Dienstag, April 1

Am kommenden Mittwoch soll der ehemalige Nationalbankpräsident und heutige Blackrock-Vizepräsident den Bundesrat zum Umgang mit den USA beraten. Wieso sich damit ein Kreis schliesst und was er in den vergangenen 13 Jahren gemacht hat.

Donald Trump lässt kaum einen Stein auf dem anderen, und Bundesbern ist gefordert, unschweizerisch schnell darauf zu reagieren. Der Bundesrat geht deshalb in Klausur. Wie der «Blick» zuerst publik gemacht hat, soll der ehemalige Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand am 2. April – an dem Tag, an dem der amerikanische Präsident Trump seine reziproke Zollkeule schwingen will – den Bundesrat zum Umgang mit den USA und der Administration Trump beraten. Hildebrand wollte auf Anfrage dazu nicht Stellung nehmen.

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Der Bundesrat holt sich bei jemandem Rat, dessen Karriere in der Schweiz vor 13 Jahren ein abruptes Ende genommen hat. Wobei, ganz weg war er nie. Aber der 9. Januar 2012 gab seinem Leben eine unerwartete Wende.

An diesem Tag musste Philipp Hildebrand einsehen, dass er im Interesse der Institution, die er präsidierte, als Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), zurücktreten musste. Zum Verhängnis wurde ihm, dass seine damalige Frau, die Kunstgaleristin Kashya Hildebrand, im Vorfeld der vom SNB-Präsidenten verantworteten Einführung eines Mindestkurses anscheinend ohne sein Wissen eine halbe Million Dollar gekauft hatte. Der von Hildebrand vehement bestrittene Vorwurf stand im Raum, dass sie dabei von Insiderwissen profitiert hatte.

Hildebrand wurde nie ein strafbares Vergehen nachgewiesen. Doch die Nationalbank verschärfte in der Folge ihre Corporate Governance, und die Karriere eines Schweizer Zentralbankers nahm ein abruptes vorläufiges Ende, der es wie kaum ein anderer verstanden hatte, seinen Einfluss in internationalen Gremien geltend zu machen.

Nach London, New York und in den Nahen Osten

Der Bundesrat wählte Hildebrand 2003 ins Direktorium der SNB. Der Finanzspezialist hatte zuvor beim Hedge-Fund Moore Capital in London und New York, aber auch bei Schweizer Privatbanken gearbeitet. Bei der SNB betreute er in der grossen Finanzkrise die Rettung der UBS und engagierte sich stark im damaligen Finanzstabilitätsforum. Er arbeitete unter anderem eng mit dem damaligen US-Finanzminister Tim Geithner, aber auch mit dem italienischen Zentralbankchef Mario Draghi, dem Bundesbankchef Axel Weber und dem damals als kanadischer Zentralbankchef amtierenden Mark Carney zusammen. Prompt wurde Hildebrand 2011 zum Vizepräsidenten des internationalen Finanzstabilitätsboards FSB ernannt – für Schweizer alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Und dann dieser Rücktritt. Hildebrand wechselte während seiner Cooling-off-Periode an die Universität Oxford. Was sollte der damals erst 48-Jährige tun, der es gewohnt war, mit seiner intellektuellen Präsenz Gruppen von Gesprächspartnern in seinen Bann zu ziehen und nach immer Höherem zu streben? Offerten, die er von Banken bekam, schienen ihm nach seiner Zentralbankerfahrung zu heikel. Doch als der Blackrock-Gründer Larry Fink ihm anbot, zur weltgrössten amerikanischen Investmentgesellschaft zu wechseln, sagte er zu.

Seit einem guten Dutzend Jahren pendelt Hildebrand nun für Blackrock zwischen New York, London und den verschiedensten Hauptstädten in Europa, dem Nahen Osten und ab und zu auch in Asien hin und her. Als sogenannter Vice-Chairman und Mitglied der Geschäftsleitung betreut er dort institutionelle Kunden, zu denen auch zahlreiche Zentralbanken, Staatsfonds und Pensionsfonds zählen. Dabei kommen Blackrock Hildebrands alte und neue Kontakte zu Spitzen der Finanzwelt und der Politik zupass. So etwa auch bei einem Beratungsmandat für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, mit dem Blackrock pro bono bei Vorbereitungsarbeiten für den privaten Wiederaufbau hilft.

