Die 28-jährige Obwaldnerin gewinnt in der Biathlon-Hochburg Antholz den Wettkampf im Einzel. Sie profitiert davon, dass sie ihren Trainingsstützpunkt nach Deutschland verlegt hat, in die Heimat ihres Ehemanns.
(sda) Lena Häcki-Gross trumpft in Antholz in Südtirol gross auf. Die Obwaldnerin gewinnt den Wettkampf im Einzel und erringt ihren ersten Sieg im Weltcup. Im Schiessstand mit 20 Treffern makellos, in der Loipe mit einer starken Laufleistung – Häcki-Gross zeigte am Freitag in einer der Biathlon-Hochburgen den Wettkampf ihres Lebens.
Häcki-Gross siegte im Wettbewerb, der statt wie normal über 15 nur über 12,5 Kilometer führte, vor zwei Französinnen. Die zweitplatzierte Julia Simon, die zwei Scheiben verfehlte und dafür mit einem Zuschlag von zweimal 45 Sekunden belegt wurde, lag im Ziel 20 Sekunden zurück, Lou Jeanmonnot, die einmal danebenschoss, 31 Sekunden.
Der Sieg steht am vorläufigen Ende einer sportlichen Entwicklung, die bei Häcki-Gross schon vor längerer Zeit eingesetzt hat und während der sie in der laufenden Saison nochmals einen grossen Schritt getan und zur leistungsmässigen Konstanz gefunden hat. Schon vor dem Coup in Antholz war sie in diesem Winter viermal unter den besten zehn zu finden gewesen, in zwölf Wettkämpfen war sie nie schlechter rangiert als auf Platz 19.
Die Steigerung führt Häcki-Gross nicht nur auf grössere Umfänge im Training zurück. Mit der sportlichen ging eine persönliche Entwicklung einher. Die Schweizer Team-Leaderin nennt das stabile Umfeld als einen der Gründe. In Ruhpolding im Chiemgau, wo sie seit gut vier Jahren mit ihrem Mann Marco Gross wohnt, findet sie perfekte Bedingungen als Spitzenathletin vor. Mit dem Sohn der einstigen deutschen Biathlon-Grösse Ricco Gross ist sie seit vorletztem Sommer verheiratet.
Im deutschen Biathlon-Stützpunkt fand Häcki-Gross Kolleginnen und Kollegen für gemeinsame Trainings. «Das hat mich weitergebracht», sagte die 28-jährige Obwaldnerin in einem kürzlich ausgestrahlten Beitrag in der Sendung «Sportpanorama» im Schweizer Fernsehen.
Ein ganz wichtiger Punkt ist zudem, dass Häcki-Gross ihre Essstörungen in den Griff bekommen hat. Schwankungen zwischen Tagen praktisch ohne Nahrungsaufnahme und Heisshunger-Attacken gibt es keine mehr. Nach Absprache mit ihrer Therapeutin hatte sie sich entschlossen, ihre Probleme öffentlich zu machen – wohlwissend, mit den besonderen Umständen konfrontiert zu werden. «Ich bin stolz, diese Hürden genommen zu haben.»
Als Biathletin hatte Häcki-Gross bereits vor ihrem Premierensieg manche Hürde erfolgreich gemeistert. Im Weltcup war sie zuvor schon zweimal unter den ersten drei klassiert gewesen, beide Male in Verfolgungsrennen: Im Dezember vor vier Jahren wurde sie in Le Grand-Bornand in Hochsavoyen Dritte, vor sechs Wochen in Hochfilzen in Tirol Zweite.
Weltcup-Siegerin im Biathlon durfte sich in der Schweiz bisher einzig Selina Gasparin nennen. Die vor knapp zwei Jahren zurückgetretene Bündnerin triumphierte vor gut zehn Jahren innert acht Tagen gleich zweimal. Sie gewann damals die Sprints in Le Grand-Bornand und in Hochfilzen.