Donnerstag, Dezember 5

In den Häusern des sozial engagierten Bauunternehmers Leopold Bachmann ist die Empörung gross.

Im Volksmund werden die neun farbenfrohen Gebäude «Sugus-Häuser» genannt. Doch nun haben rund 200 Mieterinnen und Mieter in der Zürcher Neugasse eine bittere Nachricht bekommen: Alle 105 Mietparteien der Hausnummern 81, 83 und 85 haben in diesen Tagen offenbar die Kündigung bekommen. Sofern sie ihren Rauswurf nicht auf juristischem Weg anfechten, müssen sie sich binnen dreier Monate ein neues Zuhause suchen.

Die Gebäude würden von Grund auf saniert, hiess es gemäss den Nachrichtenportalen «Watson» und «Tsüri» in dem Kündigungsschreiben der Verwaltungsgesellschaft Allgood Property AG. Das Ziel der Arbeiten sei eine «nachhaltige und ökologische Zukunft». Die Renovationen betreffen demnach die Badezimmer und Küchen, daneben werden Leitungen ausgewechselt und Treppenhäuser erneuert.

Unter den Betroffenen ist die Empörung über die Kündigungen gross – ebenso wie in der städtischen Politik. Die SP betont in einer Medienmitteilung, dass in der Siedlung viele Familien wohnten, deren Kinder im Quartier zur Schule gingen. Ausserdem profitierten auch «sozial benachteiligte und ältere Menschen» von den gegenwärtig eher tiefen Mietzinsen der Siedlung.

Die SP fordert nun, dass die Kündigungen zurückgenommen werden. Ausserdem brauche es «griffige Massnahmen» gegen angebliche Leerkündigungen. Geht es nach der SP-Gemeinderätin Maya Kägi Götz, müssten Stadt und gemeinnützige Wohnbauträger in Zukunft «so viel Land wie möglich» kaufen und tiefe Mietzinse garantieren.

Auch Tanja Maag, die Fraktionspräsidentin der AL, schreibt auf Anfrage der NZZ, dass ihre Partei die Vorgänge in der Neugasse «gar nicht gutheisst». Der AL gehe es nun darum, über die Netzwerke der Partei Kontakt zu den betroffenen Mieterinnen und Mietern aufzunehmen und diese nach Kräften zu unterstützen.

Mehr als 100 Wohnungen gleichzeitig gebaut

Die Liegenschaften sind Teil eines Ensembles von neun identischen Bauten, die 1995 fertiggestellt wurden. Es handelte sich um eines der prominentesten Projekte des umtriebigen und sozial engagierten Bauingenieurs Leopold Bachmann.

Bachmann kam einst als mittelloser Mann in die Schweiz. In den sechziger Jahren machte er sich selbständig und baute in der ganzen Schweiz Tausende von Wohnungen. Allein im Jahr 2003 weihte er 400 Einheiten im Winterthurer Quartier Wässerwiesen ein – bloss, um im gleichen Jahr den Bau von 440 weiteren Wohnungen im Quartier Hegi in Angriff zu nehmen. Zeitweise arbeiteten Bachmann und seine Leute an über 1000 Wohnungen parallel.

Das erklärte Ziel des Baulöwen Bachmann bestand darin, möglichst viele möglichst bezahlbare Wohnungen zu errichten. Sein System war dabei äusserst simpel.

Wo er nur konnte, legte er selbst Hand an: Von der Arealentwicklung über die Planung und den eigentlichen Bau war er in alle Etappen eines Projektes involviert. Als Bauleiter besuchte er höchstpersönlich jeden Tag jede seiner Baustellen. Durch seinen unermüdlichen Einsatz sparte er Baukosten von bis zu 20 Prozent. Diese Gewinne behielt er aber nicht für sich selbst. Im Gegenteil: Die Hälfte der Mietzinse überwies er über seine Stiftung in die Länder des globalen Südens.

Eine Brache in Wohlfühlland verwandelt

Bevor Bachmann sich des Areals der heutigen «Sugus-Häuser» annahm, lag die Fläche brach. Die SBB suchten während Jahren einen Investor, der die Fläche entwickeln wollte – aber ohne Erfolg. Da trat Bachmann auf den Plan und machte Nägel mit Köpfen.

Er kaufte das Land, änderte das von den SBB vorgesehene Projekt nach seinem Gusto ab und realisierte den gesamten Bau statt in fünf Jahren in fünfzehn Monaten. 1995 zogen die ersten Mieter ein – und fühlten sich wohl. Zu diesem Resultat kam jedenfalls eine Studie, die die Stadt Zürich am Anfang der nuller Jahre durchgeführt hat.

Heute befinden sich die Wohnhäuser im Besitz von Leopolds Nachkommen.

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