Die australische Kunstprofessorin Rachael Gunn verwandelt sich in das B-Girl Raygun und erntet an den Olympischen Spielen Hohn und Spott. Doch das war erst der Beginn der Geschichte.
In einem Instagram-Kommentar hat jemand geschrieben: «Nicht jeder Kunstprofessor ist ein Picasso.» Das tönt plausibel. Es gibt zwar sicher Professoren, die im stillen Kämmerlein den Pinsel schwingen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, so lange wir nicht dazu gezwungen werden, ihre Schwarten bei uns ins Wohnzimmer zu hängen.
Das obenstehende Zitat stammt von der Instagram-Seite der Australierin Rachael Gunn, einer Professorin, die sich vor allem mit der Kulturpolitik des Breaking befasst. Sie hatte ihre Jugendjahre längst hinter sich, als sie auf die Idee kam, selbst als B-Girl die Hüften und die Beine zu schwingen – und zwar öffentlich. Mit 36 Jahren stand sie dann auf der ganz grossen Bühne: an den Olympischen Spielen in Paris.
Sie beweist, dass es fast jeder zu Olympia schaffen kann
Was die Professorin mit dem Künstlernamen Raygun dort zeigte, ging viral, weil es am ehesten als Realsatire auf die Sportart verstanden werden kann. Auf X wurde unter anderem kommentiert, Gunn zeige das, was man zu sehen bekomme, wenn die fünfjährige Nichte sage: «Schau mal, was ich kann!» Jemand dankte ihr, weil nach ihrem Auftritt weltweit Millionen von Menschen dächten: «Uh, ich könnte es auch an die Olympischen Spiele schaffen.»
This will never not be funny. 🤣 #Raygun pic.twitter.com/6hOKMyOue9
— Nara Hodge (@Nara_Hodge) August 12, 2024
Rachael Gunn selbst sagte, sie habe Kreativität in die Sportart gebracht. Die Judges waren halt einfach zu doof, um ihre intellektuelle Art von Kreativität zu verstehen. Sie gaben ihr bei drei Auftritten keinen einzigen Punkt. Mit 0:54 Punkten wurde sie nur deshalb nicht Letzte, weil die Afghanin Manizha Talash wegen eines politischen Slogans auf dem Pulli disqualifiziert und ans Ende der Rangliste gesetzt wurde.
Die Leute in der Szene fanden den Wirbel um Gunn nicht lustig. Breaking wirkte an den Spielen von Paris ohnehin wie ein Fremdkörper, und dass die einzigen grossen Schlagzeilen einer Lachnummer galten, hilft diesem Sport auch nicht wirklich weiter. In Australien weinten B-Girls, viele mussten ihre sozialen Netzwerke auf privat stellen, weil diese mit ätzenden Kommentaren geflutet wurden. Raygun hat unterdessen gesagt, es tue ihr sehr leid, dass die Community wegen ihres Auftritts einen Rückschlag erlitten habe.
Eine Weltrangliste, für die Olympia nicht zählt
Vor einer Woche gab der Internationale Tanzsport-Verband WDSF den Spöttern neue Nahrung, als er die neue Weltrangliste veröffentlichte. Und man rieb sich die Augen, denn die Nummer 1 bei den B-Girls war tatsächlich Rachael Gunn. Am ozeanischen Qualifikationsevent für die Spiele von Paris hatte sie 1000 Punkte eingeheimst, das katapultierte sie an die Spitze. Dabei war auch diese Qualifikation kritisiert worden, weil viele bekannte B-Girls gar nicht teilnahmen.
Die Weltrangliste ist inzwischen aber schon wieder Makulatur. Auf der Website des Verbands steht nun, dass es demnächst ein neues Ranking geben werde. Dieses solle die Realität im Breaking besser abbilden. Konkret heisst das: Man hat ein bisschen spät gemerkt, dass zum Beispiel die Resultate der Olympischen Spiele auch einbezogen werden könnten.
Rayguns Känguru-Hüpfer wird man übrigens nicht so bald wieder live zu sehen bekommen. Aus dem B-Girl Raygun wird wieder die Professorin Rachael Gunn. Und ihre Performance von Paris wird sicher irgendwann als Randnotiz in der Kulturgeschichte des Breaking gelten.