Donnerstag, November 14

Der Basler macht kein Hehl daraus, dass er an der EM unzufrieden war. Er hat in der Heimat zu seiner Form gefunden und spielt mit dem FCB gross auf. Was danach kommt? Im besten Fall eine Familie.

Xherdan Shaqiri, Sie lebten lange in den USA, gerade wurde dort Donald Trump zum neuen Präsidenten gewählt. Haben Sie das mitverfolgt?

Ein bisschen, ja, aber ich bin nicht gross drin im Thema. Ich konnte ja ohnehin nichts beeinflussen.

Sind Sie ein politischer Mensch?

Nein, eher weniger.

Nehmen Sie an Abstimmungen und Wahlen teil?

Ja, das schon. Ich finde, das sollte man machen als Bürger.

Und welche Partei wählen Sie?

Das wiederum sollte man für sich behalten.

Als Sie nach all den Jahren in der Fremde zurückgekommen sind, war die Euphorie in Basel riesig. Klingelt es jetzt immer noch täglich daheim in Kaiseraugst, weil Leute ein Autogramm wollen?

Bei mir im Block treffe ich immer wieder Leute an, die einen Schal des FC Basel dabeihaben oder ein Trikot der Nationalmannschaft. Und die Eltern und die Schwester kommen jeden Tag mit etwas heim, das ich unterschreiben soll.

Die Leute wissen also, wo Sie wohnen . . .

. . . ja. Viele meinen ja, ich wohne bei den Eltern, aber ich habe meine eigene Wohnung auf dem gleichen Stock.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie in Chicago die Ruhe genossen hätten. Jetzt wollen alle etwas. Wie ist das?

Es ist schon so: In Chicago konnte ich zwei Stunden im Starbucks sitzen, das hat niemanden interessiert. Jetzt kennen mich alle, überall, und alle wollen etwas. Beim Tanken. Auf der Herbstmesse in Basel. Beim Essen, auch in Zürich. Junge, Alte. Alle.

Geniessen Sie es?

Es ist einfach interessant, dass es in der Schweiz passiert.

Weil die Schweiz sonst ein Land ist, in dem so etwas nicht passiert.

Genau. Es gibt Leute, die mich sehen und schreien, als wäre ich ein Rockstar. Ich verstehe es nicht immer. (Lacht.) Aber so ist es halt.

Sie sind im Schweizer Sport eine Figur wie sonst vielleicht nur der Skifahrer Marco Odermatt: Es gibt eigentlich niemanden, der Sie nicht mag. Als Sie kürzlich in Winterthur gross aufspielten, klatschten am Ende auch die Heimfans. Warum ist das so?

Ich weiss es auch nicht. Ich bin halt ein relativ cooler Typ, war nie arrogant zu den Leuten. Ich habe auch nie etwas Schlechtes gesagt über andere Dialekte, andere Kantone. Und ich glaube, ich bin sehr bodenständig, trotz allem, was ich erreicht habe.

Wie wichtig ist Ihnen Ihr Image?

Es ist sehr wichtig, dass man darauf achtet, zumal wir für die Jungen grosse Vorbilder sind. Das war auch ein Grund, warum mich der Präsident David Degen und der Sportdirektor Daniel Stucki zum FC Basel zurückgeholt haben.

Hand aufs Herz: Hätten Sie vor ein paar Wochen gedacht, dass der FC Basel in der Tabelle so schnell vorne mitmischen wird?

Ich hatte es gehofft, aber ich wusste auch, dass es am Anfang ein wenig Geduld braucht. Jetzt ist es wichtig, dass wir konstant bleiben, das wird eine Herausforderung.

Vor dem Heimspiel gegen YB vor ein paar Wochen stand der Trainer Fabio Celestini stark unter Druck. Ihr habt 1:0 gewonnen, vieles ist seither besser geworden. Warum?

Wir trainieren hart, arbeiten an den Mechanismen. Es brauchte Zeit, bis wir uns verstanden. Viele jüngere Spieler waren am Anfang etwas schüchtern, wenn ich etwas gesagt habe. Ich spreche mit ihnen, wenn etwas nicht gut ist, und helfe ihnen, es besser zu machen. Es ist das eine, Videos von mir zu sehen, und das andere, mit mir zu spielen.

Ihre Körpersprache auf dem Platz hat sich auch verändert. Sie wirken fitter als beim harzigen Beginn, als manche Sie schon abschrieben.

