Sonntag, November 17

Im Roman gehe es auch um ein indigenes Mädchen, das Stereotype wiedergebe, kritisieren Aborigines. Oliver zeigt Reue und versöhnt sich bei einer Reise durch Australien mit den Indigenen.

Jamie Oliver ist nicht nur ein bekannter Fernsehkoch, sondern auch der zweiterfolgreichste britische Autor nach J. K. Rowling. Er hat bereits 26 Kochbücher veröffentlicht, je nach Angaben hat er bis zu 50 Millionen Stück davon verkauft. Neuerdings publiziert Oliver, fünffacher Vater, auch Kinderbücher. Darin erlebt der junge Billy jede Menge Abenteuer.

Nach dem ersten Roman «Billy and the Giant Adventure», der letztes Jahr erschienen ist, folgte im Mai «Billy and the Epic Escape». Monate nach der Veröffentlichung nimmt ihn der Verlag Penguin Random House wieder aus dem Verkauf, und Oliver entschuldigt sich. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung und Verbreitung von Stereotypen über die indigenen Völker Australiens.

Das umstrittene Fantasy-Kinderbuch spielt in England, aber es gibt einen Abstecher ins Outback in Australien, nach Alice Springs. Dort entführt der Bösewicht ein indigenes Mädchen namens Ruby aus der fiktiven Gemeinde Barolama. Ruby erzählt dann den englischen Kindern, sie könne Gedanken lesen und mit Tieren und Pflanzen kommunizieren, denn «that’s the indigenous way», das sei die Art der Indigenen.

Die Darstellung des indigenen Mädchens Ruby sorgt in Australien, wo Oliver in den letzten Wochen mit seinem Buch tourte, für Kritik. Die National Aboriginal and Torres Strait Islander Education Corporation erklärte dem «Guardian», das Buch trage zur «Auslöschung, Trivialisierung und Stereotypisierung der Völker und Erfahrungen» der Indigenen bei.

Keine Rücksprache mit den Indigenen

Besonders stark wird das Buchkapitel «Ein Kind wird geraubt» kritisiert, in dem Ruby aus der Indigenen-Gemeinschaft entführt wird. Damit werde impliziert, dass indigene Familien leicht zu beeinflussen seien und ihre Kinder vernachlässigten. Das sei ein rassistisches Stereotyp, das bei der gewaltsamen Verschleppung von Kindern der Torres-Strait-Insulaner und Aborigines durch die Weissen im 20. Jahrhundert verbreitet worden sei. Zudem mache Oliver bei der Verwendung von Begriffen aus indigenen Sprachen Fehler.

In einer Erklärung schreibt Oliver, er sei «devastated», erschüttert, und entschuldige sich «von ganzem Herzen». Es sei nie seine Absicht gewesen, dieses «zutiefst schmerzhafte Thema» falsch zu interpretieren. Das Buch wurde laut Verlag publiziert, ohne mit indigenen Gruppen Rücksprache zu halten.

Kitschiges Happy End

Passend zum Thema ist Oliver gerade auf Tour durch Australien, wo er vor allem sein neues Kochbuch bewirbt. Im Interview mit dem Sender 10 News First sagte Oliver, als er das Buch geschrieben habe, habe er geglaubt, einen Liebesbrief an die indigene Bevölkerung Australiens zu schreiben. Bei seinem Besuch in Australien habe er eine «steile kulturelle Lernkurve» erlebt.

Und es klingt, wie wenn er mit seiner tiefen, weichen Stimme melodisch bis meditativ in seinen TV-Shows die Zutaten und deren kunstvolle Kombination beschreibt. Ein sympathischer Typ: «Es gibt eine magische Welt, es geht um wunderschöne Natur, Freundschaft, Liebe . . . ich bin eigentlich so stolz auf das Kinderbuch», sagt Oliver.

Später kommt eine Frau dazu, Mundanara Bayles. Sie gehört selber zu den Aborigines und ist Chefin eines Unternehmens, das Kurse zur Vermittlung der indigenen Kultur anbietet. Sie umarmt Oliver, die beiden sind gerührt. Es wirkt jetzt etwas kitschig: «Du bist eine neue Freundin, am Ende geht es um Kontakte, Beziehungen, Vertrauen», säuselt Oliver, und Bayles antwortet: «Wir Indigenen haben einen neuen Verbündeten.» Es scheint Oliver trotzdem ernsthaft zu schmerzen, dass sein Buch nicht mehr im Buchhandel erhältlich ist, auch wenn die wichtige Anfangsphase im Verkauf schon längst vorbei ist.

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