Montag, November 25

Wie beim Domino stösst ein Verbrechen das nächste an. Man kommt fast nicht hinterher. Die Ermittlerin Ringelhahn hat das Problem für sich längst geklärt: «Der liebe Gott hat den ganzen Dreck erfunden, damit wir das, was schön ist, mehr schätzen.»

So viele Leichen gibt es nicht jeden Sonntag. Im neuen «Tatort» wird geschossen, gestochen und in den Tod gestossen. Ein Mann erhängt sich und eine Frau fällt einfach um, Herzinfarkt oder Schlaganfall, scheint es. Um den Überblick über das Personal und die jeweiligen Todesfälle zu behalten, ist Konzentration erforderlich. Fürs casual viewing, bei dem man das Mobiltelefon im Auge behalten oder bügeln kann, eignet sich die Folge nicht.

Es beginnt mit einem Abschiedsbrief aus einer Gefängniszelle. Ein junger Mann, wegen Mordes verurteilt, nimmt sich das Leben. Für die Angehörigen natürlich eine Katastrophe. Die Schwestern des Toten, Lisa (Mercedes Müller) und Maria Kranz (Anne Haug), die nie an seiner Unschuld zweifelten, hatten sich jahrelang für die Wiederaufnahme des Falls eingesetzt. Vergebens. Jetzt haben sie einen klaren Verdacht, wer der Mörder sein könnte und beschliessen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Ein Rachethriller

Alle in den Fall verwickelten Akteure sind selbst gewaltbereit. Was auf den ersten Blick gar nicht sichtbar ist. Denn im Grunde geht es um die Mitglieder zweier bürgerlicher Familien, denen man das, wie man so sagt, gar nicht zugetraut hätte. Die neue Folge aus Franken (Regie: Max Färberböck und Danny Rosness) ist im Kern ein Rachethriller – mit allen Übertreibungen, die für das Genre so typisch sind.

Da kann der Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) sich schon einmal fragen, warum auf der ganzen Welt gemordet, erpresst und gefoltert wird. Seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) hat das Problem für sich längst geklärt: «Der liebe Gott hat den ganzen Dreck erfunden, damit wir das, was schön ist, mehr schätzen.»

Bald wird Voss ohne solche Weisheiten auskommen müssen. Denn die Hauptkommissarin Ringelhahn ist zum letzten Mal an seiner Seite unterwegs. Sie verabschiedet sich allerdings mit deutlich mehr Understatement aus der Serie als neulich ihre Frankfurter Kollegen Brix und Janneke. Unter anderem singt sie bei ihrer Abschiedsfeier im Büro auf einer Schreibtischkante sitzend «The Sound of Silence» von Simon and Garfunkel. Warum? Vielleicht, weil sie endlich ihre Ruhe haben will.

Gewaltbesoffene Menschen

«Eve of Destruction» heisst der Barry-McGuire-Song von 1965, der im Vorspann spielt. Er handelt vom möglicherweise bevorstehenden Weltuntergang. Die Musik ist zu Videoclip-artigen Szenen montiert, die in Schwarz-Weiss gedreht sind. Dabei wird aber nicht etwa ein Geschehen aus der Vergangenheit rekapituliert. Vielmehr ist die Sequenz so etwas wie ein Trailer, der Fragmente der folgenden Episode vorwegnimmt: Gewaltbesoffene Menschen torkeln durchs Bild und versuchen sich gegenseitig Böses anzutun.

Offenbar hatten die Drehbuchautoren Max Färberböck und Stefan Betz einen Film über den Dominoeffekt im Sinn, den Verbrechen auslösen können. Doch wird nicht ganz klar, welche Zielrichtung und Tonlage ihnen vorschwebten. Haben wir es mit einem grimmigen Killerstoff oder einer Satire darauf zu tun? Ist es eine «Tatort»-typische Meditation über den Sinn des Lebens und Sterbens? Ein Kommentar zur Weltlage mit surrealistischen Einlagen? Auch die Scherze, die sich der Hauptkommissar Felix Voss und die neue Kollegin von der Gerichtsmedizin (Lisa Sophie Kusz) leisten, scheinen aus einem anderen Film in diesen unebenen «Tatort» mit dem Titel «Trotzdem» gewandert zu sein.

«Tatort» aus Franken: «Trotzdem». Am Sonntag, 6. Oktober, um 20.05 Uhr bei SRF 1 und um 20.15 Uhr bei der ARD.

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