Ich bin nicht der, der nach dem Spiel hinsteht und sagt, dass die Waden Probleme machten, auch wenn es am Anfang so war. Jetzt fühle ich mich immer besser.

Was ist diese Saison für den FCB möglich?

Es ist sehr eng. Zwei Niederlagen, und man ist Achter. Zwei Siege, und man ist Erster. Alles ist möglich.

Auch der Titel? Die Konstellation ist doch wie gemacht für den FC Basel: Der langjährige Dominator YB schwächelt, der Rest der Konkurrenz nimmt sich die Punkte weg.

Ich habe für drei Jahre unterschrieben, nicht nur für ein Jahr. Und man sieht ja auch, wie sehr sich die Fans freuen. Ich will gar nicht wissen, wie es abgeht, wenn wir wieder einmal einen Titel auf dem Barfüsserplatz feiern können. Deshalb bin ich auch zurückgekommen.

Als Sie den FC Basel 2012 verliessen, war er ein Siegerklub. Was für einen Groove haben Sie jetzt angetroffen?

In den letzten Jahren ist es sportlich nicht immer gut gelaufen, letzte Saison ging es sogar gegen den Abstieg. Wenn man aus Basel kommt und Titel gewonnen hat mit dem Klub, blutet einem da schon das Herz.

Aber Sie haben sich nie via Social Media eingeschaltet, so wie Granit Xhaka das immer wieder macht.

Ich war immer einer, der sich da eher zurückgehalten hat, weil ich selbst ja nicht wusste, was im Klub genau passiert.

Haben Sie mit Granit Xhaka darüber gesprochen, dass er auch nach Basel zurückkehren soll?

Nein. Wir wissen alle, dass er den FC Basel liebt, ihn immer im Herzen trägt. Aber es muss vieles stimmen, dass er zurückkommt. Er ist letztes Jahr Meister geworden mit Leverkusen und hatte einen riesigen Anteil an diesem Erfolg. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, dass er endlich seinen ersten Meistertitel in einer grossen Liga geholt hat. Das ist wichtig für sein Selbstvertrauen, auch wenn Granit davon schon immer viel hatte.

In den letzten Jahren ging es beim FCB ziemlich wild zu und her, mit all den Transfers auf allen Ebenen. Haben Sie vor Ihrem Wechsel zum Präsidenten David Degen gesagt, dass es nun ruhiger und solider werden müsse?

Ich glaube, ich muss jetzt nicht alles erzählen, was ich mit den FCB-Verantwortlichen besprochen habe. Es ist ruhiger geworden im Klub, auch medial, Dave selbst ist zurückhaltender. Er hat sicher gelernt aus den Fehlern, die gemacht worden sind. Der FC Basel kann ja nicht nur ein Verkaufsklub sein, sondern muss auch erfolgreich sein.

Sie haben nach Ihrer Rückkehr gesagt, dass Sie diese Winnermentalität einbringen wollten. Wie machen Sie das?

Eine Winnermentalität beinhaltet zum Beispiel, immer weiterzumachen. Ein Beispiel ist unser Spiel kürzlich in Winterthur, da führten wir mit drei, vier Toren, aber ich sagte zu den Mitspielern: «Jetzt schalten wir sicher nicht ab.» Es geht immer weiter, zum nächsten Tor, zum nächsten Sieg.

Wie lief eigentlich Ihre Rückkehr zum FCB genau ab?

Der Kontakt entstand in diesem Sommer relativ früh. Ich hatte noch einen Vertrag in Chicago, für mich war klar, dass der Transfer nur möglich ist, wenn ich den auflösen kann. Ich wollte unbedingt zum FCB. Wir haben es geschafft, das alles geheim zu halten. Das hat mir gezeigt, dass im FC Basel wieder ein anderer Wind weht. Wenn nicht einmal der Transfer-Guru Fabrizio Romano vorher etwas schreibt, hat man es top gemacht.

Sie haben für den Wechsel auf viel Geld verzichtet, gleichzeitig gelten Sie als bestbezahlter Spieler in der Geschichte der Super League. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Alle guten Spieler kosten etwas . . . (Lacht.) Ich habe ja auch 125 Länderspiele bestritten. Aber ich habe tatsächlich auf viel Geld verzichtet, auf sehr viel Geld, es gab andere Anfragen. Es sind Welten zu meinem letzten Vertrag in Chicago, aber für mich ging es ja auch nicht um den Lohn. Ich wusste von Anfang an, dass wir uns ohne Knorz finden werden.

