Paris Saint-Germain ist wieder einmal Meister, doch diesmal ist alles anders: Das Team brilliert unter Trainer Luis Enrique wie noch nie.

Nach dem Schlusspfiff warfen die Spieler von Paris Saint-Germain ihren Trainer in die Frühlingsluft. Luis Enrique strahlte, ein Mann im Glück. PSG feierte durch ein 1:0 gegen Angers schon sechs Spieltage vor Saisonende die 13. französische Meisterschaft. Dabei ist der nationale Titelgewinn wegen der überlegenen Ressourcen des von Katar alimentierten Klubs längst keine Überraschung mehr. Einen wirklichen Triumph bedeutete das Wie: der Fussball dieses jungen, aufregenden Teams.

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«Unwiderstehlich» nannte die «L’Équipe» diesen Fussball, als das 19-jährige Supertalent Désiré Doué gegen Angers mit einer Volleyabnahme zum Siegestreffer eine typische Dominanz von 81 Prozent Ballbesitz veredelt hatte. PSG führt die Tabelle seit dem ersten Spieltag an und könnte als erstes Team in Frankreichs Liga eine Saison ungeschlagen beenden. Es wäre die Krönung eines Teams, über das Thiago Scuro, der Generaldirektor des Tabellenzweiten AS Monaco, nach einem 4:1 der Pariser im Spitzenspiel sagte: «Das ist der beste PSG, den es je gegeben hat.»

In Europa sieht man es genauso, das verrät ein Indikator, bei dem Elogen nicht gratis sind: Die Wettbüros führen Paris knapp vor Barcelona und Titelverteidiger Real Madrid als Topfavoriten auf den Gewinn der Champions League. Das ist vor dem Viertelfinal gegen Aston Villa umso erstaunlicher, weil PSG diesem Titel bisher vergeblich hinterherjagte. Und damit ein umso höherer Vertrauensvorschuss für Luis Enrique.

Statt Superstars holt PSG heute hungrige Youngsters

Der Spanier hat die Champions League schon gewonnen, 2015 mit Barcelona. PSG hat er seit seinem Amtsantritt im Sommer 2023 spielerisch revolutioniert. Damals gingen Lionel Messi, achtfacher Weltfussballer, und Neymar, der langjährige Leader des Teams. Vergangenen Sommer reichte dann auch Kylian Mbappé, der wohl beste Stürmer dieser Zeit, seine Demission ein.

Mit dem Verlust des Spitzenverdieners an Real Madrid vollendete sich eine Metamorphose, die der Klubpräsident Nasser al-Khelaifi vor Jahren als «das Ende von Bling-Bling», also der Starfixierung, ankündigte. Statt in schillernde Namen investiert Paris Saint-Germain die haushohe Überlegenheit seines Budgets von 860 Millionen Euro – kein anderer französischer Klub kommt auch nur auf einen Drittel dieser Summe – seither in hungrige Youngster.

2022 holte Khelaifi in Luis Campos einen Sportdirektor mit ausgeprägtem Geschick in Kaderplanung und -entwicklung, 2023 in Luis Enrique einen Trainer mit viel Führungsstärke und klaren Konzepten von rasantem Pressing- und Angriffsfussball. Schon letzte Saison habe das oft ziemlich gut ausgesehen, nun sei es noch einmal «klar besser», sagte Luis Enrique: «Es war keine Utopie, als ich euch sagte, dass alle elf angreifen und alle elf verteidigen können.»

Endlich trifft auch das einstige Sorgenkind Dembélé

Vor nicht allzu langer Zeit musste der jetzt so gefeierte Trainer noch einen Schlüsselmatch bestehen. Im Januar stand PSG in der Champions League vor dem Aus, nachdem er zu viele Partien wegen einer haarsträubenden Abschlussschwäche verloren hatte und auch gegen Manchester City 0:2 zurücklag – bis ein Treffer von Ousmane Dembélé eine furiose Aufholjagd zum 4:2 einleitete. Es war der Match, in dem Luis Enriques Philosophie endgültig verankert wurde.

Paris Saint-Germain schaut jetzt mit keinem Auge mehr zurück auf die Zeit, als Mbappé den Klub und die Mannschaft in einem Interview als «spaltend» und «nicht sonderlich hilfreich» für eine gelungene Karriere bezeichnete. Er liess sich nicht einmal durch die Groteske entmutigen, das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Liverpool trotz 18:1 Torschüssen 0:1 zu verlieren. Paris gewann die Runde dann nach Penaltyschiessen mit einem epischen Auswärtssieg an der Anfield Road. «Wir haben gezeigt, dass wir eine echte Mannschaft sind», wiederholte Luis Enrique danach sein Credo.

Brillante Könner hat PSG noch immer, wobei mit Dembélé einer heraussticht, den viele schon abgeschrieben hatten. In seinem wichtigsten Geniestreich konvertierte Luis Enrique den langjährigen Flügelstürmer in eine «falsche Neun» – und damit einen notorisch flatterhaften Spieler in eine Tormaschine. Seit dem Jahreswechsel kommt Dembélé auf 24 Tore – ein Viertel seiner gesamten Karriereausbeute aus zehn Jahren. Zuletzt drehte er vorige Woche den Cup-Halbfinal beim Zweitligisten Dunkerque mit zwei Toren und einer Torvorlage von einem 0:2 zu einem 4:2.

Noch immer herrscht bei PSG der pure Luxus

Auch neben Dembélé herrscht der pure Luxus, seit Paris im Winter für 70 Millionen Euro den Dribbelkönig Khvicha Kvaratskhelia, 24, aus Neapel anwarb. Dazu kommen der bereits etablierte Bradley Barcola, 22, sowie in Doué eine Perle, die fussballerisch wegen Phantasie und Lässigkeit bisweilen schon mit Neymar verglichen wird. PSG holte ihn zwar nicht für 222 Millionen Euro wie einst den Brasilianer, aber immerhin für 50 Millionen von Stade Rennes, in einem engen Rennen mit dem FC Bayern. Luis Enriques Spielidee soll dabei den Ausschlag für PSG gegeben haben.

Gut eingekauft haben Trainer und Sportdirektor aber auch in der Abwehr, wo sich mit dem Ecuadorianer Willian Pacho, 23, (40 Millionen aus Frankfurt) endlich ein verlässlicher Partner für die Innenverteidigung mit Captain Marquinhos etabliert hat. Sowie im Mittelfeld, wo mit dem Portugiesen João Neves, 20, (60 Millionen von Benfica) ein weiterer Stratege mit Spielmacherqualitäten die etablierten Vitinha und Fabián Ruiz sowie das auch erst 19-jährige Eigengewächs Warren Zaire-Emery bereichert.

«Ich sagte, dass wir ohne Mbappé besser angreifen und besser verteidigen werden», sagte Luis Enrique vor einigen Wochen zu seiner steilen These von letztem Jahr. Nun kann er genussvoll festhalten: «Hier sind die Zahlen dazu.»

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