Ein Skilehrer sagt, was Eltern beachten müssen, damit die ersten Schwünge nicht zum Flop werden. Und ein Arzt erklärt, was Kinderknochen alles aushalten.
Welches ist das richtige Einstiegsalter?
Wie so oft, wenn es um kleine Kinder geht, gilt auch hier: Es kommt drauf an. Weil jedes Kind anders ist. Aber erfahrungsgemäss, sagt Jelle Koopman, seien Kinder ungefähr ab dem dritten Geburtstag bereit für die Piste. Koopman arbeitet für Swiss Snowsports, den Dachverband der Schweizer Skischulen, und hat als langjähriger Berufs-Skilehrer schon viele Knirpse bei ihren ersten Gehversuchen auf dem Schnee begleitet.
Koopman nennt drei Kriterien, die erfüllt sein müssen, bevor Eltern daran denken können, dem Nachwuchs den Wintersport schmackhaft zu machen. Das Kind sollte gut laufen können und Anweisungen verstehen. Und vor allem, so Koopman, muss es «den Schnee gernhaben».
Was eignet sich besser, Ski oder Snowboard?
Auch hier gilt: Jedes Kind ist anders. Aber mit Ski kommen kleine Kinder meist besser zurecht, weil sie mit den zwei Latten an den Füssen laufen können – auf dem Snowboard sind beide Füsse nebeneinander angeschnallt. «Das ist eine ganz andere Art, sich zu bewegen, und das fällt vielen Kindern zu Beginn schwer», sagt Koopman.
Welche Ausrüstung braucht das Kind?
Eines sollte auf keinen Fall passieren: Das Kind darf im Schnee nicht frieren. Ein guter Skianzug ist deshalb Pflicht, zu dick soll er laut dem Skilehrer Koopman nicht sein, weil sonst die Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Darunter hält Thermowäsche am besten warm. Weiter braucht es einen guten Helm und auch eine gute Brille. Gerade Letzteres vernachlässigten viele Eltern, sagt Koopman, dabei müssten Kinder unbedingt gut sehen, damit sie sich wohlfühlten.
An den Händen empfiehlt Koopman Fausthandschuhe, die sich festmachen lassen, damit sie nicht ständig in den Schnee fallen. Die Füsse sollen in Skischuhen stecken, die nicht zu gross sein dürfen, weil die kleinen Füsse sonst herausrutschen. Und die Skischuhe müssen auf Ski stehen, deren Länge zum Kind passt, das heisst: Sie reichen mindestens zu den Schultern. Und maximal bis zum Kinn.
Skischuhe stossen bei kleinen Kindern oft nicht auf Begeisterung – was lässt sich da machen?
Skischuhe, sagt Koopman, seien halt Skischuhe. Aber er hat schon ein paar Ratschläge, um den Umgang mit ihnen zu erleichtern. Es sei eine gute Idee, die Kinder an die Skischuhe zu gewöhnen, vielleicht mit ein paar Schritten durchs Wohnzimmer am Vorabend. Wichtig: beim Einsteigen helfen. Und den Schuh dabei so weit wie möglich öffnen.
Was ist besser, Skischule oder sich selbst als Skilehrer versuchen?
Koopman empfiehlt, dass Eltern den ersten Tag auf Ski selbst organisieren, ganz spielerisch sollen sie dabei vorgehen, das sei das Allerwichtigste. «Der Spass muss im Vordergrund stehen, die erste Emotion sollte unbedingt Freude sein. Wenn ein Kind keine Freude hat, bringt alles nichts», sagt Koopman.
Später bietet die Skischule einige Vorteile. Zum Beispiel, dass das Kind dort selbständiger sein muss. Etwa beim Aufstehen, weil der Skilehrer oder die Skilehrerin eben nur zwei Hände hat und viele Kinder betreuen muss – im Gegensatz zu den Eltern. Weiter lernen Kinder besser, wenn sie von Altersgenossen umgeben sind. Sie können sich von ihnen etwas abschauen, sind motivierter. Zudem bieten Skischulen die ideale Infrastruktur für Anfänger: einfaches Gelände, ein Kinderland mit Zauberteppich, einer Vorrichtung, die den Kleinen den mühsamen Schlepplift zu Beginn erspart.