Reden wir über die EM mit der Schweiz im Sommer, den Viertelfinal gegen England, als Ihr Eckball in der Verlängerung am Lattenkreuz gelandet ist. Wie oft denken Sie noch daran?

Immer wieder. Ich werde auch oft darauf angesprochen. Ich probierte es einfach. So ist der Fussball.

Es wäre der ultimative Shaqiri-Moment gewesen.

Ja, das wäre es gewesen.

Sie haben an der EM erstaunlich wenig gespielt, insgesamt nur 71 Minuten. Wie denken Sie mit ein paar Monaten Abstand darüber?

Ich denke immer noch gleich wie damals. Es war zu wenig.

Es hat immer geheissen, Shaqiri sei nicht fit genug, es reiche nicht für mehr.

Ich habe das nicht verstanden und war anderer Meinung.

Es gab bezüglich Ihrer Rolle Streit mit dem Nationaltrainer Murat Yakin, wie man hören konnte.

Streit nicht, nein. Aber ja, wir hatten Gespräche, und ich kann sagen, dass wir nicht immer derselben Meinung waren.

Hat Yakin Sie vor dem Turnier tatsächlich darüber informiert, dass er Sie nur noch als Ergänzungsspieler sieht?

Es gab Gespräche, aber nicht über meine Rolle. Für mich gibt es eine solche Rollenverteilung im Vorfeld ohnehin nicht, sorry. An einem Turnier schaut man, wer am besten drauf ist, wer gut trainiert, wer bereit ist für grosse Spiele. Man kann nicht schon vorher sagen: Du machst das und du das.

Waren Sie enttäuscht über den Umgang von Murat Yakin mit Ihnen?

Jeder Spieler ist enttäuscht, wenn er nicht spielt. Ich habe es nicht verstanden. Ich fand, wenn ich gespielt habe, habe ich geliefert. Ich bin aber nicht einer, der dann zum Stinkstiefel wird und nachtritt.

Hat sich Murat Yakin nach dem Rücktritt einmal bei Ihnen gemeldet?

Nein.

Kann man also sagen, dass Xherdan Shaqiri mit einem anderen Nationaltrainer nach der EM nicht zurückgetreten wäre?

Ich habe schon vor der EM über den Rücktritt nachgedacht, und für mich hat der Moment so gepasst.

Wieso?

Ganz einfach: weil ich mich auf den Klubfussball konzentrieren wollte. Ich bin kürzlich 33 Jahre alt geworden.

33, aber nicht 37. Es gibt viele Menschen, die Sie vermissen im Nationalteam. Ihre Leistungen in den letzten Wochen würden ein Aufgebot rechtfertigen.

Ich habe mich entschieden, und das wird sich im Moment nicht ändern.

Im Moment?

Man weiss nie im Fussball. Aber ich geniesse es, dass ich mich auf den FC Basel konzentrieren kann und auch einmal meine Ruhe habe. Früher waren in der Nationalmannschaft immer alle Augen auf mich gerichtet. Wie fährt er vor? Warum spielt er nicht gut? Was sagt er? Ich war immer in den Schlagzeilen.

Aber ein Comeback für die Nationalmannschaft schliessen Sie nicht generell aus?

Wie gesagt: Man weiss nie im Fussball.

Die EM war die goldene Chance für eine goldene Schweizer Generation, richtig weit zu kommen.

Ja, sicher. Aber man muss am Boden bleiben: Wir dürfen uns nicht vergleichen mit den Engländern, mit den Deutschen, mit den Franzosen. Und wenn erfahrene, langjährige Stammspieler wie Yann Sommer, Fabian Schär oder ich abtreten und Junge nachkommen, ist es nicht so einfach, das Niveau sofort zu halten, die Lücke zu schliessen. Vielleicht gibt es jetzt auch wieder einmal schwierigere Zeiten. Wir haben als Schweizer Team wunderbare Jahre erlebt.

Von den letzten 13 Pflichtspielen hat die Schweiz allerdings nur 2 gewonnen . . .

. . . nur zwei, wirklich?

Ja, an der EM, im richtigen Moment, zum Start gegen Ungarn, und im Achtelfinal gegen Italien. War die EM einfach noch einmal ein Ausreisser nach oben?

Wie gesagt: Wir sind die Schweiz, nicht Frankreich. Und so ein personeller Umbruch geht nicht von heute auf morgen.

Sie standen für geniale Momente, für Kreativität. Sehen Sie jemanden, der Ihre Rolle übernehmen kann?

