Freitag, November 29

An der Generalversammlung von Berkshire Hathaway spricht Buffett über seine Nachfolger, die Endlichkeit des Lebens und die Gründe dafür, dass ihm seine hohen Bargeldreserven keine Sorgen bereiten.

Dieses Mal ist alles anders. Die Generalversammlung von Berkshire Hathaway beginnt mit einem 30-minütigen Film über Charlie Munger. Es geht um seine Geburt, seinen Werdegang, seine Einschätzungen zur Weltgeschichte. Und es geht um die tiefe Freundschaft zu Warren Buffett. Der Film zeigt Batman und Robin, Dick und Doof, Ernie und Bert, unterlegt von trauriger Musik.

Die Bilder sind eindeutig: Für Munger und Buffett war es eine kaum zu überhöhende Freundschaft, die nun vergangen ist. Im November vergangenen Jahres ist Munger 99-jährig verstorben. Sein Freund und Geschäftspartner Warren Buffett hat sich jetzt zum ersten Mal seit 46 Jahren ohne ihn den Fragen der Aktionäre stellen müssen.

Einer der Anwesenden ist Andrew, ein Bub, der Buffett fragt, was dieser denn tun würde, hätte er noch einen Tag mit Munger. Buffett lacht auf, dann schwelgt er in Erinnerungen. Dem kleinen Andrew sagt er: Man solle nicht bis zum letzten Tag warten, um seine Freunde zu sehen. Besser sei es, so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen.

Buffett und Munger sind zwei Ausnahme-Investoren, welche die Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway zu einem der grössten Unternehmen der USA machten. Buffett als CEO, Munger als stellvertretender Vorsitzender. Buffett betonte jedoch stets, dass der Erfolg seines Unternehmens massgeblich auf seinem Freund beruhe.

Die Generalversammlung von Berkshire Hathaway in Omaha, Nebraska, ist mit ihnen zum Kult geworden. Buffett und Munger sassen stets gemeinsam auf der Bühne, tranken Cola, assen Süssigkeiten und beantworteten die Fragen der Aktionäre. Sie gaben Investment-Tipps, Lebensratschläge und erzählten Witze. Irgendwann wurden Fan-Artikel verkauft, der Event bekam den Beinamen «Woodstock für Kapitalisten».

An der Generalversammlung nahmen dieses Jahr 40 000 Aktionäre teil. Buffett vermisst seinen verstorbenen Freund. Immer wieder sagt er Phrasen wie «Charlie und ich» oder «Charlie sagte immer», dann führt er seine Gedanken aus, von denen er sicher ist, dass Charlie Munger sie gedacht hätte.

Prominente Rolle für Sohn Howard

An der Generalversammlung blickt Buffett, selbst 93-jährig, in die Zukunft, auf eine Zeit, in der auch er gegangen sein wird. Auf der Bühne sitzen mit ihm seine designierten Nachfolger Ajit Jain und Greg Abel. Jain ist 72 Jahre alt und leitet die Versicherungssparte, die einen wichtigen Teil in Buffetts Unternehmenskonglomerat einnimmt. Abel ist 61 Jahre alt und ist stellvertretender Vorsitzender des übrigen Geschäfts.

Schon 2021 hatte Buffett Abel als Nachfolger für seinen Chefposten vorgestellt. Buffett ist Geschäftsführer, Investmentchef und Verwaltungsratspräsident in einem. In Zukunft sollen diese Funktionen auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Die Investmentmanager Todd Combs und Ted Weschler sollen die Aktiensparte verwalten, sein Sohn Howard Buffett als Verwaltungsratsvorsitzender die Firmenkultur erhalten.

Buffett äussert den Wunsch, dass Abel in Zukunft das letzte Wort bei Investment-Entscheidungen hat. Letztlich werde aber der Verwaltungsrat von Berkshire über die Nachfolgeregelung entscheiden, sagt er. Darüber, ob sein Nachfolger so viel Entscheidungsmacht haben wird wie er.

Barmittel und Unternehmensgewinn

Buffett ist unter Investoren für seinen Eigensinn bekannt, mit dem er aber sehr erfolgreich ist. Mit seinen Investment-Entscheidungen hat er in den vergangenen Jahrzehnten die allgemeine Marktentwicklung deutlich übertroffen. Er versteht sich als Value-Investor, er investiert in Unternehmen, denen er eine solide wirtschaftliche Kraft zuspricht und deren Aktien er zu einem akzeptablen Preis kaufen kann. Doch davon findet Buffett anscheinend immer weniger.

