Sonntag, November 24

Im westlichen Teilstaat Rakhine essen Menschen bereits Tierfutter. Derweil gehen die Kämpfe weiter. Eine dubiose Rolle spielen China und Russland.

Die Uno warnt in einem Bericht vor einer Hungersnot im westlichen Teilstaat Rakhine. Eine bereits sehr verletzliche Bevölkerung sei «am Rande des Zusammenbruchs», schreibt die Uno.

Grund für die drohende Katastrophe sind verschiedene Faktoren. Wegen des seit 2021 tobenden Bürgerkriegs können Bauern ihre Reisfelder nicht mehr bestellen. Auch Fischer werden an ihrer Arbeit gehindert. Aber vor allem sind wegen des Krieges die Wirtschaft der Region und der Handel mit dem nahen Bangladesh zusammengebrochen.

Rebellen kämpfen gegen die Militärjunta

Im Jahr 2021 putschte sich eine Militärjunta in Myanmar an die Macht und stürzte die demokratisch gewählte Regierung um Aung San Suu Kyi. An vielen Orten im Land entstanden daraufhin neue Rebellengruppen – junge Männer und Frauen, die in den Dschungel zogen, um gegen die Generäle zu kämpfen. Besonders in den vergangenen Monaten schienen die Rebellen Momentum zu gewinnen und drängten die Armee zurück. Allerdings gelang ihnen dies vor allem an den Rändern Myanmars, das Zentrum des Landes befindet sich fest in den Händen der Junta.

Rakhine am westlichen Rand wurde von besonders heftigen Kämpfen geschüttelt. Die Generäle haben die Region isoliert, die Preise für Nahrungsmittel sind explodiert, und viele Familien können sich nur noch eine Mahlzeit am Tag leisten. Der Bürgerkrieg führte zu einer hohen Zahl von intern Vertriebenen. Laut Uno essen diese nun teilweise Reiskleie – ein Nebenprodukt der Reisproduktion und eigentlich als Tierfutter gedacht.

Das Fazit des Uno-Berichts über Rakhine fällt vernichtend aus: «Ohne Handel, ohne funktionierende produktive Sektoren, eine Bevölkerung im Überlebensmodus, praktisch isoliert vom Rest des Landes und von den Nachbarn – ein kompletter Kollaps der Wirtschaft scheint unvermeidlich.»

Ethische Spannungen

Die Rebellengruppe Arakan Army kämpft in Rakhine für einen unabhängigen Staat und nimmt immer mehr Territorium ein. In Rakhine leben auch Hunderttausende Rohingya. Die muslimische Minderheit wurde in den vergangenen Jahren grösstenteils vertrieben, über eine Million leben im grössten Flüchtlingslager der Welt in Bangladesh. Eine Rückkehr scheint wegen des Bürgerkrieges unmöglich. Und jene, die blieben, werden von der Regierung für die Armee zwangsrekrutiert. Dies dürfte die ethischen Spannungen in Rakhine noch verschärfen.

Trotz der Hungerkrise im Westen des Landes pries der myanmarische Juntaführer Min Aung Hlaing kürzlich vor chinesischen Geschäftsleuten sein Land als interessantes Investitionsobjekt für Landwirtschaftsunternehmer, es gebe viel Land, das noch nicht bewirtschaftet sei und brachliege. Die Episode zeigt, wie verzweifelt die Junta derzeit die Nähe zu China sucht, einem der wenigen Verbündeten, die ihr noch bleiben.

Myanmar ist international weitgehend isoliert. Das Land, in dem der Tourismus einst florierte, bemüht sich heute sehr um chinesische Touristen, man wolle die Standards anheben, um attraktiv für chinesische Gäste zu werden, sagte die Tourismusministerin kürzlich. Bereits jetzt sind Chinesen die grössten Touristengruppe in Myanmar, sie scheinen sich auch durch den Bürgerkrieg nicht abschrecken zu lassen, die Zahlen der chinesischen Besucher steigen.

Drohnen aus China

China liefert der Militärjunta aber nicht nur Touristen, sondern auch Kriegsmaterial, zum Beispiel Drohnen. Laut Experten setzt die Junta chinesische Drohnen gegen die Rebellen ein. Russland fungiert dabei als Berater – die russischen Streitkräfte haben im Drohnenkrieg in der Ukraine Erkenntnisse gesammelt, die sie nun an das Regime in Myanmar weitergeben.

Es ist unklar, wie sich der Bürgerkrieg in Myanmar in den kommenden Monaten entwickeln wird. Für signifikante Erfolge, zum Beispiel die Eroberung einer Grossstadt, dürften den Rebellen die Ressourcen und die Unterstützung aus dem Ausland fehlen. Unklar ist auch, wie die unterschiedlichen Rebellenfraktionen in Zukunft zusammenarbeiten werden. Die einzelnen Gruppen sind oft entlang von ethnischen Linien getrennt und verfolgen neben dem Kampf gegen die Junta unterschiedliche Partikulärinteressen.

Fest steht nur, dass kein Ende des Bürgerkriegs in Myanmar absehbar ist. Derzeit sind im ganzen Land über 3 Millionen Menschen vertrieben. Laut Angaben der Uno wurden bereits über 5300 Zivilisten und Zivilistinnen getötet.

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