Donnerstag, November 21

Bisher haben die Verhandlungen keine Annäherung gebracht, dabei soll bis Weihnachten eine Lösung stehen. Beide Seiten müssen sich bewegen, doch von der Gewerkschaft kommen keine Vorschläge.

Am Donnerstag startet in Wolfsburg die dritte Runde der Verhandlungen zwischen Volkswagen und der IG Metall in der Auseinandersetzung um den neuen Haustarifvertrag und die Zukunft des Konzerns. Derzeit deutet sich noch keine Lösung des Konflikts an, und die Verhandlungspartner fahren weiter wie schwere Züge auf dem gleichen Gleis aufeinander zu. Doch wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Fehlende Quersubventionierung

Im schwächelnden Volkswagen-Konzern ist die Kernmarke VW das Hauptproblem. Sie erzielt seit Jahrzehnten nur eine bescheidene Marge. Aus dem Unternehmen heisst es, diese habe meist zwischen 0 und 4 Prozent gelegen. Früher konnte der Vorstand die ungenügende Performance mit den Gewinnen aus dem starken Chinageschäft oder mit den Erträgen der sehr profitablen Konzernmarken Audi und Porsche überdecken. Doch in China hat VW bei der E-Mobilität den Anschluss verloren, bei Audi kriselt es ebenfalls, und sogar Porsche erreicht derzeit nicht frühere Renditen. Die fehlende Quersubventionierung legt die Defizite der Marke VW schonungslos offen.

Der Konzernchef Oliver Blume hat der Marke eine Marge von 6,5 Prozent im Jahr 2026 als Ziel vorgegeben, damit sie die hohen Investitionen in die Elektromobilität, Digitalisierung und das teilautonome Fahren selbst finanzieren kann. Derzeit liegt die Rendite bei rund 2 Prozent, deutlich unter allen anderen Marken des Konzerns. Dazu hat Blume die seit 1994 geltende Job-Garantie gekündigt, will die Löhne pauschal um 10 Prozent kürzen, erwägt betriebsbedingte Entlassungen und die Schliessung von bis zu drei deutschen Werken. Die IG Metall fordert hingegen für den neuen Haustarifvertrag 7 Prozent mehr Lohn. Management und Gewerkschafter scheinen in verschiedenen Welten zu leben.

Man muss in dem Konflikt zudem auf zwei Verhandlungsstränge achten: zum einen jenen über den neuen Haustarifvertrag, zum anderen jenen über Gehaltsreduktionen, Entlassungen und Fabrikschliessungen. Beide Stränge sind kommunizierende Röhren. Je höher der Lohnzuwachs durch den neuen Haustarifvertrag ist, desto stärker müssen die Einschnitte in anderen Bereichen sein. VW argumentiert, die Löhne des Haustarifvertrages notierten 15 bis 20 Prozent über den Tarifen der IG Metall. Die Gewerkschaften halten das Plus für viel niedriger.

Stephan Weil als Zünglein an der Waage

Für den Konzern ist ferner wichtig, wie schnell Kostenreduktionen wirksam werden. Lohnsenkungen und die Abschaffung von Sonderleistungen, etwa Geldern für Betriebsjubiläen, schlagen sich sehr schnell im Zahlenwerk nieder. Die Schliessung von Fabriken entfaltet dagegen erst mittelfristig Wirkung und kann zuvor sogar zu hohen Restrukturierungskosten führen. Deshalb dürfte für Volkswagen eine Mischung von beiden Massnahmen wünschenswert sein.

Eine wichtige Rolle im ganzen Prozess kommt dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zu, der im Aufsichtsrat sitzt und den 20-prozentigen Stimmrechtsanteil des Landes am Konzern vertritt. Er hat schon klargemacht, dass Standortschliessungen für ihn keine Option sind. Volkswagen hat dem Vernehmen vor allem die vier Werke in Dresden, Osnabrück, Emden und Zwickau im Visier.

Die Gläserne Manufaktur in Dresden, wo einst der Phaeton und dann der e-Golf produziert wurden, ist unprofitabel, hat aber nur rund 350 Beschäftigte. Als betriebswirtschaftlich schwach gilt zudem das Werk in Osnabrück mit 2300 Angestellten. Ans Eingemachte geht es hingegen bei den grossen Standorten in Emden und Zwickau mit jeweils 8000 Beschäftigten. In beiden Fabriken stellt VW inzwischen ausschliesslich E-Autos her, die sich derzeit in Deutschland aber nur mässig verkaufen.

Standortsicherung ausserhalb des VW-Universums

Gesucht werden gesichtswahrende Kompromisse für alle Seiten. Für Weil und die Gewerkschafter könnte dies bedeuten, die Standorte zu erhalten, wenngleich sie nicht mehr zum Volkswagen-Konzern gehören. Bei den kleinen Standorten ist das denkbar. In Dresden könnte die Universität das Werk nutzen, und in Osnabrück wird über einen Verkauf nachgedacht, vielleicht an MAN oder einen Hersteller aus China. Zudem werden dort nicht nur Fahrzeuge gefertigt, sondern es gibt auch eine technische Entwicklung sowie einen Anlagen- und Werkzeugbau.

Ans Eingemachte ginge es bei den grossen Fabriken in Emden und Zwickau. Derzeit scheint es kaum vorstellbar, dass es Volkswagen gelingt, sich eines dieser Werke zu entledigen. Hier sind neue Wege gefragt – oder auch alte. Während der Krise Mitte der 1990er Jahre lag die Lösung in einer (vorübergehenden) Viertagewoche ohne Lohnausgleich. Dies könnte für beide Seiten ein schmerzlicher Kompromiss sein.

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