt nach wie vor über viele Arbeitskräfte, und das Sentiment ist extrem negativ. Das heisst, die Realität ist wahrscheinlich nicht so schlimm, wie die Leute befürchten. Eine derart pessimistische Stimmung ist eine der Grundvoraussetzungen, auf die Investoren achten sollten, um potenziell profitable Möglichkeiten für Investments zu erwägen.

Manche Dinge sind aber zurecht billig. Ein mieses Auto zum Beispiel ist kein guter Kauf, nur weil es zu einem niedrigen Preis angeboten wird.

Klar, aber betrachten wir dazu folgende zwei Haufen: Stapel A besteht aus Vermögenswerten, über die die Leute alles wissen. Sie haben das Gefühl, dass sie diese Anlagen verstehen, fühlen sich damit wohl, halten sie für seriös und sind optimistisch. Auf Stapel B befinden sich Anlagen, bei denen sich die Leute nicht sicher sind, ob sie sie verstehen. Sie sind pessimistisch, zweifeln an der Seriosität, fürchten sich vor Risiken und halten die Aussichten für ungünstig. Wo liegen also die Schnäppchen? Die Schnäppchen befinden sich immer auf dem zweiten Stapel. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn man sagt, dass ein Vermögenswert, den alle lieben, ein Schnäppchen ist. Wenn alle etwas lieben, dann ist diese Zuneigung eingepreist.

Doch was ist mit dem Risiko, in eine Value Trap zu geraten? Also der Gefahr, dass ein Investment nur scheinbar günstig bewertet ist?

Natürlich sollte man nicht alles auf Stapel B kaufen. Einige dieser Anlagen sind eine Value Trap. Doch auf diesem Haufen ist das Potenzial am grössten. Wenn hundert Minenarbeiter auf Stapel A graben, sollte man sich davon fernhalten. Es ist zu schwierig, weil zu viele Leute ihr Glück versuchen und sie den Preis für eine Parzelle Land in die Höhe treiben. Deshalb gräbt man auf dem anderen Haufen. Das mag sich als Fehler herausstellen, aber zumindest wissen wir, dass er nicht überfüllt ist. Man erhält etwas Platz, um eine Mine zu erschliessen, und kann hoffen, dass man vielleicht auf Gold stösst.

Howard Marks

Howard Marks ist Co-Chairman von Oaktree Capital Management. Seit der Gründung von Oaktree 1995 ist er dafür verantwortlich, dass sich die US-Investmentgesellschaft nach den Kernprinzipien ihrer Anlagephilosophie richtet. Er pflegt einen engen Kontakt zu Kunden hinsichtlich Anlageprodukten sowie Strategien. Zudem bringt er seine Erfahrung ein, wenn es um fundamentale Entscheide zu Investitionen und der Unternehmensausrichtung geht. Howard Marks ist in der internationalen Finanzbranche für seine «Memos» an Oaktree-Kunden bekannt. Warren Buffett hat dazu einmal gesagt: «Wenn ich ein Memo von ihm in meiner Mailbox sehe, ist es das Erste, was ich öffne und lese. Ich lerne dabei immer etwas.»
Exit mobile version