Mittwoch, November 27

Die Migros will ihre Produktionsbetriebe stärker auf ihre Supermärkte im Inland fokussieren. Doch ihre Tochter Delica ist der grösste Hersteller für Eigenmarken-Kaffeekapseln in Europa und beliefert Detailhändler im Ausland. Wie passt das künftig zusammen?

Der Auftrag des Migros-Chefs Mario Irminger an die Migros-Industrie war klar: Die eigenen Produktionsbetriebe sollen sich wieder auf ihre ursprüngliche Aufgabe konzentrieren – also die Versorgung der eigenen Supermärkte mit günstigen Produkten.

Dazu gehört auch: Schluss mit Auslandabenteuern wie dem Versuch, die Schokoladenmarke Frey für den Export als Luxusprodukt zu vermarkten.

Doch ganz so einfach sind diese Überlegungen nicht, wie sich am Beispiel des Kaffeegeschäfts zeigt. Hier fährt die Tochterfirma Delica unterschiedliche Strategien, und die Migros-Führung muss sich entscheiden, welche davon sie weiter verfolgen will und welche nicht.

Im Schatten der Kaffeekugeln

Für Schlagzeilen gesorgt haben die kompostierbaren Kaffeekugeln unter der Marke Coffee B. Diese wurden belächelt, weil sie einst als «grösste Produktinnovation in der Ge­schichte der Migros» angekündigt wurden, der kommerzielle Durchbruch bis jetzt aber ausgeblieben ist.

In der Diskussion um Sinn und Unsinn der Investition in diese neue Technologie ist vergessengegangen, dass das Geschäft mit Kaffeekapseln über die vergangenen Jahre betrachtet vermutlich eine der grössten Wachstumsgeschichten der Migros-Industrie ist, insbesondere beim Export.

Die Kapselproduktion hat seit den Anfängen vor zwanzig Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Damals hatte die Migros ursprünglich mit Eric Favre, dem Erfinder der originalen Nespresso-Kapsel, ein eigenes System auf den Markt gebracht.

Eine weiterentwickelte Variante dieser Kapseln ist bis heute unter dem Namen Delizio im Handel. Nach Nespresso ist es das am zweitmeisten verbreitete Kapselsystem hierzulande. Genaue Zahlen lassen sich die Firmen nicht entlocken.

Doch auf die gesamte Delica-Produktion von rund zwei Milliarden Kapseln pro Jahr gesehen, ist ein anderer Bereich stückzahlmässig bedeutender als Delizio: die Herstellung von sogenannten «kompatiblen» Kapseln, insbesondere Klone für Nespresso-Maschinen. Darunter fallen die Alu-Kapseln der Migros-Eigenmarke Café Royal.

Vor allem aber produziert Delica Kaffeekapseln für verschiedene ausländische Detailhändler. Die Firma hat sich dank ihrem frühen Einstieg ins Geschäft mit den kompatiblen Kapseln – den Begriff «Kopien» verwendet man bei der Migros-Tochter lieber nicht – eine starke Stellung aufbauen können. Delica ist nach eigenen Angaben in Europa der grösste Hersteller von Eigenmarken in dem Bereich.

Zwei Fabriken in der Schweiz

Zusätzlich zu dem Stammwerk in Birsfelden (BL) verfügt das Unternehmen über eine Fabrik im Tessin. In Stabio, direkt an der italienischen Grenze, wird der Kaffee in Plastikkapseln abgefüllt, die mit Nescafé-Dolce-Gusto-Maschinen kompatibel sind. Ausgerechnet bei diesem System hat die Migros selber jedoch das Original von Nestlé im Sortiment.

Bei der Produktion für andere Supermärkte sind die Margen auf den Kapseln zwar tendenziell tiefer, doch dafür kann sich die Migros die Marketingkosten sparen. In diesem Geschäft profitiert sie davon, dass Nestlé Nespresso und Nescafé Dolce Gusto breit etabliert hat und bewirbt, die Kunden diese Maschinen jedoch gerne mit günstigeren Kapseln füttern.