Hildebrand, der zusammen mit Larry Fink zu den Dauergästen am Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos gehört, ist bei Blackrock zudem verantwortlich für das Investment Institute, das makroökonomische und geopolitische Grundlagen zur Anlagepolitik von Blackrock erarbeitet. Auch in dem Zusammenhang bespielt der Schweizer die internationale Bühne mit bemerkenswertem Erfolg. Im vergangenen Jahr wurde er vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit dem er seit langem in Kontakt steht, zum Chevalier der Ehrenlegion gemacht. Unter den Gratulanten war der Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet.

Mehr als nur Ferien in der Schweiz

Aber was verbindet einen Schweizer, der derart global unterwegs ist, noch mit seiner Heimat? «Ich liebe die Schweiz und möchte, dass es meinem Land gutgeht», sagte Hildebrand einmal im Gespräch. 2020 bewarb er sich mit Schweizer Unterstützung um den Vorsitz der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und schaffte es unter die letzten vier. Am Schluss fehlte der Schweiz die geschlossene Unterstützung der Europäer; gewählt wurde der Australier Mathias Cormann.

Privat macht Hildebrand regelmässig im Berner Oberland Ferien und geht mit alten Freunden auf ausgedehnte Radtouren. Seit 2014 ist er Mitbesitzer der Blausee AG im Kandertal. Die Corona-Pandemie und eine einige Jahre andauernde Liaison mit Margarita Louis-Dreyfus, mit der er Zwillingstöchter hat, verlagerten Hildebrands Lebensmittelpunkt von London wieder zurück an die Goldküste. Zusammen mit dem Zürcher Gastronomen Rudi Bindella eröffnete er das Zürcher Restaurant «Zafferano», für das er in der Toscana ein Weingut betreibt. Vor einem Jahr hat er eine Kanadierin geheiratet, mit der er nun in Zürich lebt.

Und der patriotische Einsatz? Der Vorsitz der Zürcher Kunstgesellschaft, des Trägervereins des durch Diskussionen um Raubkunst gelähmten Zürcher Kunsthauses, hat sich als wenig dankbares Mandat erwiesen. Von Schweizer Grossbanken wurde der schon früh gegenüber dem Geschäftsmodell der Credit Suisse kritisch eingestellte Hildebrand trotz allen Gerüchten nicht zu Hilfe gerufen. Doch mit der Schweizer Politik und ihrem Bundesrat ist Hildebrand in Kontakt geblieben.

Schmerzen für den Transatlantiker

Diverse Äusserungen lassen darauf schliessen, dass die zweite Administration Trump für Hildebrand wohl ein ähnlich schmerzhaftes Erlebnis sein dürfte wie sein von 13 Jahren erzwungener Rücktritt bei der SNB. Immer deutlicher wird nämlich, dass die Zeit der überzeugten Transatlantiker zu Ende geht. Hildebrand aber gehörte zu diesen. Schon an der Kantonsschule Stadelhofen wechselte er für ein Auslandjahr an die Darien Highschool in die USA. Danach studierte er an der University of Toronto, am European University Institute in Florenz, an der Universität Oxford und in Harvard. Nun scheint auch der Wandler zwischen den Welten zu dem Schluss zu kommen, dass die USA nicht mehr Beschützer eines freiheitlichen Europas sein wollen. Grund dafür sind nicht nur Trump und seine Bewegung, sondern die Polarisierung und die innenpolitischen Probleme, die das Land schwächen.

Europa sieht Hildebrand durch das Auseinanderbrechen der transatlantischen Achse existenziell gefordert. Den europäischen Ländern muss es gelingen, sich in der Krise zu einen und ihre freiheitlichen Interessen selbständiger wahrzunehmen. Der Bundesrat und die Schweiz müssen Wege finden, um in diesem Umfeld nicht zerrieben zu werden. Die Erfahrung des mittlerweile 61-jährigen Hildebrand kann da helfen. Der Kreis schliesst sich. Aber ein Nachmittag in Bern wird kaum genügen.

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