Was hilft, wenn das Kind nicht ohne Eltern in die Skischule will?
Dem Kind hilft die Gewissheit, dass die Eltern in der Nähe sind. Am Anfang reicht zudem ein halber Tag in der Skischule. Dann, sagt Jelle Koopman, seien die Kleinen müde, wollten zurück zu Mami und Papi. Wichtig ist für die Skilehrer, dass die Eltern nicht permanent im Kinderland stehen. Sie sollen in der Nähe sein. Aber nicht sichtbar. «Sie dürfen schon ein Mal vorbeischauen», sagt Koopman. Aber die Kinder lernten nichts, wenn ihre Aufmerksamkeit immer wieder von den Eltern absorbiert werde.
Was müssen Eltern, die ihren Kindern das Skifahren selbst beibringen wollen, beachten?
Das Kind soll selbst fahren, weil es sonst nichts lernt. Jelle Koopman sagt, er sehe es nicht gerne, wenn Eltern ihre Kinder zwischen die Beine nähmen, so, wie man das oft sehe. «Sie lassen sich dann hängen, schwingen herum – und bekommen kein Gefühl für die Bewegung», sagt Koopman. Auch «Gstältli», die dem Kind umgebunden und von Mutter oder Vater gehalten werden, findet der Skilehrer überflüssig.
Wer das Skifahren lernen will, muss auch selbst fahren, bremsen, wieder aufstehen – das ist die Grundregel, die sich Eltern merken sollten. Am Anfang können die Stöcke der Erwachsenen mithelfen. Oder eine Vorrichtung an den Skispitzen, die dem Kind hilft, die Ski zu einem Pflug zu formen.
Wichtig, sagt Jelle Koopman, sei es, den Kindern sauber vorzuzeigen, was sie machen sollten. Und unbedingt im richtigen Gelände unterwegs zu sein. Auf keinen Fall auf der blauen oder der roten Piste anfangen. Sondern im Kinderland, wo die Piste flach ist.
Wann ist ein Kind bereit für den Berg?
Wenn es selbständig bremsen, Kurven machen und das Tempo anpassen kann. Wenn Kinder das gelernt haben, dürfen sie auch in der Skischule in einer Gruppe mitfahren, die das Kinderland verlässt – und sich an blaue Pisten wagt.
Ist das Skifahren für Kleinkinder gefährlich?
Florian Schaub ist Sportmediziner am Universitäts-Kinderspital Zürich sowie an der Universitätsklinik Balgrist und hat langjährige Erfahrung als Kinder- und Jugend-Notfallmediziner. Skifahren, sagt Schaub, gehöre nicht zu den Dingen, die er verbieten würde. «Ich sehe keine grösseren Verletzungsrisiken als bei anderen Aktivitäten im Breitensport», sagt er. Er findet beispielsweise ein Trampolin im Garten für Kleinkinder gefährlicher, dort komme es viel häufiger zu Unfällen als auf der Piste. Hier aber werden von elterlicher Seite nur selten Bedenken geäussert.
Sind Kinderknochen und Kinderknie gemacht fürs Skifahren?
Der Mediziner Schaub sagt, gerade bei Kleinkindern gebe es kaum schwere Verletzungen im Zusammenhang mit Skiunfällen. Wenn es trotzdem zu Verletzungen komme, dann seien meist Kollisionen dafür verantwortlich. Eine gute Ausrüstung sei deshalb wichtig, vor allem natürlich ein Helm. Auch die Wartung der Skiausrüstung darf nicht vernachlässigt werden. So sollte zum Beispiel jedes Jahr die Bindungseinstellung durch eine Fachperson kontrolliert werden. Auch Sonnen- und Kälteschutz dürften nicht vergessengehen.
Auch wenn sich das Kinderknie bei den ersten Ski-Versuchen gerne einmal so verdreht, dass den Eltern angst und bange wird, sei das meist kein Grund zur Besorgnis, sagt Schaub: «Kinderknie halten viel aus.» Verletzungen am Kreuzband etwa seien bei Kleinkindern «eine absolute Rarität», Brüche beim Skifahren sind auch nicht sehr häufig in diesem Alter. Wenn es trotzdem zu einer Fraktur komme, dann lasse sich diese in der Regel konservativ, also ohne Operation, behandeln.