Aber selbst billige Kapseln sind für einen Röster oder Detailhändler im Vergleich zu gemahlenem Kaffee oder Bohnen sehr attraktiv, weil er durch die Portionierung ein Vielfaches für den Rohstoff verlangen kann. Der Kapsel-Boom hat entsprechend dazu geführt, dass Schweizer Haushalte für den Kaffee-Einkauf im Supermarkt deutlich mehr ausgeben als früher.

Zuwachs in Spanien

Zwar verzeichnet Delica in Spanien, wo die Firma mit Mercadona, der grössten Supermarktkette des Landes, im Geschäft ist, momentan noch zweistellige Wachstumsraten. In der Schweiz und in anderen Ländern hat das Tempo jedoch abgenommen.

Vor diesem Hintergrund ist die Migros-Spitze zu dem Schluss gekommen, dass sie die Bearbeitung der Auslandmärkte aus der Schweiz heraus vornehmen will, und löst deshalb verschiedene Ländergesellschaften auf.

Solange es sich rentiert und ein Markt eine gewisse Grösse hat, drängt sich ein Rückzug aus dem Exportgeschäft beim Kaffee aber nicht auf. Chancen bieten könnte die angekündigte verstärkte Zusammenarbeit der Migros mit dem deutschen Detailhändler Edeka, der heute bereits ein Kunde von Delica ist.

Die Motivation, im grossen Stil Geld in die Forschung und Entwicklung von Kaffeeprodukten zu stecken, dürfte sich nach dem zögerlichen Start von Coffee B in Grenzen halten. Zumal bei Delica bereits früher einmal ein Millionenabschreiber nötig wurde, als parallel an zwei Orten an einer Nescafé-Dolce-Gusto-Kopie gearbeitet wurde.

Wie sehr Neuentwicklungen überhaupt nötig werden, hängt vor allem von zwei Dingen ab. Einerseits davon, welchen Typ von Kaffeemaschine die Leute zu Hause stehen haben, und anderseits davon, wie sich die Vorschriften im Bereich Verpackung ändern.

Kommt ein neues Kapselsystem?

Was neue Systeme anbelangt, so zweifeln Experten daran, dass sich an der Dominanz von Nespresso und Nescafé Dolce Gusto auf absehbare Zeit etwas ändert. Weder das neue System Nespresso Vertuo noch die neue Variante Nescafé Dolce Gusto mit kompostierbaren Kapseln haben sich bisher gross verbreiten können.

Das Migros-eigene Kapselsystem Delizio dürfte sich zumindest in der Schweiz seinen Platz geschaffen haben. Ein Hinweis für die Verbreitung dieser Kapselart ist nicht zuletzt der Umstand, dass unterdessen Coop und Lidl Delizio-kompatible Kapseln im Sortiment führen.

In Sachen Verpackungsvorschriften gab es einst zwar Befürchtungen, das Geschäftsmodell Kaffeekapsel könnte bedroht sein. Unterdessen zeichnet sich jedoch ab, dass mit einem geeigneten Recyclingsystem sowohl Aluminium- als auch Plastikkapseln grundsätzlich im Verkauf bleiben können.

Andernfalls hätte Delica mit dem Coffee-B-System und den kompostierbaren Kugeln immer noch eine Alternative in der Hinterhand. Allerdings ist im gegenwärtigen Marktumfeld die Vermarktung eines von Grund auf neuen Systems ein Unterfangen in einer ganz anderen Dimension. Darum wird die Migros mit ihren Kugeln eher den Weg von Auslizenzierungen an Konzerne mit mehr Schlagkraft gehen, wie etwa bei der angekündigten Partnerschaft mit dem US-Getränkeriesen Keurig Dr Pepper.

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