Die Bargeldreserven von Berkshire Hathaway sind auf ein Rekordhoch von 189 Milliarden Dollar gestiegen, Ende 2023 waren es noch 167 Milliarden Dollar gewesen, bis Juni könnten sie 200 Milliarden übersteigen, schätzt er am Samstag. Buffett kommentiert trocken: «Das stört mich nicht.» Er betont die zahlreichen Krisen auf der Welt. Einen Grossteil des Geldes hat er in US-Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten angelegt, für ein sehr geringes Risiko bekommt er dafür gegenwärtig über fünf Prozent Rendite.

Mit diesem Vorgehen steigerte Buffett den operativen Gewinn (Ebit) des Unternehmens im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent auf 11,2 Milliarden Dollar. Der Umsatz wuchs um fünf Prozent auf 90 Milliarden Dollar. Für den Anstieg ist auch das Energiegeschäft von Berkshire Hathaway verantwortlich, das um 72 Prozent gewachsen ist.

Beteiligung an Apple

Die am Samstag veröffentlichten Quartalszahlen zeigen ebenso, dass Buffett etwa 13 Prozent seiner Apple-Aktien verkauft hat, Ende März betrug der Wert aller Anteile noch 135 Milliarden Dollar.

Unter den anwesenden Gästen war am Samstag auch Apple-Chef Tim Cook. Er sei von Buffett einen Tag zuvor über die Verkäufe informiert worden, sagte Cook dem US-Fernsehsender CNBC. Apple kämpft gerade mit sinkenden Verkaufszahlen.

Buffett begründet seine Entscheidung am Samstag nicht, er betont jedoch, weiterhin auf Apple zu setzen: «Wenn nichts wirklich Aussergewöhnliches passiert, wird Apple unser grösstes Investment bleiben.»

Buffett ist ein grosser Fan von Apple, noch im Februar machte der iPhone-Hersteller mehr als 50 Prozent des gesamten Aktien-Portfolios von Berkshire Hathaway aus. Dann folgten die Bank of America (rund 10 Prozent), American Express (rund 8 Prozent) und Coca-Cola (rund 7 Prozent).

Höhere Steuern und caritatives Engagement

Im Laufe des Samstags präsentiert sich Buffett auch als Philanthrop. Er sagt: «Unternehmen konzentrieren sich zu sehr darauf, keine Steuern zu bezahlen.» Diese seien jedoch wichtig für das Funktionieren des Gemeinwesens, Buffett spricht sich deshalb für höhere Steuern aus.

Amerika stehe vor fiskalpolitischen Herausforderungen, doch es sei ein Land, das stets grosszügig zu seinen Bürgern gewesen sei. Würden grosse Unternehmen mehr zahlen, könnte das die Mittelschicht entlasten. Unternehmer sollten das gerne tun, denn: «Amerika ist das Land, in dem ich glücklich war. Berkshire hatte Glück, hier zu sein.»

Schon in der Vergangenheit sorgte Buffett mit seinem Einsatz fürs Gemeinwohl für Aufmerksamkeit, mehr als 99 Prozent seines Vermögens sollen nach seinem Tod für caritative Zwecke verwendet werden. Seit 2006 spendete er fast 40 Milliarden Dollar an die «Bill und Melinda Gates»-Stiftung sowie fast 13 Milliarden Dollar an Wohltätigkeitsorganisationen.

Auf der Generalversammlung fragt ihn eine junge Frau, welchen Ratschlag er für das Leben habe. Einen Ratschlag, der so wichtig sei, dass ihn jeder hören sollte. Buffett denkt 20 Sekunden nach, seine Stimme stockt, dann sagt er: «Ich denke jetzt an Charlies Ratschläge.»

Buffett erzählt: Wir sollten einen Job haben, den wir auch lieben würden, wenn wir ihn gar nicht brauchten. Wir sollten eine Person finden, mit der wir unser Leben teilen möchten. Wir sollten herausfinden, worauf wir in unserem Leben einmal zurückschauen möchten. Sobald wir uns darüber im Klaren seien, sollten wir sofort damit beginnen, uns auf den Weg zu machen.

Am Ende der fünfstündigen Generalversammlung wird Buffett sagen: «Ich hoffe nicht nur, dass Sie nächstes Jahr wiederkommen, ich hoffe auch, dass ich nächstes Jahr da sein werde.» Buffett ist sich seiner Endlichkeit bewusst. Von den Aktionären erhält er Standing Ovations. Der Applaus gilt ihm, er gilt aber auch Charlie Munger.

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