Die Flüchtlingskrise von 2015 war die Rettung für die AfD. Auch weil die «Eisprinzessin» Angela Merkel ihre Meinung änderte.
Wenn der deutsche öffentlichrechtliche Rundfunk eine Sendung über die Migrationskrise von 2015 und die AfD ankündigt, sind schlechte Vorahnungen kaum zu vermeiden. Wird der Beitrag von der ersten Minute an mit unheilschwangerer Musik unterlegt?, so fragt man sich. Oder werden Anja Reschke und Georg Restle dem Publikum erklären, dass Schattenseiten der Migration wie zunehmende Messerkriminalität und Islamismus bloss Hirngespinste von Rassisten seien?
Die am Dienstagabend ausgestrahlte ZDF-Dokumentation «AfD – Aufstieg in der Flüchtlingskrise» entlarvt diese Bedenken als Vorurteile. Die unheilschwangere Musik fehlt zwar nicht, aber die ZDF-Journalisten verzichten auf moralische Belehrungen. Stattdessen zeichnen sie den Aufstieg der AfD nach, indem sie deren Protagonisten reden lassen.
Medien im «Refugees welcome»-Rausch
Sympathischer werden sie einem damit nicht. Etwa wenn die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch mit einer wegwerfenden Handbewegung sagt, die Deutschen wollten einfach, «dass die Leute gehen. Und zwar schnell.» Wie viele Ausländer ihrer Meinung nach gehen sollen, sagt von Storch nicht. Aber es dürften viele sein. Von Storch gehört zu jenen Radikalen, die in der AfD ab 2015 die Kontrolle übernahmen.
Die unkontrollierte Migrationswelle, das zeigt der ZDF-Beitrag klar auf, war die Rettung für die damals noch liberal-konservative Partei, die eigentlich aus Protest gegen Angela Merkels Euro-Politik gegründet worden war. Vor der Flüchtlingskrise lag sie in Umfragen bei 3 bis 4 Prozent. Der ehemalige AfD-Politiker Steffen Königer drückt es in der Sendung so aus: «Der Satz: ‹Wir schaffen das!›, war die zweite Geburtshilfe für die AfD.»
Dabei war Angela Merkel anfänglich keineswegs die «Wir schaffen das»-Optimistin, die alle Einwände gegen offene Grenzen als Unkenrufe aus Dunkeldeutschland abtat. Vielmehr stellten sie linke Medien wie der «Stern» noch im Juli 2015 als empathielose «Eiskönigin» dar. Dies unter anderem, weil sie einer jungen Migrantin vor laufender Kamera erklärt hatte, dass Deutschland nicht jeden aufnehmen könne.
Ihre Meinung änderte Merkel wohl erst unter dem Druck der Medien, die sich in einen «Refugees welcome»-Rausch hineinsteigerten, dem sich selbst die «Bild»-Zeitung nicht entziehen konnte. Die AfD wiederum wurde im Sommer 2015 zunächst noch vom gemässigten Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke geführt. Im ZDF-Beitrag ist er zu sehen, wie er am AfD-Parteitag in Essen ausgebuht wird, weil er davor warnt, alle Muslime auszugrenzen.
Hinwendung zum Putinismus
Der ehemalige AfD-Funktionär André Poggenburg, der selbst der AfD zu radikal war, erinnert sich vor der ZDF-Kamera genüsslich daran, wie man den Luckes in der Partei gesagt habe: «Ihr Öko-Professoren, schert euch weg!» Den Erfolg der radikalisierten AfD erklärt das ZDF vor allem mit der Kölner Silvesternacht, die manche Träume von der heilen Multikulti-Welt platzen lässt. In jener Nacht werden Hunderte Frauen begrapscht und belästigt, einige sogar vergewaltigt. Die Verdächtigen sind mehrheitlich Nordafrikaner.
Anders als 2016, als viele Medien und Politiker die Übergriffe herunterspielten oder Hinweise auf die Herkunft der Täter als Rassismus anprangerten, benennt das ZDF diese Tatsachen heute offen. Allerdings fehlen in der Sendung Hinweise auf weitere Faktoren, die den Aufstieg der AfD begünstigt haben dürften. Etwa den islamistischen Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz oder den bis heute verbreiteten Unwillen vieler Politiker, sich mit migrationsbedingter Kriminalität oder Gewalt an Schulen zu beschäftigen.
Die Hinwendung der AfD zum Putinismus wird gänzlich ausgeblendet, sie dürfte aber gerade in Ostdeutschland wichtig für ihren Wahlerfolg sein. Sehenswert bleibt die Sendung allemal, auch wenn es tiefgründigere Analysen zum Aufstieg der AfD gibt.