Das ist für mich schwierig zu beurteilen. Meine spezielle Art zeichnet mich ja aus, so etwas gibt es nicht alle Tage. Früher habe ich den Ball bekommen, weil die anderen wussten, dass ich noch eine Idee habe.

Am kommenden Freitag spielt die Nationalmannschaft gegen Serbien, das waren in der Vergangenheit emotionale Spiele, auch für Sie.

Ja, das war sehr emotional, wobei das zweite, an der WM in Katar, einfacher war als jenes an der WM in Russland, weil wir besser vorbereitet waren. Für mich war es immer wichtig, dass das Sportliche im Vordergrund steht. Das ist mir mit meinen zwei Toren auch gelungen, auch wenn der Jubel den Emotionen geschuldet vielleicht etwas gar euphorisch war.

Werden Sie am Freitag in Zürich im Stadion sein?

Nein. Das sind jetzt Abende, die ich mit der Familie oder mit Kollegen verbringen kann.

In Youtube-Videos mit den schönsten Toren der Fussballgeschichte taucht Xherdan Shaqiri immer wieder auf. Welches ist eigentlich Ihr liebstes Tor?

Da muss ich überlegen. Okay: das Tor gegen Polen, an der EM 2016, dieser Fallrückzieher. Der Adrenalinschub nach dem Tor, das war brutal. Ja, das war das schönste Goal, auch vom technischen Ablauf her.

Das Tor gegen Polen, jenes gegen Schottland zuletzt an der EM, viele andere mehr: Was passiert in diesen Momenten, die gerne als magisch beschrieben werden, in Ihrem Kopf?

Ich habe das einfach in mir, man kann so etwas nicht planen. Fussball, das ist für mich Instinkt. Man muss auch dieses Spitzbübische in sich haben, so etwas zu probieren.

Welches Ihrer 125 Länderspiele würden Sie denn gerne nochmals spielen, wenn Sie könnten?

Gegen Polen. Oder gegen Schweden, der WM-Achtelfinal 2018. Oder an der WM 2014 gegen Argentinien. Ach, es gibt einige, an denen wir nahe dran waren.

Sie haben in Liverpool unter Jürgen Klopp gearbeitet und in München unter Pep Guardiola. Welcher dieser Welttrainer war besser?

Guardiola war für mich fachlich der beste Trainer, er hat für jede Situation eine Lösung gefunden. Klopp war menschlich top, ein Motivator. Er hat die Mannschaft hinter sich gebracht. Guardiola war zurückhaltender, er hat nicht so viel mit den Spielern geredet. Anders als Klopp oder auch Jupp Heynckes und Ottmar Hitzfeld, der sicher einer der wichtigsten Trainer in meiner Karriere war. Er hat mir vertraut und mich 2010 als 18-Jährigen an die WM in Südafrika mitgenommen.

Hitzfeld hat einmal gesagt, dass Sie noch mehr aus Ihrer Karriere hätten herausholen können.

Ich bin sehr stolz auf die tolle Karriere, die ich gemacht habe. Man darf nie vergessen, woher ich komme. Ich würde alles noch einmal genau gleich machen. Im Nachhinein weiss man Dinge immer besser.

Sie waren in München, Mailand, Liverpool, Lyon, Chicago. Wo war das Leben am schönsten?

Ich hatte an vielen Orten eine gute Zeit, durfte viele verschiedene Kulturen kennenlernen. Das macht einen reifer. Am schönsten war es aber immer zu Hause, hier fühle ich mich am wohlsten.

Jetzt sind Sie wieder in Basel. Man weiss aber wenig über Ihr Privatleben. Haben Sie irgendwann Frau und Familie?

Das kommt irgendwann, ja, das ist mein Ziel. Aber Privates bleibt bei mir privat.

Wie lange spielen Sie noch Fussball?

Bis ich am Morgen aufstehe und keine Lust mehr habe – und das kann noch eine Weile gehen.

Und danach: Wird Xherdan Shaqiri Trainer oder Sportchef?

Ich will dem Fussball sicher erhalten bleiben. Ich habe einige Pläne, aber darüber rede ich jetzt nicht, dass bekommt ihr dann schon mit.

Ihr Bruder hat eine Beratungsagentur . . .

. . . Berater werde ich nie im Leben, das kann ich schon einmal garantieren. Trainer kann ich mir eher vorstellen.

Sie könnten irgendwann auch den FC Basel kaufen.

Der FCB ist im Moment in guten Händen.

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