Die Stadt Zürich realisiert Wohnraum in einem Gebäude mit bewegter Geschichte.
Es ist eines der heruntergekommensten Häuser in Zürich, und es gehört der Stadt: die Liegenschaft an der Magnusstrasse 27 im Langstrassenquartier. Obwohl an attraktiver Lage, steht sie seit fast acht Jahren leer.
Bevor die Stadt das Gebäude – zusammen mit zwei weiteren, ebenso abgewirtschafteten Häusern an der Neufrankengasse – kaufte, hatten in den 30 Einzelzimmern Drogenabhängige und Sozialhilfebezüger unter prekären Umständen gelebt. Bald erlangte die Liegenschaft unrühmliche Bekanntheit als «Gammelhaus». Sozialvorsteher Raphael Golta sprach von einer «klaffenden Wunde mitten in Zürich».
Nach einem vorsätzlich gelegten Brand galt das Haus eigentlich als unbewohnbar, trotzdem wurde es 2021 von Feministinnen besetzt. Die Stadt liess sie gewähren, ein Jahr später lud die Besetzerszene darin zum «Tag der aufgebrochenen Türen».
Nun will die Stadt das Gebäude bis zum Sommer 2025 in einem «einfachen Standard» instand setzen und danach neu vermieten. Statt der 30 Einzelzimmer soll es auf jedem der vier Obergeschosse und im Dachgeschoss eine 3,5-Zimmer-Wohnung à 80 Quadratmeter geben, im Erdgeschoss ist eine gewerbliche Nutzung geplant. Kostenpunkt der Sanierung: 2,35 Millionen Franken.
Die Wohnungen sollen nach dem Prinzip der Kostenmiete vermietet werden, das heisst, die Stadt macht damit keinen Gewinn. Vorgesehen ist ein Netto-Mietzins von rund 2630 Franken.
Das klingt, verglichen mit den im Quartier üblichen Mieten, fair. Als die Sanierung der Liegenschaft am Mittwoch im Stadtparlament behandelt wurde, gab es dennoch Kritik von links – genauer: von den Grünen und der AL. «In diesem Gentrifizierungs-Hotspot hätten wir uns ein innovativeres Projekt gewünscht», sagte Martin Busekros (Grüne).
Patrick Maillard (AL) erklärte, Wohnungen mit einem solchen Mietzins könnten sich nur Gutverdienende leisten. «Diese darf man aber nicht als Messlatte nehmen.» Beide Parteien plädierten für eine Umnutzung des Gebäudes, um möglichst vielen Personen Wohnraum bieten zu können – als Gross-WG oder Studentenhaus beispielsweise.
Die SVP wiederum beantragte, das Haus auf dem freien Markt auszuschreiben und an den Meistbietenden zu verkaufen. «Es ist nicht die Kernaufgabe der Stadt, mit Steuergeldern überteuerte Häuser zu kaufen», sagte Reto Brüesch. Zahlreiche Private hätten Interesse an der Liegenschaft.
Bei der Mehrheit des Rats kam das Projekt aber gut an. Hans Dellenbach (FDP) sagte zwar, dass es die Freisinnigen grundsätzlich nicht goutierten, wenn die Stadt auf Einkaufstour bei Liegenschaften gehe. Aber ein Verkauf des Gebäudes an der Magnusstrasse mache keinen Sinn. «Es ist wichtig, dass das Haus möglichst schnell instand gesetzt wird und Wohnraum in einem begehrten Quartier entsteht.»
Auch die SP sprach von einem vernünftigen Projekt. Zwar seien die veranschlagten Mieten auf mittlerem bis hohem Niveau, sagte Ivo Bieri (SP). Doch von überhöhten Mieten könne nicht die Rede sein. «Auf dem freien Markt wären sie doppelt so hoch.»
Der Stadtrat hatte die drei «Gammelhäuser» in Eigenregie für 32 Millionen Franken gekauft, ohne vorher das Parlament zu konsultieren. Dagegen legten SVP, FDP und CVP eine Beschwerde ein, die vom Verwaltungsgericht gutgeheissen wurde. Der Stadtrat musste dem Gemeinderat eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten; dieser genehmigte den Kauf schliesslich im Jahr 2019.
Man habe die Liegenschaften zu teuer gekauft, sagte der Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) am Mittwoch im Parlament. Doch der damalige Besitzer habe das soziale Elend bewirtschaftet, weshalb der Stadtrat habe handeln müssen. «Die Situation war unerträglich.»
Auch er könne sich viele Nutzungsmöglichkeiten für die Liegenschaft vorstellen, sagte Leupi. Aber mit dem nun vorliegenden Projekt erfülle der Stadtrat einen parlamentarischen Auftrag.
Schliesslich lehnten einzig die SVP und die AL die Vorlage ab. Martin Busekros von den Grünen erklärte, man habe zwar Bedenken, wolle aber dem Bau von Wohnungen nicht im Wege stehen. Die Vorlage des Stadtrats wurde angenommen – und die Stadt kann aus dem «Gammelhaus» endlich ein Wohngebäude machen.